Global Game Jam29.01.2013, Jan Wöbbeking
Global Game Jam

Special:

48 Stunden, ein Thema und tausende von Entwicklern: Am vergangenen Freitag startete wieder der Global Game Jam. An 320 Standorten rund um den Globus versuchten kleine Teams aus Programmierern und Künstlern in Rekordzeit ein komplettes Spiel auf die Beine zu stellen. Wir haben uns den Jam im Hamburger Feldstraßen-Bunker angeschaut.

Kampf um die Künstler

Langsam füllt sich der schummrig beleuchtete Unterrichtsraum der privaten Medien-Hochschule SAE . Als ein Grüppchen neuer Teilnehmer durch die fetten Betonwände schreitet, geht ein Raunen durch den Saal: „Ahhhh, Artists!“ Designer, Zeichner, Sound-Frickler und andere Kreative sind auf dem Global Game begehrte Gäste. „Ich bin bereit, für Artists zu kämpfen, wer nimmt die Herausforderung an?“ ruft ein Programmierer und reckt die Faust in die Luft. Der Saal lacht – und doch steckt ein wahrer Kern hinter der Herausforderung. Wer schon zu Beginn ein paar Kreative ins Boot holt, hat später natürlich eine größere Chance auf ein hübsches Spiel, bei dem auch das Design rechtzeitig fertig wird.

„Normalerweise gibt es in der Spielentwicklung ein Verhältnis von einem Programmierer pro drei bis vier Artists“ erklärt Veranstalter Christoph Graf „auf dem Jam ist es

Christoph Gräf (rechts) im Gespräch mit
Veranstalter Christoph Graf (rechts) im Gespräch mit Esteban Gallardo Garcia (2. von links).
umgekehrt.“ Er ist Fachbereichsleiter der Games-Studiengänge und hat schon in Wien an einigen Jams teilgenommen. Diesmal organisiert er einen der zwei Hamburger Standorte. Rund 36 Teilnehmer sind dabei.

Jazz als Vorbild

Die Regeln sind einfach:  Die Organisatoren geben ein grobes weltweites Thema vor, die Teilnehmer entwickeln binnen 48 Stunden Spiele dazu. „Du kannst dir das vorstellen wie auf einer Jam Session beim Jazz“, erklärt Graf, „daran ist ja auch der Name angelehnt.“ Statt Musikern versuchen sich hier natürlich Entwickler an Experimenten. Im Mittelpunkt steht der Austausch und der Spaß am Schaffensprozess, jeder Interessierte darf mitmachen.

Ein Blick auf das Team J-Pack...
Ein Blick auf das Team J-Pack...
Nach einem Video mit der Keynote, ein paar inspirierenden Clips und praktischen Tipps (Deo nicht vergessen!) wird es spannend.

Die Leinwand wird in ein tiefes Schwarz getaucht, um das Thema zu verkünden. Nur ein leises Pochen ist zu hören, welches nach und nach immer weiter anschwillt, bis schließlich ein typischer Herz-Rhythmus erkennbar wird. Das war’s: Es geht um den Herzschlag – den Rest müssen sich die Jammer sich ausdenken. „Scheißthema!“ ruft ein Teilnehmer mit ironischem Unterton und der Saal lacht.

Themenfindung im Schnelldurchlauf

Jetzt muss es schnell gehen: In rund einer halben Stunde werden bereits die Konzepte präsentiert. In diesen 30 Minuten läuft ein kreativer Prozess ab, welcher normalerweise mehrere Monate in Anspruch nimmt. Statt Notebooks kommen zunächst fette Filzstifte und große Papierbögen zum Einsatz. Ein Grüppchen sitzt noch recht ratlos am Tisch und

...und den ersten Entwurf der Mondstation
...und den ersten Entwurf der Mondstation
veranstaltet ein weit gefasstes Brainstorming: „Machen wir ein Horror-Spiel oder doch  lieber ein Jump-n-Run, bei dem man Herzen sammelt? Wollen wir Rhythmus-Elemente einbinden?“

Einen Tisch weiter geht es schon viel konkreter zu: Auf dem Papierbogen des Teams „J-Pack“ ist bereits eine halbe Mondstation gezeichnet, samt Flucht-Kapsel und Energieversorgung. Ein Horror-Spiel im All soll es werden, aus der Ego-Sicht und ohne Gegner - dafür mit Rätseln und Shock-Momenten. Der Protagonist kommt zur Mondstation zurück und muss die streikende Technik überlisten, um zur Flucht-Kapsel zu gelangen. Der Titel: Luna Fuga. Das Team aus SAE-Studenten steckt mitten in einer lebhaften Diskussion über Feinheiten von Geschichte und Spielmechanik: Ist es

Nach anfänglichen Server-Problemen sind die Ergebnisse des Jams mittlerweile auf der offiziellen Website eingetrudelt. Ein Teil der Spiele lässt sich hier direkt herunterladen .
glaubwürdig, dass ein Mensch alleine zur Station fliegt? Kann man diese Ungereimtheit für die Story nutzen? Zum Beispiel, indem sein Kollege verschwunden ist und man nur noch Blutflecken findet. Gibt es eine Funk-Verbindung zur Erde? Bauen wir den Sprung-Delay aus Counter Strike 1.6 ein? Wie wäre es mit Space-Marine-Mecha-Nazi-Zombies?

Weniger ist mehr

Hier ein Eindruck von der fertiggestellten Mondstation.
Hier ein Eindruck von der fertiggestellten Basis in Luna Fuga.
Wenn es zu komplex wird, mahnt Finn Sohst zur Konzentration aufs Wesentliche: „Leute, ihr bewegt euch gerade vom Grund-Gameplay weg“. Die Grundidee dreht sich schließlich darum, dass der Astronaut nur einen begrenzten Sauerstoffvorrat hat. Sobald er sich leert, beginnt - passend zum Thema - sein Herz schneller zu schlagen. Je unruhiger das Pochen, desto mehr Filter und Schock-Effekte sollen den Verstand benebeln.

Trotz intensiver Diskussionen einigt sich das Team erstaunlich flott und routiniert auf Details. Jeder kommt zu Wort, trotzdem werden die Punkte in Sekundenschnelle abgehakt. Als nächstes geht es um Design und Rätsel an einem Sicherungskasten: „Wollen wir reale oder symbolische Gegenstände benutzen?“, wirft Michael Ziolkowski in den Raum „eine normale Sicherung ist winzig, die kann man in den großen Gängen leicht übersehen.“ Auch Vorbilder wie Event Horizon kommen zur Sprache – wer den Film noch nicht kennt, schlägt ihn schnell bei IMDB nach.

Teamspieler und Einzelkämpfer

Love & Hate wurde von Esteban Gallardo im Alleingang entwickelt. Vor der Präsentation schauten immer wieder andere Entwickler vorbei, um Probe zu spielen.
Love & Hate wurde von Esteban Gallardo Garcia im Alleingang entwickelt. Vor der Präsentation schauten immer wieder andere Teilnehmer vorbei, um Probe zu spielen.
Kurze Zeit später treten die Gruppen nach vorne und tragen ihr Konzept vor – danach geht es an den Kern der Entwicklung. Das beliebteste Tool ist eindeutig die Unity Engine, welche auch in einer kostenlosen Basis-Version erhältlich ist. Die Team-Größen variieren stark: Eine rund zehnköpfige Gruppe von der Hamburger Uni hat sich einen großen Tisch zusammengeschoben, es gibt aber auch kleine Grüppchen und sogar einzelne Entwickler. Zu Letzteren gehört Esteban Gallardo Garcia: Obwohl er ohne fremde Hilfe arbeitete, machte sein Spiel „Love & Hate “ am Sonntag den rundesten Eindruck. In einem an Pacman angelehnten Labyrinth versucht man, seine wahre Liebe zu finden. Je näher man ihr kommt, desto schneller schlägt das Herz. Es treiben sich allerdings auch Gestalten auf dem Brett herum, welche den Spieler hassen und den Puls sinken lassen. Sämtliche Figuren sind lediglich unterschiedliche gefärbte Quader, trotzdem wirkt das Prinzip clever.

Am Sonntag um 17 Uhr läuft auch für die übrigen Gruppen die Zeit ab. Da die Technik dazwischen funkt, können die Spiele nicht sofort hochgeladen werden: Die Server des Global Game Jam sind seit Stunden völlig überlastet. „So krass waren die Probleme letztes Jahr noch nicht“, berichtet Graf. Vermutlich haben die Organisatoren den Ansturm unterschätzt, mittlerweile dürften rund um die Welt schon mehr als 10.000 Personen

Kurz vor der Präsentation wirkten die meisten Jammer noch erstaunlich fit.
Kurz vor der Präsentation wirkten die meisten Jammer noch erstaunlich fit...
teilnehmen. Die Idee nahm ihren Ursprung beim Nordic Game Jam an der Universität Kopenhagen: Bei der ersten Ausgabe im Jahr 2006 machten erst 40 Personen mit.

Die Stunde der Wahrheit

Trotz der Server-Probleme gibt es um 17 Uhr in Hamburg natürlich eine Präsentation. Den Anfang macht Veranstalter Graf, auch er hat zwischendurch ein wenig Zeit zum Entwickeln gefunden. Sein Titel Wibbly Wobbly findet auf nur einem Schirm statt: Zwei Spieler setzen Herzen aufs Feld, um kleine pulsierende Blutzellen zum Gegner zu stoßen. „Ich habe den Mash Collider von Unity benutzt”, erklärt er “und für die hin- und her wabbelnden Blutzellen eine Funktion für Explosionskraft, welche sie abwechselnd ansaugt und wegstößt.“

Die nächste Gruppe zeigt mit HeartBeaten ein klassisches 2D-Jump-n-Run. Ein Herz

...manche machten die erste Nacht einfach durch.
...manche machten die erste Nacht einfach durch.
hüpft über Tische und Stühle und muss immer wieder ein durch die Luft schwebendes zweites Herz berühren, um seine verlorene Liebe symbolisch wiederzugewinnen. Zwischendurch gibt es immer wieder kleine Comic-Panels über die kriselnde Beziehung zu sehen. Benedikt Bessen zeigt den dreidimensionalen Überlebenskampf Snowman Survival, zwei weitere Gruppen haben sich für das Horror-Genre entschieden (z.B. mit Paranoia ). Ganz fertig geworden sind beide nicht, einer Mannschaft sind im Laufe des Wochenendes sogar die Artists weggelaufen.

Probleme auf der Mond-Mission

Auch das Team J-Pack zeigt nur eine frühe Fassung ihres Mond-Abenteuers Luna Fuga, in der man aber immerhin schon die Räume erkunden kann. “Wir haben uns überschätzt”, erklärt mir Patrick Hohlfeld, „Ein Fehler hat uns bestimmt

Hüpfender Herzschmerz in "Heart beaten"
Hüpfender Herzschmerz in "Heart beaten"
zehn Stunden zurück geschmissen. Wir haben die Karte zwar vor 1,5 Stunden fertiggestellt, doch in diesem Map-Typ sind standardmäßig keine Collider eingebaut. Das holen wir jetzt nach und setzen sie einzeln, denn sonst könnte man einfach durch die Wände laufen. Die Engine könnte diese Begrenzungen zwar auch automatisch berechnen, aber das würde zu viel Rechenpower ziehen und die Performance unnötig ausbremsen.“ Trotzdem wirkt die Gruppe immer noch gut gelaunt und diskutiert bereits darüber, wie man die Entwicklung beim nächsten Mal effektiver organisieren könnte. Auch der Rest der Teilnehmer scheint positive Erfahrungen aus dem Jam gezogen zu haben – viele Spiele lassen sich übrigens auf der offiziellen Website herunterladen. Weitere Eindrücke vom Event gibt's übrigens in der Galerie.

 
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