Special: Lone Survivor (Action-Adventure)

von Benjamin Schmädig



Lone Survivor: Über stille Hügel
Über stille Hügel
Entwickler:
Publisher: -
Release:
27.03.2012
23.09.2013
23.09.2013
Spielinfo Bilder Videos
Eine Gitarre stimmt an, verhalten und nachdenklich. Das Schlagzeug verleiht ihr den Schwung einer Rock-Ballade, dann verstimmt es wieder. Bis plötzlich ein verzerrter Synthesizer die vermeintliche Ruhe unterbricht... Silent Hill hat vorgemacht, wie Musik zwischen starken Gefühlen und harter Gewalt klingen kann - Lone Survivor macht es nach. So originalgetreu, dass man sich manchmal in den Straßen der Horrorstadt wähnt.

Typisch Silent Hill!

Gleich mehrmals greift Jasper Byrne, Komponist und alleiniger Entwickler von Lone Survivor, das prägende Klischee des musikalischen Silent Hill auf: In "Where Is It Going?" begleitet ruhiger Gesang das kurze Gitarren-Riff und im Titelstück entwickelt er die gezupfte Melodie zu einem kraftvollen elektronischen Song. Kein Wunder: Unter dem Namen Sonic ist Byrne als Drum and Bass-Musiker umtriebig. "Lone Survivor" ist allerdings das einzige
Stück, in dem er seine Erfahrung als DJ so markant ausspielt.

Sein Können als Elektronik-Künstler unterstreicht er hingegen über die Dauer des 40-minütigen Soundtracks. Und dabei kommt er Akira Yamaoka, dem Komponisten der frühen Silent Hill-Episoden, erstaunlich nahe. Yamaokas klangzerstörende Experimente erreicht er zwar nie, für Stücke wie "Descent" oder "Whispers" erzeugt er aber synthetische Verzerrungen, in denen sich grausiger Ekel verstecken könnte. Als würden fremdartige Maschinen im nebligen Hintergrund arbeiten, Monster durch die Nacht schleichen. Typisch Silent Hill!

Vertraut anders

Bezeichnend auch eine scheinbar friedliche Atempause, der Byrne einen klammen elektronischen Hall verleiht. Seine Klänge verlegen die Szene in eine enge Kammer mit Wänden aus weißem Nebel. Ein starker Augenblick - den es fast genau so im zweiten Silent Hill schon gab. Yamaoka betitelte ihn "White Noiz", Byrne nennt ihn einfach nur "Her".

Und trotzdem ist es schwierig, Lone Survivor als Plagiat einzustufen, denn sein Spiel bezieht sich auch erzählerisch auf die große Referenz. Er muss die Musik des Vorbilds als fast zwangsläufig zitieren.

Gefühl und Sexidol

Man kann es ihm ohnehin kaum übel nehmen, weil der Soundtrack einer der einprägsamsten dieser Tage ist. Byrne erschafft nicht nur beklemmende Räume, er webt die emotionale Seite seiner Geschichte auch  gefühlvoll in das kraftvoll arrangierte Unheil hinein:
Hörproben und Verfügbarkeit

Lone Survivor ist zum Preis von 6,99 Dollar auf Bandcamp erhältlich.

Wie üblich darf man jedes Stück komplett probehören und gekaufte Alben in allen erdenklichen Formaten herunterladen.
"Reflections" wird z.B. von einem sanften Klavier getragen, wenn die immer gleichen vier Anschläge wie auf einer Welle in eine weite Ferne fließen. Und mit Party Time schlägt er sogar jazzige Töne an, während zu dem schleppenden Bass eines "You Know Me" ein Sexidol langsam in die Kamera tanzen könnte.

Ähnlich wie Jim Guthries Sword & Sworcery beweist Byrne mit Lone Survivor, wie überholt das zwanghafte Imitieren des durchschnittlichen Blockbuster-Kinos ist. Erst wenn ein Komponist seine Stärken - egal, ob sinfonisch oder synthetisch - zu nutzen weiß, wird deutlich, wie eindringlich Spielemusik sein kann. Und nur wenn ihr das gelingt, entstehen die einzigartigen Welten, in denen das besondere Erlebnis wartet.

Das ist schon ganz schön abgekupfert, was Jasper Byrne hier spielt! Lone Survivor erinnert nicht nur an Silent Hill 2, es kopiert das Vorbild mitunter recht unverhohlen. Weil die Kopie aber verdammt gut ist, weil sie einen erzählerischen Zweck erfüllt und auch, weil der Komponist erfreulich vielseitig auflegt, nimmt man ihm seine Version des Horrorklassikers gerne ab. Denn die Musik ist in jedem Moment so plastisch, dass einzigartige Bilder entstehen. Bilder, die wehmütige Erinnerungen wecken oder Furcht erzeugen - und das Tor in eine auf seltsame Weise bezaubernde Fremde aufstoßen.

Einschätzung: sehr gut

Kommentare

4P|Benjamin schrieb am
Deshalb kommt er ihm auch "nur" "erstaunlich nahe". :-)
No Cars Go schrieb am
Der Einschätzung kann ich nicht ganz zustimmen: Jasper Byrnes stimmungsvoller Score zum eigenen Spiel untermalt sicherlich treffend die Ereignisse auf dem Bildschirm, spielt aber schon noch eine Liga tiefer als Akira Yamaoka.
But that's all just oh!-pinion.
schrieb am