Merregnon 222.06.2003, Paul Kautz
Merregnon 2

Special:

Eine CD, die eine Geschichte erzählt: nicht mit gelesenen Worten wie ein Hörbuch, sondern allein durch Musik. Mit Klängen, die Bilder im Kopf des Hörers entstehen lassen, während er durch eine sagenumwobene Fantasy-Welt getragen wird - das ist Merregnon. Die zweite CD erscheint weltweit im August, bis dahin erfahrt Ihr alles über das Projekt in unserem mehrteiligen Special, das mit dem heutigen achten Teil fortgesetzt wird.

Die im Jahre 2000 erschienene orchestrale CD Merregnon hat etwas Einzigartiges geschafft: viele verschiedene Musiker aus der Spiele- und Demoszene unter eine Haube zu bekommen, und sie alle musikalisch eine Geschichte erzählen zu lassen, die man parallel auch im reichhaltig illustrierten Booklet nachlesen konnte. Namen wie Chris Hülsbeck, Fabian Del Priore, Allister Brimble und Yuzo Koshiro sind an diesem Projekt beteiligt, was Merregnon nicht nur für Computerspieler zu einem Leckerbissen macht.

Im August dieses Jahres erscheint nun der zweite Teil des als Trilogie geplanten Soundtracks, der das Konzept des Vorgängers um einige wichtige Neuerungen erweitert: alles wird größer, schöner und besser. So werden die Stücke jetzt beispielsweise nicht mehr per Synthesizer und Keyboard, sondern von einem echten Orchester eingespielt und von echten Chören begleitet.Dabei handelt es sich um das Prager Symphonieorchester, dessen Künstler schon Spielen wie Splinter Cell oder Primal zu einer gigantischen Klangkulisse verholfen haben. Außerdem sind die Kompositionen ausgefeilter, das Design des Booklets und der Website stilvoller.

In den folgenden Wochen erfahrt Ihr bei 4Players alles über das faszinierende Musikprojekt - Interviews mit allen Komponisten, Hintergrundberichte von den Studioaufnahmen und vieles mehr. Letzte Woche stand uns Allister Brimble Rede und Antwort, heute ist Komponist Jonne Valtonen an der Reihe. Der 26-jährige Finne sorgte in der PC-Demoszene unter dem Pseudonym »Purple Motion« für Furore, und gelangte über diesen Weg in die Spiele-Entwicklung. Heute arbeitet er unter anderem an seinem ersten Longplayer, mit dem er die Tanzböden rund um den Globus zum Beben bringen will. Mehr Informationen über seine Arbeit findet Ihr auf seiner Homepage , jetzt geht´s zum Interview.

  

4Players: Erzähle uns bitte etwas über Dich: Wie lange machst Du schon Musik? Wie bist Du in die Spielemusik-Szene geraten, und welche Projekte liegen bereits hinter Dir?

Jonne Valtonen

Jonne Valtonen: Meine ersten Kontakte mit der Spielemusik sammelte ich so gegen 1995-96, als ich den Soundtrack für Remedys Death Rally und Housemarques Alien Incident komponierte. Meine Musikerwurzeln liegen natürlich schon viel länger zurück: von 1991 bis 1996 war ich unter dem Alias »Purple Motion« einer der Musiker der Demogruppe »Future Crew« - einer der erfolgreichsten Demogruppen aller Zeiten (mehr zu Demos erfahrt Ihr unter dieser URL ).

Einige Mitglieder der Future Crew, unter anderem Samuli Syvähuoko alias »Gore« beschlossen schließlich, ein wenig über das Demomachen hinauszugehen, und gründeten Remedy Entertainment. Sie holten sich viele aus der Demoszene bekannten Programmierer und Grafiker an Bord, und begannen die Entwicklung des ersten Spiels, besagtem Death Rally. Da Remedy aus vielen Ex-Future Crew-Leuten bestand, und ich schon viel Musik für die Gruppe geschrieben hatte, haben sie mich einfach gefragt, ob ich nicht Lust hätte, an dem Spiel teilzuhaben. So einfach war das.

4P: Was ist Deine Aufgabe im Merregnon-Team?

JV: Ich komponieren zwei Stücke des Soundtracks. Darüber hinaus wird das Mixing des Albums in unserem Studio stattfinden.

4P: Merregnon 1 basierte auf synthetischen Instrumenten aus dem Computer. Das hat sich mit dem zweiten Teil dank echtem Orchester samt Chor grundlegend geändert - wie hat sich das auf Deine Arbeit ausgewirkt?

JV: Es ist eine völlig neue Welt! Das Komponieren für Streicher und ein ganzes Orchester ist echte Knochenarbeit, da Du genau wissen musst, was Du da tust. Außerdem hast Du keine vollständige Kontrolle über alle Spielnuancen und Ausdrücke, außer wenn Du der Dirigent bist. Der einzige Weg, die Kontrolle zu behalten, ist die Noten und Hinweiszeichen genau so zu schreiben, dass es so klingen würde, wie Du es Dir gedacht hast. Das Komponieren mit Sequenzern ist eine ganz andere Sache. Du hast und brauchst nicht das Wissen, wie Du die Informationen an ein 60-100-Mann-Orchester vermitteln musst, solange es am Computerbildschirm so klingt, wie Du es Dir wünschst.

4P: Wie gehst Du an Deine Kompositionen heran? Welches Equipment und welche Tools benutzt Du, um Deine Werke zu schreiben?

JV: Als Erstes spiele ich Ideen auf dem Klavier ein, und schreibe die grundlegendsten Melodieverläufe nieder. Danach benutze ich Logic Audio und JV 1080 orchestral 1&2 für die Arrangements, so dass ich einen besseren Überblick bekomme, und eine Vorstellung davon, wie es ungefähr klingen wird. Danach ist das Notationsprogramm Sibelius 2 gefordert, das mir hilft, all die Anmerkungen, Notationen und andere wichtige Markierungen korrekt zu platzieren. Im Falle von Merregnon 2 sende ich danach die fertigen Dateien an Thomas Böcker und Andy Brick, die den Gesamtüberblick behalten, und dafür sorgen, dass alles seine Richtigkeit hat.

   

4P: Wie empfindest Du Deine Position als Musiker in der Spielebranche? Wie ist die Akzeptanz und Zusammenarbeit mit anderen Musikern?

JV: Das hängt wirklich vom Entwickler ab. Manche interessieren sich einen Dreck für Deine Arbeit, andere helfen wo sie können. Vor kurzem war ich in der glücklichen Lage, mit Leuten zusammenarbeiten zu können, die wirklich Wert auf gut Musik legen, und entsprechend fruchtbar war dann auch die Kooperation.

Ich habe immer versucht, das Spiel möglichst vom Bildschirm in die echte Welt zu transportieren. Musik und Sounds sind eine Kunstform, die nicht wie Bilder in erster Linie vom Verstand verarbeitet werden, so dass sie direkt Deine Gefühle beeinflussen können. Da sehe ich meine Position als Musiker: ein Spiel mit Emotionen zu unterstützen, und es damit ein wenig von der Maschine wegzubringen.

4P: Wo siehst Du die Zukunft der Spielemusik? Wird es schwieriger werden mithalten zu können?

JV: Ich denke ja. Die Budgets steigen, die Entwickler verlangen mehr Können und höhere Qualität. Vor acht Jahren brauchtest Du nicht mehr als eine Soundblaster- oder Gravis Ultrasound-Karte und ein gutes Tracker-Programm, um für damalige Verhältnisse coole Musik zu schaffen. Heute brauchst Du viel viel mehr als das.

4P: Denkst Du, dass es notwendig oder zumindest von Vorteil ist, über Musiktheorie (wie beispielsweise Notenlesen) Bescheid zu wissen, oder ist Talent das Wichtigste?

JV: Natürlich ist es ein Vorteil, nicht zuletzt weil Du schneller arbeiten kannst, indem Du Methoden verwendest, die schon 2.000 Jahre funktionieren. Du musst nicht jedes Mal das Rad neu erfinden. Es ist einfach so, als hättest Du eine erweiterte Karte, die Dir zeigt, wie Du Fallen auf dem Weg zum Schatz vermeidest. Außerdem hast Du nicht viel Freiraum für Fehler, wenn Du für ein Orchester schreibst, da es sehr viel Geld kosten kann, etwas mitten in einer Aufnahme korrigieren zu müssen. Du musst wirklich wissen, was Du da tust.

4P: Spielemusik gewinnt weltweit, und besonders in Japan, immer mehr an Akzeptanz. Hat das einen Einfluss auf Deine Arbeit - wird es schwerer, konkurrenzfähig zu bleiben?

JV: Ich finde, das ist eine sehr gute Sache. Je mehr Leute sich für gute Spielemusik interessieren, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch Leute dabei sind, die Spiele entwickeln und finanzieren. Was wiederum der Qualität der Musik zugute kommt.

4P: Wo siehst Du Dich selbst in fünf Jahren? Was sind Deine Ziele und Absichten?

JV: Als Komponist zu wachsen und dazuzulernen.

4P: Wie hat sich Spielemusik in den letzten Jahren verändert, verglichen mit dem Anfang Deiner Karriere?

JV: Nun ja, wir sind mittlerweile an einem Punkt angelangt, an dem es keinerlei Beschränkungen mehr für Spielemusik gibt - Du kannst sogar ein Orchester haben, wenn Du es willst. Du musst Dich nicht mehr von irgendwelchen antiquierten Soundchips einschränken lassen, die nur bestimmte Größen oder Auflösungen vertragen, oder minder qualitative Samples verwenden, wie es noch vor zehn Jahren der Fall war. Das wird einer der Gründe sein, warum mehr und mehr Leute die Musik wirklich ernst nehmen - es ist einfach echte Musik.

4P: Kannst Du uns etwas über Deine gegenwärtigen Projekte erzählen?

JV: Ich versuche zwischen den Studiosessions meine eigene CD fertigzubekommen, aber sonst kann und darf ich momentan noch nichts sagen.

Nächste Woche, im neunten Teil unseres Merregnon 2-Specials, ist Komponist Gustaf Grefberg unser Interviewpartner. Der junge Schwede hat wie Jonne Valtonen seine Wurzeln in der PC-Demoszene, wo er unter dem Pseudonym »Lizardking« Berühmtheit erlangte. Heute komponiert er für Starbreeze, die gerade mit Enclave für Furore sorgen. Nächste Woche lest Ihr, warum Gustaf lieber in einem kleinen Team arbeitet, und was ein Wecker mit seiner Komponistenkarriere zu tun hatte.

 

 
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