Merregnon 228.06.2003, Paul Kautz
Merregnon 2

Special:

Eine CD, die eine Geschichte erzählt: nicht mit gelesenen Worten wie ein Hörbuch, sondern allein durch Musik. Mit Klängen, die Bilder im Kopf des Hörers entstehen lassen, während er durch eine sagenumwobene Fantasy-Welt getragen wird - das ist Merregnon. Die zweite CD erscheint weltweit im August, bis dahin erfahrt Ihr alles über das Projekt in unserem mehrteiligen Special, das mit dem heutigen neunten Teil fortgesetzt wird.

Die im Jahre 2000 erschienene orchestrale CD Merregnon hat etwas Einzigartiges geschafft: viele verschiedene Musiker aus der Spiele- und Demoszene unter eine Haube zu bekommen, und sie alle musikalisch eine Geschichte erzählen zu lassen, die man parallel auch im reichhaltig illustrierten Booklet nachlesen konnte. Namen wie Chris Hülsbeck, Fabian Del Priore, Allister Brimble und Yuzo Koshiro sind an diesem Projekt beteiligt, was Merregnon nicht nur für Computerspieler zu einem Leckerbissen macht.

Im August dieses Jahres erscheint nun der zweite Teil des als Trilogie geplanten Soundtracks, der das Konzept des Vorgängers um einige wichtige Neuerungen erweitert: alles wird größer, schöner und besser. So werden die Stücke jetzt beispielsweise nicht mehr per Synthesizer und Keyboard, sondern von einem echten Orchester eingespielt und von echten Chören begleitet.__NEWCOL__Dabei handelt es sich um das Prager Symphonieorchester, dessen Künstler schon Spielen wie <4PCODE cmd=DGFLink;name=Splinter Cell;id=2738> oder <4PCODE cmd=DGFLink;name=Primal;id=1583> zu einer gigantischen Klangkulisse verholfen haben. Außerdem sind die Kompositionen ausgefeilter, das Design des Booklets und der Website stilvoller.

In den folgenden Wochen erfahrt Ihr bei 4Players alles über das faszinierende Musikprojekt - Interviews mit allen Komponisten, Hintergrundberichte von den Studioaufnahmen und vieles mehr. Letzte Woche stand uns Jonne Valtonen Rede und Antwort, heute ist Gustaf Grefberg an der Reihe. Der 28 Jahre junge Schwede ist Music Director beim Entwickler Starbreeze, der mit Enclave auf XBox und PC gefeiert wurde. Wie auch bei Jonne Valtonen liegen Gustafs Wurzeln in der PC-Demo-Szene, wo er unter dem Alias »Lizardking« viele preisgekrönte Kompositionen schuf.

4Players: Erzähle uns bitte etwas über Dich: Wie lange machst Du schon Musik? Wie bist Du in die Spielemusik-Szene geraten, und welche Projekte liegen bereits hinter Dir?

Gustaf Grefberg: Ich habe meine ersten musikalischen Erfahrungen bereits mit vier Jahren gemacht, als ich auf dem Klavier meiner Eltern rumhämmerte. Ich stieg dann irgendwann auf einen kleinen Synthesizer, einen Kassettenrecorder und viele geräuschmachende Dinge wie lärmende Wecker oder Holzstäbe um.

Mit 13 bekam ich schließlich meinen ersten Computer, mit dem ich musikalisch etwas anfangen konnte: einen Amiga 500, auf dem ich so um die tausend Songs per Tracker zusammenschusterte, und der mich unter dem Pseudonym »Lizardking« eine recht bekannte Größe in der Demoszene werden ließ. Mit der Spielemusik begann ich erst Mitte der 90er, als ich zum Triton-Team stieß, das gerade »Into the Shadows« entwickelte. Seit damals habe ich Musik für viele Games komponiert, von denen Enclave das bekannteste sein dürfte.

4P: Was ist Deine Aufgabe im Merregnon-Team?

GG: Ich bin Komponist und für die Entwicklung von Samples zuständig.

4P: Merregnon 1 basierte auf synthetischen Instrumenten aus dem Computer. Das hat sich mit dem zweiten Teil dank echtem Orchester samt Chor grundlegend geändert - wie hat sich das auf Deine Arbeit ausgewirkt?

__NEWCOL__GG: Es war wie ein Unterschied zu Tag und Nacht: es bedeutete, sich mit Notenblättern herumschlagen zu müssen, Orchestrierung zu lernen, mit einem Orchestrator und Dirigenten zu arbeiten. Die Kommunikation gewann enorm an Wichtigkeit.

4P: Wie gehst Du an Deine Kompositionen heran? Welches Equipment und welche Tools benutzt Du, um Deine Werke zu schreiben?

GG: Ich benutze einen normalen Rechner mit einer Luna Card, Logic Audio, Kontakt und einem Riesenhaufen Samples, von denen die meisten eigens aufgenommen und stark nachbearbeitet sind. Mehr brauche ich eigentlich nicht.

4P: Wie empfindest Du Deine Position als Musiker in der Spielebranche? Wie ist die Akzeptanz und Zusammenarbeit mit anderen Musikern?

GG: Es ist nie wirklich einfach. Die richtige Implementierung der Musik in ein Spiel ist mindestens genauso wichtig wie die Komposition an sich. Aber natürlich macht es sehr viel Spaß, momentan habe ich es auch dank großem Mitspracherecht bei den Projekten auch ziemlich gut. Wenn man innerhalb einer Firma tätig ist, gibt es einen ständigen Kommunikationsstrom, ständige Nachbearbeitung und ständige Kontrolle, dass jeder Sound im Spiel so gespielt wird, wie, wann und wie laut es gedacht ist - ohne dass der Programmierer alles für mich einbinden muss. Dafür arbeite ich mit Script-Tools, die mir die volle Kontrolle darüber ermöglichen, wie, wann und ob überhaupt Musik gespielt wird. Innerhalb eines guten Teams funktionieren solche Sachen wunderbar.

4P: Wo siehst Du die Zukunft der Spielemusik? Wird es schwieriger werden mithalten zu können?

GG: Ist es komplizierter, gewaltige Kompositions-Tools zu benutzen, anstatt einen kompletten Soundtrack aus 4 Kanälen und 150 kByte Samples zu quetschen? Man kann sich Dinge kompliziert machen, und Dinge werden von alleine kompliziert - es ist alles eine Ansichtssache. Wenn man sich seine Arbeit bewusst einfach gestaltet, dann ist sie auch einfach. Heute ist es genauso schwer und einfach einen guten Sound hinzubekommen, wie es früher war - nur die Herangehensweise ist eine andere. Das wird sich vermutlich auch nicht ändern.

4P: Denkst Du, dass es notwendig oder zumindest von Vorteil ist, über Musiktheorie (wie beispielsweise Notenlesen) Bescheid zu wissen, oder ist Talent das Wichtigste?

GG: Was ist das Endergebnis? Wie klingt die Musik, wie fühlt sie sich an, wie funktioniert sie? Das ist am Ende doch das Einzige was zählt. Es gibt Menschen, die sich stundenlang in Technik vertiefen, die genau wissen, wozu diese Hüllkurve da ist, oder wie sie auf diesem und jenem Equalizer funktioniert. Andere können Dir dank Ihrer hochspezialisierten Ausbildung im Schlaf exakt vorbeten, wie Mozart komponiert hat.__NEWCOL__Ich habe dazu eigentlich nur zwei Dinge zu sagen: 1.) Nichts, und wirklich gar nichts kann jemals Erfahrung ersetzen. 2.) Ausbildung und Talent sind zwei Dinge, die die Erfahrung verbessern. Beide sind gleich wichtig, aber ohne Erfahrung und Ausdrucksmöglichkeit wertlos.

Ich denke, da ist noch ein dritter Punkt, an den viele Menschen gar nicht denken: der Musiker muss genau wissen, wie er seine Kompositionen im Spiel verwenden kann. Natürlich kann ein Soundtrack toll klingen, wenn man sich ihn im Auto oder im Studio anhört - aber wie funktioniert die gleiche Musik an verschiedenen Stellen im Spiel? Darauf kommt es nämlich wirklich an. Musik kommt direkt aus dem Herzen, es ist ein Ausdruck der Gefühle des Komponisten. Ein guter Musiker kann mit seinem Soundtrack beliebige Gefühle erzeugen

4P: Spielemusik gewinnt weltweit, und besonders in Japan, immer mehr an Akzeptanz. Hat das einen Einfluss auf Deine Arbeit - wird es schwerer, konkurrenzfähig zu bleiben?

GG: Oh ja, es wird auf keinen Fall leichter. Heutzutage ist die übliche Herangehensweise in etwa, ein Spiel zu starten, es eine Weile zu spielen, und dann auf »Verdammt, das klingt gut. Ich brauche etwas ähnliches für unser Spiel« aufzubauen.

4P: Wo siehst Du Dich selbst in fünf Jahren? Was sind Deine Ziele und Absichten?

GG: Ich will der Musik immer mehr Ausdruck verleihen. Klar, bessere Tools, ein besseres Studio und immer größere Projekte sind eine feine Sache, aber ich hatte schon immer das Ziel, wirklich ausdrucksstarke Musik und Sounds zu schaffen. Spielemusik ist dafür prädestiniert, unter anderem, da Du hier das Lob oder die Flüche der Spieler wegen der Musik mitbekommst.

4P: Wie hat sich Spielemusik in den letzten Jahren verändert, verglichen mit dem Anfang Deiner Karriere?

GG: Vor einigen Jahren hat sich der Sound mit dem Amiga und 16Bit-Konsolen dramatisch verbessert. Dann kam die Interaktivität auf dem PC, auch wenn der Preis dafür unter anderem General MIDI war, was die Töne sehr blass klingen ließ. Heutzutage sind wir im Zeitalter wirklich interaktiver Musik angekommen, wo mehrere komplett arrangierte Kompositionen in Echtzeit vermischt werden, um den Spielern ein »echtes«, filmreifes Erlebnis zu gönnen.

__NEWCOL__4P: Kannst Du uns etwas über Deine gegenwärtigen Projekte erzählen?

GG: Aber klar doch: Als Erstes arbeite ich an einem noch geheimen Projekt namens »The Hollywood Project«, das wirklich sehr interessant, aber noch lange nicht fertig ist. Ein weiteres Projekt heißt »Templar« und ist ein Action-Adventure um einen jungen Templer-Ritter, der sich von seinen Sünden befreien will. Diese Arbeit macht mir besonders viel Spaß, da das Spiel eine sehr emotionsgeladene Story hat, wodurch natürlich viel Platz für mindestens ebenso emotionsgeladene Musik ist. Und natürlich macht Enclave 2 große Fortschritte.

Nächste Woche, im zehnten und vorläufig letzten Teil unseres Merregnon 2-Specials, ist Spielemusiklegende Yuzo Koshiro unser Interviewpartner. Der Japaner verlieh vielen berühmten Spielen erst mit seinen Kompositionen den Feinschliff, und war besonders auf 16Bit-Konsolen einer der gefragtesten Komponisten überhaupt. Nächste Woche redet er unter anderem über seine Konsolen-Vergangenheit sowie seine geheimen Oscar-Träume.

 
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