Special:
Zitate für die Ewigkeit
Die Helden: Ein zerknautschte Anzüge tragender Riesenhund mit einer Vorliebe für Wüstensand-trockend Sprüche. Sowie ein dauergrinsender Psycho-Kuschelhase mit zutiefst sadistischer Ader. Die Handlung: absurd hoch drei. Denn alles dreht sich darum, dass ein Bigfoot sowie ein Giraffenhals-Mädchen aus einem Zirkus entflohen sind und wieder eingefangen werden sollen - was u.a. einen Ausflug zum größten Wollknäuel der Welt, eine Teergrube am Fuße der Präsidenten-Abbilder am Mount Rushmore (aus deren Nasen Bungee-Sprünge gemacht werden), einen völlig bizarren „Mystery Vortex“ (in dessen Umgebung die Realität beeindruckend verschwurbelt ist) sowie in die „virtuelle Realität“ der frühen Neunziger beinhaltet. Der Humor: anarchisch, derb, zynisch, schwarz wie eine Countrysänger-Seele - ein Kleber mit der Aufschrift „Empfohlen AB 12 JAHRE! Heikler Humor!“ zierte die Packung. Der Name dieses großartigen Spaßes: Sam & Max Hit the Road (ab 99,90€ bei kaufen).
Wenn ich am Sam & Max zurückdenke, dann kommen mir als Erstes nicht Bilder oder Puzzles, sondern Sprüche in den Sinn. Sprüche, die sich mir eingebrannt habe, die ich immer wieder im Alltag verwende, und sei es auch nur, um meine Mitmenschen nachhaltig zu verwirren. „Max, where should I put this so it doesn’t hurt anyone we know or care about?“ “Out the window, Sam. There’s nothing but strangers out there.” Oder “Cash. Never leave home without it.” Ganz zu schweigen von “Who was that?” “I don’t know. But if it weren’t for the carefree innocence of this carnival, I’d be breaking his kneecaps.” Ebenfalls ein Klassiker: “Any more bright ideas?” “Let’s start crying like babies!”
I remember my childhood in Brighton...
Mir sind die englischen Sprüche im Gedächtnis geblieben, weil ich mir das Spiel bei einer 1994er Klassenfahrt nach London gekauft habe - der Beginn meiner Vorliebe für Originalversionen.
Auch die Dialoge wurden komplett grafisch geführt, wobei Icons die möglichen Themen symbolisierten, nicht die üblichen Multiple-Choice-Sätze. Das Inventar war ein versiffter Pappkarton, in dem man direkt die einzelnen Objekte auswählte, kombinierte und nach außen zog, um es mit der Umwelt zu benutzen. Durchaus gewöhnungsbedürftig. Wer sich davon ablenken wollte, hatte mehrere Minispiele zur Auswahl, mit denen sich vortrefflich die Zeit vertreiben ließ: Eine „Bratz das Vieh“ betitelte Ratten-Klopperei, eine Art „Schiffe versenken“, nur mit Autos, „Highway Surfing“ (bei dem Max auf dem Autodach hoppelnd Autobahn-Schilder zerstören musste), dazu ein Mal- und ein Anziehbuch (das gleichzeitig als Kopierschutz der Disk-Version diente).
Benutz mich! Benutz mich!
Außerhalb der durchaus radikalen Steuerungs-Renovierung (die auch in späteren LA-Abenteuern Verwendung fand) war Sam & Max LucasArts pur: Es gab keine Sackgassen und keinen Figurentod; abenteuerliche Aktionen und Ausprobieren wurden nicht bestraft, sondern meist mit albernen Sprüchen kommentiert. Es gab etliche Anspielungen auf andere Spiele der Kalifornier, u.a. einen Auberginen-Austausch im Indiana-Jones-Stil, Star-Wars- und Monkey-Island-Zitate oder einen Gastauftritt von DotT-Held Bernard Bernoulli als Kassierer der Raststätten-Kette Snuckey’s. Grundsätzlich steuert man nur Sam, auch wenn Max fast immer mit im Bild ist - ein Wechsel der Figuren, wie von DotT meisterlich vorgemacht, ist nicht möglich. Allerdings gibt es immer wieder Situationen, in denen mit Puzzle-Logik oder gutem Zureden kein Fortkommen mehr möglich ist. Auftritt: Psycho-Karnickel. „Benutzt“ man Max, kann man mit ihm u.a. einen Katzen-Kurier von innen nach außen stülpen, einen Dino-Zahn ausreißen oder einen Sicherungskasten durchschmoren lassen. Anarcho-Slapstick pur!
Die Sage von Hund und Has‘
Nachdem Hit the Road ein großer Erfolg wurde, tauchten Sam & Max in der einen oder anderen Form in anderen LA-Spielen auf: als geheimeMax -förmige Höhle in Dark Forces, als Statuen in Monkey Island (wenn auch nicht mehr in Revival - da hatte LA schon nicht mehr die Rechte an den Figuren, also wurde dann Purpur Tentakel daraus), als Kostüm in Monkey Island 2 oder als Statue in Indiana Jones and the Last Crusade. Ein echter Nachfolger unter dem Namen Sam & Max: Freelance Police sollte erst Anfang der 2000er entstehen und war auch schon recht weit fortgeschritten - als LucasArts im Hinblick auf den deutlich lukrativeren Star-Wars-Markt plötzlich den Stecker zog.
Die gesammelten Werke von Steve Purcell wurden bereits 1995 unter dem Namen „Sam & Max: Surfin‘ The Highway“ als Buch veröffentlicht - das heutzutage kaum noch zu bekommen ist. Und wenn doch, dann nur für wahnwitzig viel Geld. Dankbarerweise gab es 2008 eine Neuveröffentlichung des Wälzers unter Telltale-Flagge, das im hauseigenen Store für gerade mal knapp 20 Dollar zu haben ist. Ich hab’s mir da auch gekauft - es ist jeden verdammten Cent wert! Als dann auch noch 2005 der Lizenzvertrag mit Steve Purcell auslief, wanderten die Rechte an Sam & Max an Telltale Games - einer Firma, die von ehemaligen Lucas-Arts-Mitarbeiten gegründet wurde. Die dann die überaus erfolgreichen 3D-Sam&Max-Episodenspiele entwickelten.
Und dennoch bleibe ich lieber beim Original, war es doch eines der besten Weihnachtsgeschenke des ohnehin schon verdammt guten Spielejahres 1993. Es ist hochgradig albern, herrlich bescheuert, sieht exzellent aus, bietet wunderbar bekloppte Figuren und tiefschwarzen Humor auf genau meiner Wellenlänge. Und ist mittlerweile das vierte klassische Adventure (nach Indiana Jones and the Fate of Atlantis, Day of the Tentacle und The Legend of Kyrandia), das in meinen Oldie-des-Monats-Fokus rückt. Ich habe damals echt viel Zeit mit Point-n-Clicks verbracht. Und bereue keine Sekunde davon!
Paul Kautz
Irre Viecher im Bild: Unsere Screenshot-Galerie (Achtung: Enthält Spoiler!)
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