Nicht mit dem Commander!
Keine Sorge, er wird nicht bohren - nur alle unnötigen Körperteile mit einer groben Säge abschneiden und durch kybernetische Implantate ersetzen. Dr. Mastaba - der Arzt, dem die Wahnsinnigen vertrauen.
Gibt es einen schöneren Weg geweckt zu werden, als durch ein Erdbeben? Das Bett wackelt, der Schädel brummt - aber das ist auch alles, was er macht. Sonst ist da nichts drin, keine Erinnerung an irgendwas, kein Name, keine Erklärung dafür, warum der Blick nach unten keinen Fluffy-Bunny-Schlafanzug, sondern ausschließlich kybernetische Komponenten zeigt, die den Terminator neidisch gemacht hätten. Zu allem Überfluss kommt auch noch eine elektronische Krankenschwester angeschwebt, die keine Antworten, aber dafür eine gut gespitzte Spritze hat, mit der sie den verwirrten Patienten zurück in den Tiefschlaf zu schicken gedenkt. Nix da! Nach einem gut gezielten Tritt in das Kraftfeld der Zelle gibt der blechernde Nervtot Ruhe und der Spieler kann sich ungestört umsehen…
Und das sollte er auch. Ganz entspannt. BioForge ist über weite Teile ein unaufgeregtes Spiel. Zwar gibt es Abschnitte mit garstigen Zeitlimits (wenn man etwa eine verschlossene Tür sprengen oder einen kurz vor der Explosion stehenden Atomreaktor abschalten muss), aber davon abgesehen hat man viel Zeit. Und die braucht man auch, denn es gibt irrsinnig viel zu lesen: Die vielen Computerterminals enthalten sowohl interessante als auch nützliche Logbücher, die man sich aus zwei Gründen in voller Länge gönnen sollte. Zum einen gibt es nur hier Tipps zur weiteren Vorgehensweise bzw. dringend benötigte Zugangscodes, zum anderen wird über sie ein Großteil der Hintergrundgeschichte vermittelt. Und die ist selbst nach heutigen Maßstäben erstklassig: Die Sage um Gedächtnisverlust, Filigranchirurgie seitens des durchgeknallten Arztes Dr.
BioForges Kampfsystem war zwar träge, aber in seinem Umfang sehr beeindruckend. Außerdem durfte man Leute mit einem abgerissenen Arm verprügeln.
Mastaba, den Kult der Monditen, die an Evolution durch kybernetische Implantate glauben sowie die uralte Alienrasse der Phyxx ist hochspannend. Aber um sie in ihrer ganzen Breite zu erfassen, muss man bereit sein, viel Text zu schlucken: Das der Packung beiliegende Handbuch (in dem man u.a. alles über den bizarren blauen Kerl erfährt, den man gleich zu Spielbeginn mit seinem eigenen abgerissenen Arm verdrischt), die Computerterminals und das eigene Logbuch, in dem regelmäßig automatisch Gedanken zur aktuellen Situation niedergeschrieben werden. Nicht zu vergessen die seltenen und aus heutiger Sicht natürlich reichlich kruden Renderfilme (
hier das Intro) sowie geskriptete Echtzeit-Cutscenes. Es gibt viel zu sehen und zu lernen in BioForge.
Der Stromkreis des Lebens
Und wofür das Ganze? Hat Designer und Hauptprogrammierer Ken Demarest (der zuvor u.a. an den Ultima- und Wing Commander-Spielen beteiligt war) zwei Jahre lang ein ausuferndes Buch entwickelt? Mitnichten! BioForge ist ein Action-Adventure im besten Sinne der Worte: Wer man ist, wird einem nicht verraten, die Hauptfigur trägt noch nicht mal einen offiziellen Spielnamen (in einem Logbuch werden allerdings Hintergrundinfos sowie die Bezeichnung »Lex« angedeutet) - sie ist nur ein Versuchskaninchen.
Neben den Kämpfen und Puzzles gab es auch viele Geschicklichkeitseinlagen, teilweise unter heftigem Zeitdruck. An dieser Stelle muss z.B. ein kurz vor der Explosion stehender Reaktor abgeschaltet werden.
Eines, das sich hervorragend zu wehren und Puzzles zu lösen vermag! Und so ruhig wie das Spiel in manchen Abschnitten ist, so heftig geht es in anderen zur Sache. Man darf sich da nichts vormachen, gerade aus der heutigen Perspektive ist es ein sackschweres Spiel! Zum einen gab es viele spontane Tode: Im falschen Stockwerk aus dem Lift gestiegen - sofort vom Wachroboter zerfetzt. Unvorsichtigerweise einen dunklen Gang erkundet, aus dem es bedrohlich knurrt - vom Riesenskorpion zerlöchert. Eine lose Bodenplatte übersehen - uuups, Freiflug ins Jenseits. Besonders fies war auch die Tatsache, dass man sich mit unachtsamem Vorgehen tatsächlich das Spielende vermasseln konnte: Eine Batterie, die man im letzten Drittel erhielt, musste zuletzt noch einen bestimmten Restvorrat an Energie aufweisen, damit man vom Planeten Daedalus entkommen konnte. Hatte man diesen nicht mehr, ging es nicht weiter. Pech gehabt.