Ballern, Puzzeln und Musik: Mizuguchi’s kreative Geniestreiche
Beinahe parallel zu Frequency bewies Space-Channel-5-Designer Testsuya Mizuguchi im Jahr 2001, dass das Tastendrücken nicht immer Grundlage für eine Performance sein musste, sondern auch mit anderen Genres gemischt werden konnte. Das auf Dreamcast und PlayStation 2 erhältliche
Rez verband Musik mit einem fordernden Railshooter – ein Konzept, das Mizuguchi zehn Jahre später mit
Child of Eden (Xbox 360, PS3) wieder aufgriff. Und dazwischen versuchte er stets, neue Wege zu finden, um konservative Mechaniken wie Puzzler oder Arcade-Action mit musikalischer Interaktion zu einem frischen Erlebnis zu machen. Die Ergebnisse wie
Lumines (2004, PSP) oder
Every Extend Extra (2006, PSP), das zwei Jahre später auch als "
Extreme"-Version für Xbox 360 erschien, sind zwar keine Rhythmustitel im klassischen Sinn, haben aber gezeigt, dass das Musikspiel sich auch über Genregrenzen hinweg setzen kann. Und auch diese Tendenz zeigt sich in der Gegenwart: Vor allem die Rockoper
Karmaflow sorgt mit ihrer Verbindung aus Action-Adventure und Musik, dass hier noch lange nicht das Ende der kreativen Fahnenstange erreicht ist.
Just Fantasia Dance Central: Tanzen ohne Matte
Tanzen ohne Matte: Die Just-Dance-Serie hat sich mit allen Ablegern weltweit über 55 Mio. Mal verkauft.
Mit neuer Hardware wie Wii, PlayStation Move und Kinect (auf 360 und One) kam ab 2009 schließlich die große Konkurrenz für die Tanzmattenspiele. Und vor allem zwei Entwickler waren hier ganz vorne mit dabei: Ubisoft, das mit der
Just Dance-Serie zuerst auf Wii, dann auch auf Microsoft- und schließlich auch auf Sony-Systemen für ungezwungenen Bewegungsspaß sorgte, bei dem man entweder mit dem Controller in der Hand (Wii, später auch Wii U, PS3/Move) oder per Kinect den Bewegungen der Tänzer auf dem Schirm folgte - bzw. diese spiegelte. Die Choreografien waren mitunter anspruchsvoll, die Bewegungserkennung war aber über alle Systeme hinweg sehr tolerant und dem Spaß untergeordnet. Und für die Serie, die seit ihrer Premiere mit Fortsetzungen, Ablegern wie
The Black Eyed Peas Experience, Disney Party, Just Dance Kids oder Fernost vorbehaltenen Versionen wie z.B. Just Dance Wii auf über 20 Teile kommt, scheint kein Ende in Sicht. Angesichts der musikalischen Bandbreite, die von Klassikern bis hin zu modernen Hits viel Abwechslung bietet, kann man sich dem Spaß nur schwer entziehen.
Es geht um Vision und den Einsatz neuer Technologie? Dann darf Harmonix natürlich wieder einmal nicht fehlen. Allerdings konzentrierte man sich exklusiv auf die Xbox 360 und Kinect, wo man mit
Dance Central samt Fortsetzungen in den Jahren 2010, 2011 und 2012 als eigentlich einziges Team beweisen konnte, dass
Mit Fantasia erschafft Harmonix einen neuen kreativen sowie künstlerischen Höhepunkt.
akkurate Bewegungserkennung mit der teils zu Recht gescholtenen Zusatzhardware absolut erreichbar ist. Zusammen mit dem 2014 auf Xbox One veröffentlichten, allerdings inhaltlich reduzierten sowie vorrangig auf Download-Inhalte setzenden
Dance Central Spotlight konnte sich die Serie mehr als sechs Millionen Mal verkaufen, was allerdings auch nur einen Tropfen auf dem heißen Just-Dance-Stein mit insgesamt über 55 Millionen verkaufter Einheiten darstellt. Im Gegensatz dazu konnten die ehemaligen Tanz-Pioniere von Konami mit
Dance Evolution bei der controllerfreien Bewegung nicht mehr überzeugen. Ganz anders Harmonix, die mit ihrem nächsten Kinect-Projekt 2014 eine leicht andere Richtung einschlugen: Bei
Disney’s Fantasia: Music Evolved wagte man sich an einen der besten Filme von Walt Disney und versuchte, den Geist des Zelluloidwerkes aus dem Jahr 1940 einzufangen. Und dies gelang nicht nur mit dem Einsatz lizenzierter Pop-, Dance oder Rocktracks. Zusätzlich hatte man wie in keinem anderen Musikspiel zuvor die Möglichkeit, die Tracks zu mischen und mit neuen Klangerlebnissen zu versehen, während man in den einzelnen Welten über die Kraft der Musik Veränderungen hervorrief. Künstlerisch so ambitioniert wie nie, blieb Harmonix der kommerzielle Erfolg allerdings versagt, so dass Music Evolved trotz aller Qualität als Schwanengesang auf Kinect 2.0 in die Geschichte eingehen dürfte.
Echt jetzt: Aus Spaß wird ernst
Weil die Abfrage echter Instrumente "zu kompliziert sei", wird für Rock Band 3 eine "Pro"-Plastikgitarre mit über 100 Knöpfen angeboten.
Mit
Rock Band 3 wurde 2010 eine Keyboard-Spur eingeführt, die man entweder mit einem per MIDI angeschlossenen Keyboard oder dem speziell für das Spiel hergestellten zwei Oktaven umfassenden Controller bedienen konnte. Mit der Pro-Spur für Gitarre, die im Wesentlichen der Originaltabulatur entsprach, wollte man ebenfalls einen großen Schritt Richtung Realismus machen und veröffentlichte zu diesem Zweck einen Gitarren-Controller mit 102 (!) Tasten. Die Haptik war allerdings suboptimal und konnte das Spielen mit einer richtigen Klampfe nicht ersetzen. Auf der E3 2010 fragten wir Harmonix, wieso sie nicht das Spiel mit einer echten Gitarre erlauben. Als Antwort bekamen wir, dass dies technisch für sie nicht möglich bzw. zu kostspielig für den Benutzer sei.
Nun, dem widersprach Ubisoft nur ein Jahr später, als in den USA mit
Rocksmith und dem beiliegenden Spezialkabel genau dies ermöglicht wurde. Je nach Hardware-Konfiguration gab es zwar störende Lags von bis zu einer halben Sekunde, doch bei einer optimalen Verbindung von Konsole und HiFi-Receiver wurde Harmonix‘ Aussage ins Reich der Fabelwelt verfrachtet. Ein Jahr später konnte man auch in Europa in die Saiten hauen und durfte sich sogar über Bass-Unterstützung freuen.
Ubisoft beweist mit Rocksmith, dass dem nicht so ist.
Wiederum ein Jahr später erschien mit
Rocksmith 2014 der bislang letzte Teil der Musikspielserie, der das Lag nahezu komplett ausradierte. Es gab übrigens noch einen weiteren Titel, der mit echten Gitarren gespielt werden musste und der vom Start weg ohne jegliches Lag auskam:
BandFuse: Rock Legends. In Amerika Ende 2013 erschienen, für einen europäischen Release Anfang 2014 vorgesehen und mit einer ordentlichen Tracklist von Maroon 5 über Jane's Addiction, Bad Religion oder Pantera bis hin zu Dream Theater ausgestattet, wartete man hierzulande allerdings vergeblich auf das Spiel, das gekonnt Elemente von Rock Band und Rocksmith mischte.