Oculus Rift21.08.2012, Jan Wöbbeking
Oculus Rift

Special:

Nach der Renaissance der 3D-Technik wollen einige Hardware-Tüftler aus Long Beach einen Schritt weiter gehen: Ihr per Kickstarter finanziertes Headset „Oculus Rift (ab 0,99€ bei kaufen)“ soll den Spieler direkt in die virtuelle Welt versetzen. Ähnlich wie es die Virtual-Reality-Headsets in den Neunzigern taten, allerdings mit der Technik des Jahres 2012. In Köln haben wir die futuristische Hardware ausprobiert, welche momentan für den PC entwickelt wird.

Zurück in den Cyberspace

Ein Info vorweg: Meine Probe-Session mit der Hardware hat sich gelohnt. Der räumliche Ausflug in die BFG-Edition von Doom 3 war beeindruckend – obwohl sich Probleme wie die geringe Auflösung des Prototyps negativ bemerkbar machten. Einen Stand auf der gamescom konnten die Entwickler auf die Schnelle nicht mehr organisieren. Sie luden uns aber in ein Hotel am Rhein ein, um ihr Baby in Aktion zu erleben, welches von Fürsprechern wie id-Gründer John Carmack oder Epics Cliff Bleszinski in höchsten Tönen gelobt wird.

Konstrukteur Palmer Luckey und sein Kollege Nate Mitchell führten uns einen Prototyp vor, welcher noch behelfsmäßig mit Klebeband gebastelt wurde. Auch Unterstützer der Kickstarter-Aktion müssen bei der günstigsten Variante (275 Dollar) selbst die Einzelteile montieren. Für 25 Dollar mehr gibt es einen fertigen Prototyp. Auch das Endprodukt soll sich in einem massenmarkttauglichen Preisrahmen bewegen – einen Release-Termin gibt es aber noch nicht. Das Development Kit richtet sich eher an Entwickler, welche die Hardware ausprobieren und mit ihrem Spiel kompatibel machen wollen.

Leichtgewicht mit Gaffa-Tape

Der Rasenmähermann lässt grüßen: In Köln wagten wir ein Spielchen mit dem Prototyp und Doom 3 BFG.
Der Rasenmähermann lässt grüßen: In Köln wagten wir ein Spielchen mit dem Prototyp und Doom 3 BFG.

Die erste Überraschung erwartete mich gleich beim Aufsetzen. Die Brille ist trotz ihrer klobigen Form erstaunlich leicht: Nur rund 220 Gramm wiegt der aktuelle Prototyp. Auch das Gummiband am Hinterkopf und die seitliche Abdunklung aus Schaumstoff sitzen schon sehr bequem. Als nächstes musste ich das Gerät noch ein paar Millimeter nach oben du unten schieben, bis meine Augen das Bild richtig scharf sahen.

Bevor ich in das Doom 3 BFG Edition eintauche, ein paar technische Details zum Verständnis. Anders als bei Sonys Headset HMZ-T1 oder Nintendos Virtual Boy wirkt es hier nicht, als sitze man vor einer großen Leinwand mit 3D-Bild. Bei den genannten Beispielen hat jedes Auge einen eigenen Bildschirm vor sich.

Fast wie auf dem Mars

Hier ein näherer Blick auf den Prototypen: Ein Teil der Technik steckt im angeschlossenen Kästchen. Das Design unterscheidet sich natürlich noch stark vom geplanten Endprodukt...
Hier ein näherer Blick auf den Prototypen: Ein Teil der Technik steckt im angeschlossenen Kästchen. Die zwei Linsen lenken den Blick auf die jeweilige Hälfte des Bildschirms am anderen Ende. Das Aussehen unterscheidet sich natürlich noch stark vom geplanten Endprodukt.
Das Oculus Rift geht die Sache ein wenig anders an: Hier klebt nur ein Bildschirm an der Rückwand. Damit trotzdem ein 3D-Effekt entsteht, blicken meine Augen durch zwei Linsen. Das linke Auge fokussiert die linke Hälfte des Bildschirms, das rechte den Rest der Fläche. Das Schöne daran: Als Spieler bekam ich von all dem nichts mit – stattdessen fühlte ich mich wie in der virtuellen Welt. Das Bild war durch die Linsen so groß, dass es mein komplettes Sichtfeld abdeckte. „Der Effekt lässt sich schwer beschreiben – man muss es selbst gesehen haben“, erklärte Mitchell und fragte mich, ob ich zu Motion Sickness neige und lieber im Sitzen spielen wollte.

Da ich damit normalerweise keine Probleme habe, wagte ich eine Runde im Stehen und stürzte mich in die „Full-on Experience“, wie Mitchell es ausdrückte. Die Besonderheit des Rift sei schließlich das schnelle Tracking der Kopfbewegungen, welches frühere VR-Headsets nicht geboten hätten. Statt den rechten Stick oder eine Maus zu benutzen, schaute ich mich einfach ganz normal um. Eine Kopfdrehung nach rechts und ich blickte genau in die entsprechende Richtung. Eine minimale Verzögerung war noch spürbar, trotzdem wirkte es schnell und natürlich. Als ich in den Gang rechts neben mir gehen wollte, drehte ich auch meine Füße in die Richtung. Dann hielt ich einfach den Stick nach vorne und lief in die gewünschte Richtung. All zu oft ließ sich das Spielchen natürlich nicht wiederholen: Drehte ich mich zu weit im Kreis, verhedderte ich mich irgendwann in den Kabeln. Also klopfte Mitchell mir ab und zu auf die Schulter und drehte mich zurück in die Grundstellung.

Zielen mit dem Kopf

Hier eine erste Studie der Consumer-Version.
Hier eine erste Studie der finalen Version.
Als ein Monster auf mich zu bewegte, wurde es ungewohnt, denn ich zielte direkt mit meinem Kopf: Einfach auf den Schädel des Monsters blicken und das Laservisier zielte haargenau dort hin. Ich drückte mit dem R-Taster meines Controllers ab und kümmerte mich um die nächsten Biester. Das Anpeilen funktionierte erfreulich flott, allerdings gab es auch hier Probleme mit den Kabeln.

Ebenfalls problematisch: Die virtuelle Welt wurde so glaubhaft vorgegaukelt, dass mein Körper zu wanken begann, sobald ich loslief. Das Gleichgewichts-Zentrum bekam offenbar die Information, dass ich mich in Bewegung setzte und wollte sich wie in einem anfahrenden Bus ausbalancieren. Ab und zu hielt Mitchell seine Hand an meine Rücken, damit ich nicht zu sehr schwankte. In früheren Virtual-Reality-Automaten sorgte ein kleines Podest mit Ring um den Körper dafür, dass man sich abstützen und orientieren konnte. Noch haben die Entwickler nichts dergleichen geplant, stattdessen hoffen sie darauf, dass sich die Spielentwickler clevere Steuerungs-Mechanismen ausdenken. „Wir versuchen erst einmal, die Hardware so schnell, gut und preiswert wie möglich fertigzustellen. Um die Steuerung müssen sich die Spielentwickler kümmern. Sie bekommen die Entwicklungs-Tools und müssen dann entscheiden, was in ihrem Titel am besten funktioniert: Im Stehen, im Sitzen, eine Kombination mit einem Controller und andere Dinge.“

Grobe Pixel

Technische Daten (nicht final):

- Head-tracking: 6 degrees of freedom (DOF) ultra low latency

- Blickfeld: 110 Grad diagonal/90 Grad horizontal

- Auflösung: 1280 x 800 (640 x 800 pro Auge)

- Eingänge: DVI/HDMI und USB

- Gewicht: etwa 0,22 Kilogramm Ein weiteres Problem war die geringe Auflösung des Prototyps. Luckey begann erst vor zwei Jahren mit dem Projekt und setzt für den Entwickler-Prototyp noch einen kostengünstigen Bildschirm mit einer Auflösung von 1280 x 800 Bildpunkten ein. Da die Auflösung auf zwei Augen aufgeteilt wird und die Linsen das Bild sehr groß erscheinen lassen, schaute ich also noch auf ein grobes Raster von jeweils rund 640 x 800 Pixeln. Dank des tollen 3D-Effekts fiel es mir nach einer Weile nicht mehr auf, aber schön wirkten die dicken Punkte natürlich nicht.

„Wichtig bei der Kickstarter-Aktion ist, dass die Entwickler erst einmal loslegen können“, erklärt Luckey, „für die Consumer-Version versuchen wir aber Screens mit höherer Auflösung zu benutzen, welche wir durch eine größere Stückzahl günstiger einkaufen können.“ Möglich sei z.B. ein Screen mit Full-HD-Auflösung. Erstaunlich war übrigens, dass ich keinerlei Geisterbilder entdecken konnte, obwohl laut Luckey sämtliche Pixel genutzt werden. Die beiden Bildschirmhälften werden offenbar sauber voneinander getrennt. Laut den Entwicklern soll es den Augen übrigens nicht schaden, dass sie aus nur rund 5 Zentimeter Abstand auf einen Bildschirm starren. Durch die eingebauten Linsen sei der Blick auf die Unendlichkeit ausgerichtet - ganz so, als würden sie entspannt zum Horizont schauen.

Kein Herz für Brillenträger?

Die Entwickler und ihr Baby: Für das Foto legten die von Jetlag und Terminstress geplagten Palmer Luckey (links) und Nate Mitchell ein erstaunlich waches Lächeln auf.
Die Entwickler und ihr Baby: Für das Foto legten die von Jetlag und Terminstress geplagten Palmer Luckey (links) und Nate Mitchell ein erstaunlich waches Lächeln auf.
Die Gucklöcher könnten sich allerdings als Problem für Brillenträger entwickeln. Die Linsen sind darauf ausgelegt, sich so nah wie möglich vor den Pupillen zu befinden. Die Entwickler arbeiten aber an einer Lösung, so dass man das Gerät zumindest mit einer kleinen Brille nutzen kann. Bis auf das am 19. Oktober erscheinende Doom 3: BFG Edition konnte man uns noch keine konkreten Titel nennen, es hätten aber bereits jede Menge Entwickler Interesse bekundet, darunter z.B. Id Software und Epic Games. Das in Arbeit befindliche Software-Entwicklungskit soll z.B. in die Unity und Unreal Engines eingebunden werden. Wer das Headset in seinem Spiel nutzen will, muss einerseits das Headtracking einbinden und natürlich die stereoskopische 3D-Berechung ermöglichen: Bei letzterer muss die Form des Bildes an das leicht gebogene Bild der Linsen angepasst werden.

Aktuelle 3D-Spiele kann die Hardware momentan übrigens noch nicht darstellen, da sich die Sichtfelder zu stark unterscheiden. Auch das soll sich aber vielleicht später ändern. Momentan ist das VR-Headset nur für den PC geplant. In Zukunft wollen Luckey und seine Kollegen aber versuchen, es auch kompatibel zu Konsolen und mobilen Systemen zu gestalten. Wer das Projekt unterstützen möchte, kann sich noch bis zum 31. August bei Kickstarter beteiligen . Bislang wurden rund 1.800.000 Dollar beigesteuert, als Mindestgrenze waren 250.000 Dollar angesetzt.

Erste Einschätzung

Schön, dass es die Entwickler des Oculus Rift doch noch nach Köln geschafft haben. Das Ausprobieren des futuristischen VR-Headset hat sich wirklich gelohnt. „Es ist das erste Gerät, das dich wirklich ins Spiel versetzt“, verspricht Nate Mitchell – und er hat nicht ganz unrecht: Mangels Erfahrung kann ich mein Erlebnis zwar nicht mit der Konkurrenz aus Forschung und Militär vergleichen, aber die virtuelle Realität ist tatsächlich beeindruckend. Ich fühlte mich so sehr ins Spiel versetzt, dass sogar mein Körper bei schnellen Bewegungen ins Schwanken geriet. Das Halten des Gleichgewichts und Kabelsalat bei Drehungen könnten sich allerdings zum Problem entwickeln. Auch die niedrige Auflösung machte sich noch durch unschöne Pixel bemerkbar - für die Kaufversion will man aber auf ein höher aufgelöstes Display umsatteln. Erstaunlich ist, wie bequem der sehr leichte Prototyp auf dem Kopf sitzt. Wenn genügend Entwickler mitziehen, könnte man dem Versprechen der virtuellen Realität näher kommen als vergleichbare Headsets in den Neunzigern. Die Miniaturisierung der Technik hat seitdem schließlich große Sprünge gemacht.

Wer mehr über Doom BFG und die 3D-Pläne von id-Software erfahren will, sollte auch in unserem Interview mit Creative Dirctor Tim Willits schmökern.

 
0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.