Merregnon 210.05.2003, Paul Kautz
Merregnon 2

Special:

Eine CD, die eine Geschichte erzählt: nicht mit gelesenen Worten wie ein Hörbuch, sondern allein durch Musik. Mit Klängen, die Bilder im Kopf des Hörers entstehen lassen, während er durch eine sagenumwobene Fantasy-Welt getragen wird - das ist Merregnon. Die zweite CD erscheint weltweit im August, bis dahin erfahrt Ihr alles über das Projekt in unserem mehrteiligen Special, das mit dem heutigen zweiten Teil fortgesetzt wird.

Die im Jahre 2000 erschienene orchestrale CD Merregnon hat etwas Einzigartiges geschafft: viele verschiedene Musiker aus der Spiele- und Demoszene unter eine Haube zu bekommen, und sie alle musikalisch eine Geschichte erzählen zu lassen, die man parallel auch im reichhaltig illustrierten Booklet nachlesen konnte. Namen wie Chris Hülsbeck, Fabian Del Priore, Allister Brimble und Yuzo Koshiro sind an diesem Projekt beteiligt, was Merregnon nicht nur für Computerspieler zu einem Leckerbissen macht.

Im August dieses Jahres erscheint nun der zweite Teil des als Trilogie geplanten Soundtracks, der das Konzept des Vorgängers um einige wichtige Neuerungen erweitert: alles wird größer, schöner und besser. So werden die Stücke jetzt beispielsweise nicht mehr per Synthesizer und Keyboard, sondern von einem echten Orchester eingespielt und von echten Chören begleitet.__NEWCOL__ Dabei handelt es sich um das Prager Symphonieorchester, dessen Künstler schon Spielen wie <4PCODE cmd=DGFLink;name=Splinter Cell;id=2738> oder <4PCODE cmd=DGFLink;name=Primal;id=1583> zu einer gigantischen Klangkulisse verholfen haben. Außerdem sind die Kompositionen ausgefeilter, das Design des Booklets und der Website stilvoller.

In den folgenden Wochen erfahrt Ihr bei 4Players alles über das faszinierende Musikprojekt - Interviews mit allen Komponisten, Hintergrundberichte von den Studioaufnahmen und vieles mehr. Letzte Woche stand uns Projektleiter Thomas Böcker Rede und Antwort, heute ist Main Composer Fabian Del Priore an der Reihe. Der 24-jährige ist trotz seines jungen Alters ein alter Hase im Spielemusik-Geschäft, und kann auf viele bedeutende Spielevertonungen zurückweisen: beispielsweise erhielten Extreme Assault, <4PCODE cmd=DGFLink;name=Cultures;id=369>, <4PCODE cmd=DGFLink;name=Cultures 2;id=2290>, X-Beyond the Frontier oder Chicago 1930 durch ihn einen atmosphärischen Klangteppich. Mehr über Fabian erfahrt Ihr auf seiner offiziellen Homepage . Doch nun viel Spaß mit dem Interview.

4Players: Hallo Fabian, kannst Du uns bitte sagen, was »Main Composer« genau bedeutet, und wie man sich Deine Pflichten vorstellen muss?

Fabian Del Priore: Ich bin der hauptverantwortliche Komponist bei Merregnon, habe musikalische Themen entwickelt (unter anderem die Hauptcharaktere Gallahadt und den Drachen Madostror´Skar) die in vielfältiger Variation immer wieder in der Musik auftauchen. Thomas Böcker und ich kontrollieren und halten zudem die Qualität der Musiken aufrecht und bewerten sie nach dementsprechenden Kriterien.

4P: Teil 1 von »Merregnon« basierte noch auf synthetischer Musik aus dem Computer. Das hat sich für die 2. CD mit dem »Prager Symphonieorchester« geändert. Welche Unterschiede gab es für Dich bei Deiner Arbeit?

FDP: Die Vorgehensweise des Arrangierens der Musikstücke wurde stark beeinflusst und berührte natürlich auch die Komposition selbst, weil man hier weitaus mehr Möglichkeiten zur Verfügung hatte. Die Musik wirkt nicht mehr so starr wie noch unter alleiniger Zuhilfenahme orchestraler Sounds und Samples aus Synthesizer und Computer. Man kannte die Limitationen jedes einzelnen Instrumentes nicht und dachte so, uneingeschränkte Freiheiten bei Komposition und Arrangieren zu haben, was dem Realismus nicht unbedingt immer zuträglich ist, jedenfalls für diejenigen nicht, die sich mit der Materie auskennen.

Die Streicher beispielsweise musste man für Merregnon 2 nun wie ein echtes Orchester im Sequenzer in verschiedene Sektionen unterteilen und auch bestimmte Regeln einhalten (z.B. die Tonhöhe jedes Instrumentes jeder Sektion u.a.) Ausserdem habe ich nun zahlreiche Erfahrungen im Bereich Orchestration, Notation und Erstellung von Partituren sammeln können, was ebenfalls erforderlich war.__NEWCOL__Eine ungemeine Bereicherung im Wissensschatz, ich habe viel durch die Arbeit an Merregnon 2 gelernt.

4P: Wie gehst Du im Allgemeinen an die Erstellung eines Soundtracks heran? Welches Material bekommst Du für Deine Arbeit?

FDP: Bei Spieleprojekten bekomme ich Material in Form von Texten, Bildern, Skizzen, gerenderten Standbildern, animierten Sequenzen aus dem Spiel (falls schon vorhanden) oder auch Cutscenes die bereits fertig sind, sowie Inspirationsmusiken, bzw. gebe selber Vorschläge dazu ab.

Bei Merregnon 2 habe ich mit Thomas im Vorfeld abgesprochen, wie die vorhandene Geschichte die Musik beeinflussen könnte (welche thematischen und melodischen Elemente man zu Rate ziehen kann, um auch umgekehrt mit Hilfe der Musik die Geschichte weiter vor dem geistigen Auge des Zuhörers bzw. Lesers entstehen zu lassen). Des Weiteren höre ich mir zur Inspiration einige ausgewählte Soundtracks und auch klassische Musik an und stelle mir die Geschichte vor, die musikalisch unterlegt werden soll). Außerdem lasse ich mich auch durch thematisch passende Bilder inspirieren und spiele dann nebenher am Keyboard und entwickle so neue Themen und Melodien.

4P: Es hält sich das Gerücht, dass Entwicklern erst am Schluss einfällt, dass etwas fehlt: nämlich die Musik, die dann unter Zeitdruck komponiert werden muss. Trifft das zu?

FDP: Sehr oft ja. Bei einigen Projekten wird parallel an der Musik wie auch am Rest, wie Grafik oder Programmierung etc gefeilt, bei einigen ist die Musik später dran. Es kam auch schon vor, dass ich aus dem gesamten Soundtrack thematische Elemente wieder entfernen musste, da es rechtliche Probleme gab, und etwas Neues erfinden sollte - in sämtlichen Stücken und kurz vor der Deadline. Das war ein Spaß.

4P: Wo siehst Du die Zukunft der Spielemusik?

FDP: Sie geht in Sachen Soundqualität und vom Aufwand und Anzahl der Beteiligten her immer weiter in Richtung Hollywood. Sie wird immer professioneller, wenn man sie im Gesamtüberblick von Vergangenheit bis zum heutigen Tag vergleicht. Außerdem ist ein wichtiges Element die Interaktivität: Musik wird entsprechend der Szenerie, der Aktion auf dem Bildschirm oder der aktuellen Stimmung geändert und angepasst, wird trauriger oder fröhlicher, oder es werden weniger oder mehr Instrumente hinzugeblendet. In diesem Bereich habe ich viele Erfahrungen bei meinem Soundtrack zu Cultures 2 gemacht.

4P: Ist es Deiner Meinung nach ein Muss, Noten lesen zu können und sich mit Musiktheorie gut auszukennen? Oder ist dies nicht nötig?

FDP: Es ist auf jeden Fall ein nicht zu verachtender Pluspunkt, auch und gerade bei Bewerbungen - das macht einen Komponisten oder Musiker noch glaubhafter. Außerdem kann man so auf ein größeres Repertoire an Erfahrung zurückgreifen. Wenn man die Theorie beherrscht, man hat mehr Möglichkeiten und Freiheiten beim Komponieren. Wie ich die Zukunft der Spielemusik einschätze, ist das Notenlesen bei der Orchestrierung ein nicht zu vernachlässigender Punkt. Wirklich zwingend notwendig ist es für die Erstellung von Spielemusik momentan aber noch nicht.

4P: Mittlerweile wird der Musik für Computerspiele etwas mehr Beachtung geschenkt. In Japan ist das schon länger der Fall, hier kann man immer mehr CDs mit der Originalmusik kaufen. Ist die Akzeptanz größer geworden?

FDP: Ja, langsam aber sicher wird auch die westliche Welt darauf aufmerksam. Synsoniq beispielsweise vertreibt seit 1997 Spielemusik-CDs, was eine sehr positive Entwicklung ist. Auch in Kaufhäusern hierzulande gibt es den einen oder anderen Spielesoundtrack zu kaufen. Klar, es ist noch lange nicht genug, aber immerhin ein Anfang.

__NEWCOL__4P: Welche Ziele verfolgt man als Spielemusiker?

FDP: In erster Linie sich weiterzuentwickeln, sowohl was die benutze Technik, als auch die Kompositionen an sich beinhaltet. Noch mehr Realismus des Klangbildes. Die Zusammenarbeit mit dem Prager Symphonieorchester ist ein fantastisches Beispiel. Es wäre auch wünschenswert, wenn die Musik noch weiter und mehr akzeptiert wird und wie oben beschrieben Ausmaße wie in Japan annimmt. Wir bewegen uns in die richtige Richtung, es bleibt abzuwarten, was weiter geschieht.

4P: Wie hat sich die Musik über die Jahre verändert, verglichen mit dem Anfang Deiner Karriere?

FDP: Über die Jahre ist der Klang weitaus realistischer geworden. Anfangs habe ich nur mit Synthesizern gearbeitet, mittlerweile verlagert sich das immer mehr auf den PC. Ich spreche hier vor allem von virtuellen Studioumgebungen wie Gigastudio, die Total Recall, große Samplebibliotheken, flexibles Arbeiten und realistischeren Klang mit sich bringen. Das ist auf jeden Fall die Zukunft, wenn man kein ausgewachsenes Orchester im Budget des jeweiligen Spieleprojektes vorgesehen hat.

4P: Kannst Du etwas über Deine derzeitigen Projekte verraten?

FDP: Ich habe zur Zeit einige parallel laufende Aufträge, die meine ganze Aufmerksamkeit verlangen, über die ich aber nichts weiter sagen kann.

Nächste Woche, im dritten Teil unseres Merregnon 2-Specials, ist Music Director Andy Brick unser Interviewpartner. Der erfahrene Komponist und Orchestrator erzählt uns über seine Arbeit an Filmkompositionen, und wieso er sich selbst als seinen größten Kritiker sieht.

 
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