Merregnon 206.05.2003, Paul Kautz
Merregnon 2

Special:

Eine CD, die eine Geschichte erzählt: nicht mit gelesenen Worten wie ein Hörbuch, sondern allein durch Musik. Mit Klängen, die Bilder im Kopf des Hörers entstehen lassen, während er durch eine sagenumwobene Fantasy-Welt getragen wird - das ist Merregnon.

Die im Jahre 2000 erschienene orchestrale CD »Merregnon« hat etwas Einzigartiges geschafft: viele verschiedene Musiker aus der Spiele- und Demoszene unter eine Haube zu bekommen, und sie alle musikalisch eine Geschichte erzählen zu lassen, die man parallel auch im reichhaltig illustrierten Booklet nachlesen konnte. Namen wie Chris Hülsbeck, Fabian Del Priore, Allister Brimble und Yuzo Koshiro sind an diesem Projekt beteiligt, was Merregnon nicht nur für Computerspieler zu einem Leckerbissen macht.

Im August dieses Jahres erscheint nun der zweite Teil des als Trilogie geplanten Soundtracks, der das Konzept des Vorgängers um einige wichtige Neuerungen erweitert: alles wird größer, schöner und besser.__NEWCOL__So werden die Stücke jetzt beispielsweise nicht mehr per Synthesizer und Keyboard, sondern von einem echten Orchester eingespielt und von echten Chören begleitet - und zwar dem Prager Symphonieorchester, dessen Künstler schon Spielen wie <4PCODE cmd=DGFLink;name=Splinter Cell;id=2738> oder <4PCODE cmd=DGFLink;name=Primal;id=1583> zu einer gigantischen Klangkulisse verholfen haben. Die Kompositionen sind ausgefeilter, das Design des Booklets und der Website stilvoller.

In den folgenden Wochen erfahrt Ihr bei 4Players alles über das faszinierende Musikprojekt - Interviews mit allen Komponisten, Hintergrundberichte von den Studioaufnahmen und vieles mehr, dazu gibt es noch vielerlei Downloads. Den Anfang macht Projektleiter Thomas Böcker (25).

4Players: Erzähl uns doch bitte etwas über Dich und Deinen bisherigen beruflichen und musikalischen Werdegang.

Thomas Böcker: Seit 1999 arbeite ich in der Spieleindustrie, was die Produktion von »Merregnon« einschließt. Der erste Teil war sehr erfolgreich und wird diesen Sommer mit Volume 2 fortgesetzt. Anfangs war ich noch für eine schwedische Firma tätig, ab 2001 betreute ich für einen Publisher in Deutschland als Producer eine Reihe von Spielen. Seit dieser lehrreichen Zeit kümmere ich mich als Audio Director und Music Consultant um den guten Ton in Computerspielen. Zu den Produktionen gehören momentan sieben Titel auf unterschiedlichen Plattformen, wie zum Beispiel »Chicago 1930«, dem »Robin Hood«-Nachfolger von Spellbound, oder »Templars« von Starbreeze.

Vorher habe ich Germanistik und Theaterwissenschaft studiert, und meine Fühler auch in Richtung Filmproduktion ausgestreckt. Unter anderem ist dabei 1999 der Film »Licht am Ende des Tunnels« herausgekommen, dessen musikalische Untermalung Chris Hülsbeck übernommen hat - das war unsere erste Zusammenarbeit.

4P: Wie schätzt Du die Akzeptanz von Computermusik seitens der Spieleindustrie ein?

TB: Auch wenn die Akzeptanz gestiegen ist, so wird die Wichtigkeit guter Musik speziell in Europa noch immer unterschätzt. Viele Produzenten haben das Potenzial guter Kompositionen noch immer nicht begriffen. Ich kenne einige Komponisten in Europa, die Jeremy Soule (<4PCODE cmd=DGFLink;name=Morrowind;id=850>), Bill Brown (<4PCODE cmd=DGFLink;name=C&C Generals;id=2600>) oder Harry Gregson-Williams (<4PCODE cmd=DGFLink;name=Metal Gear Solid 2;id=2822>) das Wasser reichen können, nur muss man ihnen die Chance dazu geben. Orchesterarbeit und Orchestrierung ist vor allem ein harter Lernprozess. Verpassen wir wieder einmal die gegebenen Möglichkeiten, fehlt es am Ende an Erfahrung, und der Zug ist längst abgefahren, um ernsthaft konkurrieren zu können.__NEWCOL__Natürlich ist es letztlich genreabhängig, ob und wie viele echte Instrumente aufgenommen werden müssen, nur sollten die Komponisten darauf vorbereitet sein. Ich kenne die Budgets europäischer Spiele, genauso wie die Kosten für hochwertige Musik - das Gejammer, die nötigen finanziellen Ressourcen wären nicht vorhanden, ist völlig indiskutabel und schlicht eine Lüge.

4P: Welche Möglichkeiten gibt es Deiner Meinung nach, die Lage zum Besseren zu verändern?

TB: Ganz einfach: Aufklärung. Man muss immer wieder auf die Wichtigkeit von guter Spielemusik hinweisen, bis es auch der letzte Produzent versteht. Mit »Merregnon« haben wir geschafft, dass sich hervorragende Komponisten der Branche zusammen an einer CD beteiligen. Das ging weit über eine einfache Compilation hinaus, vielmehr war es nötig, dass sich die Musiker untereinander austauschten, um das Themenkonzept des Soundtracks zu verwirklichen.

»Merregnon 2« nun hat durch die intensive Orchesterarbeit jeden beteiligten Komponisten einen Schritt nach vorn gebracht, schon durch die erlernte Fähigkeit, genau zu wissen, was gefordert wird, welche Anstrengungen gefragt sind und wie viel Zeit benötigt wird. »Merregnon 2« hat ein Aufgebot an Musikern für Orchester und Chor, das Hollywood-Niveau bietet, das Projekt gehört in Europa zu den Pionieren orchestraler Spielemusik. Im Moment laufen letzte Gespräche mit dem Prager Symphonieorchester, ab sofort ist es möglich, eine Live-Einspielung, speziell zugeschnitten auf die Bedürfnisse von Spieleproduktionen, anfertigen zu lassen. Wir teilen unsere Erfahrungen mit denen der tschechischen Verantwortlichen, und sind uns sicher, durch die besondere Art der Leistung und natürlich des Preises ein sehr attraktives Angebot für die Spieleindustrie vorstellen zu können.

4P: Wie bist Du auf die Idee zu Merregnon gekommen?

TB: Ich habe schon immer gern Musik zu Spielen und Filmen gehört, zudem schreibe ich seit meiner Kindheit Kurzgeschichten und Fantasy-Erzählungen. Irgendwann kam ich dann auf die Idee, beide Kunstformen zu verbinden und eine Konzept-CD zu produzieren. Man kann also sagen, dass wenn heute Titel von Komponisten wie Chris Hülsbeck, Olof Gustafsson oder Yuzo Koshiro auf »Merregnon« erscheinen, mein Kindheitstraum in Erfüllung geht.

4P: War es schwer, die Komponisten von Deiner Vision zu überzeugen? Speziell die, die nicht am ersten Teil beteiligt waren.

TB: »Merregnon 2« hat bis auf wenige Ausnahmen das Original-Team des ersten Teils vorzuweisen. Neu dabei sind Yuzo Koshiro (<4PCODE cmd=DGFLink;name=Shenmue;id=548>) und Andy Brick, der für etliche Disney-Produktionen tätig war und in Sachen Orchesterarbeit unglaubliche Leistungen vollbringt. Beide wurden durch »Merregnon 1« überzeugt, während die Musiker der ersten Stunde vor allem an das Konzept geglaubt haben.

4P: Was genau ist Deine Aufgabe im Merregnon-Team?

TB: Mein Aufgabenfeld ist breit gefächert. Als Executive Producer kümmere ich mich um die gesamte Organisation, angefangen bei finanziellen Fragen bis hin zum Termin mit dem Presswerk. Das heißt, ich begleite das Album vom Start bis zum Abschluss, was nicht mit der Veröffentlichung der CD aufhört, sondern mit PR- und Marketingtätigkeiten lange weiter andauert. Des Weiteren bin ich für künstlerische Aspekte verantwortlich, setze das Konzept auf und bespreche mit unserem Music Director Andy Brick und Main Composer Fabian Del Priore musikalische Möglichkeiten.__NEWCOL__Außerdem suche ich die Künstler für das Booklet- und Webdesign aus und bin als Autor an der zugrunde liegenden Geschichte beteiligt. Über mangelnde Beschäftigung kann ich nicht klagen.

4P: Was waren die bislang größten Schwierigkeiten bei der Merregnon-Entwicklung?

TB: Schwierigkeiten möchte ich es nicht nennen, eher Herausforderungen. Als wir »Merregnon« anfingen, galt es zunächst, all die Komponisten, die im eigentlichen Arbeitsleben Konkurrenten sind, zu einem gemeinsamen Projekt zu bewegen. Das war nicht wirklich die härteste Aufgabe, kniffliger war es dann, die unterschiedlichen Stile und das technische Equipment soweit abzugleichen, dass ein einheitlicher, aber nicht langweiliger Klang entstand. Mit anderen Worten: wir wollten keine künstlerischen Brüche, aber auch keine Musik, die auch von einem Komponisten allein hätte stammen können.

»Merregnon 2« bot nun die Möglichkeit, mit einem Orchester und einem Chor zusammenarbeiten zu dürfen. Das war unglaublich spannend, da bis auf Ausnahmen keiner der Beteiligten Erfahrungen auf diesem Gebiet hatte.

4P: Wo siehst Du »Merregnon« im Vergleich zu anderen Soundtracks - gleichwohl Spiele- als auch Film-bezogen.

TB: »Merregnon« hat sich seit Beginn qualitativ mit der Topliga der Spielesoundtracks messen können, wie die Reaktionen auf das Album zeigen. Der erste Teil erschien im Jahr 2000, wenn wir im Sommer Volume 2 präsentieren, sind wir kompositorisch wie auch soundtechnisch mindestens auf dem Niveau von Spielen wie <4PCODE cmd=DGFLink;name=Final Fantasy XI;id=658>. Das sagt natürlich einiges über die Qualität aus, und wer den oben genannten Soundtrack kennt, der weiß, dass Filmmusik damit in nicht zu weiter Entfernung liegt, wenn überhaupt noch.

4P: Wo siehst Du die musikalische Zukunft von »Merregnon«?

TB: »Merregnon« ist als Trilogie gedacht - und wenngleich der 2. Teil noch nicht erschienen ist, existieren bereits Pläne zum dritten Teil. Die Beteiligung bekannter Komponisten ist schon abgesichert, wieder wird es kleinere Änderungen im Team geben, um alles noch interessanter zu gestalten. Mittlerweile halte ich es wie ein bekannter Captain: »The Sky is the Limit«.

4P: Was haben wir von der Marke »Merregnon« noch zu erwarten?

TB: Hier kann ich nur an die obige Antwort anschließen: zu viel möchte ich nicht verraten, allerdings ist abzusehen, dass aus dem »Merregnon«-Universum noch einiges entstehen kann und auch wird. Die Basis, das Fundament ist hervorragend, und wir werden es uns nicht nehmen lassen, fleißig darauf aufzubauen. Erster Schritt ist zunächst die bereits angesprochene weitere Zusammenarbeit mit dem Prager Symphonieorchester.

4P: Wo siehst Du Dich selbst in fünf Jahren?

TB: Im Prinzip möchte ich an meiner jetzigen Tätigkeit festhalten, weil sie alles vereint, was ich mir gewünscht habe. Im Idealfall werden die Projekte noch größer, interessanter und herausfordernder. In fünf Jahren ist »Merregnon 3« sicherlich auch schon spruchreif...

__NEWCOL__4P: Was gefällt Dir am meisten an »Merregnon« im Allgemeinen?

TB: Wenn es ein Produkt gibt, das sich rühmen kann, den Geist von Spielemusik inne zu haben, dann ist es »Merregnon«. Als Gesamtkunstwerk verbindet es neben der Musik auch Text und Bilder des Booklets - und ist nicht zuletzt ein Beweis dafür, dass man über große Distanzen weltweit zusammenarbeiten kann. Ob nun aus Japan, USA, Finnland, England oder Schweden. Am meisten gefällt mir eindeutig, zusammen mit einem fähigen Team einen Soundtrack zu kreieren.

4P: Und natürlich dürfen auch ein paar abschließende Worte nicht fehlen

TB: Ich möchte die Möglichkeit nutzen, mich bei allen Beteiligten zu bedanken. Nur durch die hervorragende Zusammenarbeit ist es möglich geworden, das Projekt auf dieses Niveau zu bringen. Nicht zuletzt aber auch bei allen Interessierten, die uns immer wieder motivieren, Merregnon zu verwirklichen!

Am Samstag findet Ihr hier zweiten Teil unseres Merregnon 2-Specials, in dem uns Main Composer Fabian Del Priore (<4PCODE cmd=DGFLink;name=Cultures 2;id=2290>) Rede und Antwort stehen wird. Ihr erfahrt unter anderem, welche Schweißarbeit die Orchestrierung eines Soundtracks ist und wie chaotisch das Leben eines Spielemusikers sein kann - bleibt dran! Bis dahin lohnt es sich, der offiziellen Homepage einen Besuch abzustatten.

 
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