NVIDIA Shield31.07.2013, Jan Wöbbeking
NVIDIA Shield

Special:

Der Markt für Android-Hardware befindet sich nach wie vor im Boom: Nach Samsungs Verkaufsrekord und winzigen Settop-Konsolen wie Ouya will auch Nvidia mitmischen. Das Handheld Shield wird als Spiele-Allrounder angepriesen: Unterwegs zockt man Android-Titel mit bequemen Analogsticks und zu Hause werden Spiele vom PC gestreamt. Lohnt sich der Hybrid?

Ungewisse Europa-Pläne

Wirklich überzeugt vom Erfolg des Shields scheint selbst Nvidia noch nicht zu sein:  Ob oder wann das Gerät nach Europa kommt, konnte uns der Grafikchiphersteller bislang nicht verraten. Da wir bereits die Möglichkeit hatten, ihn vorab in Los Angeles auszuprobieren, wollen wir euch den ungewöhnlichen Hybriden vorstellen. In den USA erscheint er bereits heute. Nach negativem Feedback zum Preis von 349 Dollar senkte Nvidia ihn noch vor dem Start auf 299 Dollar. Die Besonderheit ist auf den ersten Blick das Design: Anders als bei Tablets oder klassischen Handhelds ist Shield wie ein Controller geformt. Es gibt zwei vollwertige Analogsticks, jeweils zwei Trigger und Schulterknöpfe, ein Steuerkreuz sowie die typischen vier Feuerknöpfe auf der rechten Seite. Ähnlich wie beim 3DS klappt man die Abdeckung nach oben, so dass der fünf Zoll (12,7 cm) große Bildschirm mit einer Auflösung von 1280x720 Pixeln zum Vorschein kommt.

Die zwei zentralen Funktionen von Shield sind das Spielen von Android-Titeln und das Streamen von PC-Spielen. Erstere können z.B. wie gewohnt auf Google Play gekauft werden, da Shield mit der Standard-Version von Android (Jelly Bean) ausgestattet ist. Nvidia verzichtet auf die von vielen Smartphone-Herstellern gewohnten Anpassungen von Googles Betriebssystem. Das Streaming von PC-Spielen funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip wie Sonys Remote-Play mit Vita und PS3. Per WiFi-Verbindung nimmt Shield Kontakt mit dem Router oder der WLAN-Karte des PCs auf und sendet die Controller-Eingaben. Das von der Grafikkarte berechnete Bild wird per Videostream zurück ans Handheld geschickt.

Nvidia-Karte benötigt

Per Knopfdruck kann man jederzeit zwischen einem Android-Titel und einem gestreamten PC-Spiel umschalten. Hier laufen Batman: Arkham City (zu sehen auf dem PC-Schirm) und Dead Trigger 2 (Android).
Per Knopfdruck kann man jederzeit zwischen einem Android-Titel und einem gestreamten PC-Spiel umschalten.
Wer streamen will, muss allerdings eine Nvidia-Karte im Rechner haben und überprüfen, ob sein Router und das entsprechende Spiel unterstützt werden. Ab einer GTX 650 ist die Übertragung möglich, mobile Grafikeinheiten aus Notebooks werden dagegen noch nicht unterstützt. Sobald die Verbindung hergestellt wurde, zockt man also gewöhnliche PC-Spiele wie Borderlands 2 mit Sticks und Knöpfen auf dem Shield-Bildschirm.

Im Inneren des Geräts tickt natürlich ein Nvidia-Chip. Verbaut ist die schnelle Tegra-4-Variante (Wayne), in welcher der schnelle Vierkern-Prozessor Cortex A15 mit 1,9 Ghz arbeitet. Die Grafikeinheit wird mit der Schwindel erregenden Zahl von 72 Kernen beworben. In der Praxis handelt es sich dabei lediglich um Shadereinheiten, welche Polygone z.B. mit Wassereffekten und anderen Feinheiten ausschmücken. Da noch keine Unified-Shader-Architektur verwendet wird, lassen sich die Aufgaben nicht so flexibel verteilen wie z.B. bei der Konkurrenz-GPU Adreno 320, welche etwa im LG Nexus 4 verwendet wird.

Technische Daten Nvidia Shield:

Maße: 135 x 158 x 57mm

Gewicht: 579 Gramm

Multi-Touchscreen

Bildschirmdiagonale: 5 Zoll (12,7 cm)

Auflösung: 1280 x 720 Pixel

SoC: Tegra 4 (Wayne)

CPU: 1.9 GHz Quad-core Cortex-A15

Arbeitsspeicher: 2 GB

Interner Speicherplatz: 16 GB

Micro-SD-Slot

3,5mm-Headsetbuchse mit Microphoneingang

Gyro-Sensor mit drei Achsen

Beschleunigungssensor mit drei Achsen

Bluetooth 3.0

802.11n 2x2 MIMO WiFi

GPS

Akku-Kapazität: 28,8 Wattstunden

Betriebssystem: Android Jelly Bean

Brandneue Technik

Eigene Benchmarks konnten wir nicht durchführen, da wir in der Redaktion noch kein Testgerät zur Verfügung haben. Die bislang auf dem Portal GFXBench geposteten Ergebnisse bescheinigen dem Tegra 4 aber eine beachtliche Leistung, auf einem vergleichbaren Niveau wie das iPad 4. Im Benchmark „GFXBench 2.7 T-Rex HD C24Z16 - Offscreen (1080p)“ liegt Shield z.B. bei 20,6 Bildern pro Sekunde, das iPad 4 kommt auf 17,3 Bilder.

Lediglich Samsung-Geräte mit dem potenten Snapdragon S800 schneiden besser ab: Das Galaxy S4 (Modell SHV-E330S) erreicht 26,4 Bilder, das SM-N900 Galaxy Note III kommt auf 25,9. Falls der Chip ins Schwitzen kommt, sorgt ein kleiner aktiver Lüfter für die Wärmeabfuhr. Die lauwarme Luft entweicht dann durch kleine Schlitze an der Rückseite.

Zombies, Wassersport und Pyramiden

Genügend Power ist offenbar vorhanden und die von uns angespielten Titel liefen butterweich, darunter z.B. das Remake des Wii-Shooters „Conduit HD“. Leider hatte Nvidia nicht allzu viele grafikintensive Spiele installiert. Das grafische Highlight war Dead Trigger 2: Dank offizieller Tegra-4-Unterstützung protzt der Zombie-Shooter mit exklusiven Effekten. Lampen spiegeln sich z.B. realistisch auf Wasserlachen und feiner Dunst weht über den Hof. Auch die verwitterten Oberflächen an den rostigen Wellblechhütten können sich sehen lassen.

Rund 30 für Shield optimierte Titel sollen zum Start zur Verfügung stehen, darunter Grand Theft Auto: Vice City, das Puzzlespiel Hamilton's Great Adventure THD sowie der Jetski-Racer Riptide GP2. Einen ersten Überblick gibt die offizielle Website - oder man startet direkt auf dem Gerät Nvidias Kanal TegraZone, in dem angepasste Titel vorgestellt werden. Zwei Spiele werden bereits mitgeliefert: Der 2D-Plattformer Sonic the Hedgehog 4 Episode II THD und der Arcade-Shooter Expendable: Rearmed sind vorinstalliert. Auch

Ein Blick aufs aufgeklappte...
Ein Blick aufs aufgeklappte...
normale Android-Spiele mit Controller-Unterstützung sollen sich mit Sticks und Knöpfen zocken lassen.

Verzögerungen beim PC-Streaming

Das Streaming-Feature haben wir natürlich ebenfalls angetestet, und zwar mit Borderlands 2 und Batman: Arkham City. Einerseits sah die aufwändige Grafik auf dem leuchtstarken Shield-Screen richtig gut aus, andererseits machte sich aber auch ein kleiner Lag bemerkbar. In Batmans ruhigerem Third-Person-Spiel fiel er kaum auf, in den schnellen Schusswechseln von Borderlands 2 störte die leichte Verzögerung allerdings. Hoffentlich wird die Übertragung noch optimiert. Auf der offiziellen Website betont Nvidia, dass sich das Streaming auch bei den ausgelieferten Geräten noch im Beta-Stadium befindet. Wer mit einem Import liebäugelt und sofort loslegen möchte, sollte hier vorher überprüfen, ob seine PC-Konfiguration und der Router unterstützt werden. Für die Zukunft plant Nvidia außerdem, den hauseigenen Cloud-Gaming-Service GRID für Shield anzubieten.

Mit seinen silbernen Plastik-Akzenten und den dicken Balken rund um den Bildschirm wirkt das aufklappbare Handheld nicht gerade elegant. Im Gegenzug macht die Verarbeitung aber einen sehr wertigen Eindruck. Mit 579 Gramm ist das Gerät nicht

...und zugeklappte Gerät. Durch die Controller-Maße ist es eher etwas für den Rucksack als die Hosentasche.
...und zugeklappte Gerät. Durch die Controller-Maße ist es eher etwas für den Rucksack als die Hosentasche.
gerade leicht (zum Vergleich: die WiFi-Vita wiegt 260 Gramm), wirkt aber sehr robust, sauber verarbeitet und liegt ähnlich bequem in der Hand wie ein 360-Controller. Die Analogsticks bieten sogar einen etwas längeren Hebelweg als die von Sony und Microsoft, was sich vor allem bei feinfühligen Lenkmanövern auszahlen könnte. Außerdem besitzen sie einen höheren Widerstand, so dass beim Drücken etwas mehr Kraft aufgewendet werden muss als gewohnt.

Nicht schön, aber wertig

Die Trigger haben ebenfalls einen langen Weg und sind straff eingestellt. Ihre Position und die der Schultertasten wirkt aber nicht ideal: Für meine eher großen Hände liegen sie deutlich zu hoch und zu nah beieinander. Sehr gut gefällt mir das präzise Digi-Kreuz mit seinem guten Druckpunkt. Wer Shield als Ersatz für eine mobile Android-Konsole wie Ouya nutzen möchte, dürfte sich über den Mini-HDMI-Ausgang freuen. Mit dem passenden Kabel wird das Bild auf einen HD-Fernseher übertragen. Die Buchse ist an der Rückseite des Geräts angebracht, neben den Anschlüssen für Micro-USB 2.0, dem 3,5-Zoll-Headsetanschluss sowie dem Schlitz für eine Micro-SD-Karte. Mit einem Druck auf den mittig gelegenen Nvidia-Knopf ruft man das zentrale System-Menü auf. Per Tastendruck kann man z.B. zwischen dem Stream vom PC und einem laufenden Android-Spiel umschalten – das dauerte bei unserem Test wenige Sekunden.

Da ein vollwertiges Android installiert ist, lassen sich abseits von Spielen natürlich auch andere Funktionen von Googles mobilem Betriebssystem nutzen: Ein gestarteter Kinofilm sah z.B. knackig scharf und farbkräftig aus. Da die Oberfläche des Multitouchscreens stark spiegelt, könnte die Sonne bei gutem Wetter aber Probleme bereiten. Wer ungerne Fingerabdrücke sammelt, kann auch mit Hilfe der Knöpfe durch die Menüs navigieren; der Stick fungiert dann als Mouse-ähnlicher Cursor.

Folgende Titel bieten bislang Streaming vom PC:

Dishonored

Bioshock Infinite

Batman: Arkham City

The Elder Scrolls 5: Skyrim

Portal 2

Tomb Raider (2013)

F1 2012

Borderlands 2

Metro: Last Light

Resident Evil 6

DMC: Devil May Cry

Grand Theft Auto IV

Half-Life 2

Pressure

Star Trek

Dead Island: Riptide

F1 Race Stars

Ausblick und Einschätzung

Nvidias Shield ist ein eigenwilliger Hybrid. Die Technik gefällt mir nach meiner ersten Spiel-Session richtig gut: Der kraftvolle Tegra-4-Chip bietet vermutlich genügend Leistungsreserven für die nächsten Jahre und die hochwertig verarbeiteten Sticks und Trigger machen das Spielen fast so bequem wie vor der Konsole. Bei der Hitzewelle könnte ich mir auch durchaus vorstellen, abends gemütlich auf dem kühlen Balkon gestreamte PC-Spiele zu zocken. Doch bisher flutscht dieser Datentransfer noch nicht ideal: Bei unseren Probespielen gab es eine kleine, aber spürbare Verzögerung zwischen Eingabe und Bewegung auf dem Bildschirm. Ein weiterer Nachteil für Spieler ist, dass sich auf Android nach wie vor nicht so viele exklusive Highlights tummeln wie in Apples Appstore. Im Gegensatz zu Ouya oder dem Kindle Fire HD kann man aber immerhin ganz normal auf Googles Play-Store zugreifen. Ich bezweifle, dass sich Shield gegen Spielehandhelds, Tablets & Co durchsetzen kann, aber als Alternative für Android-Nutzer ist das Gerät durchaus interessant. Aufgrund der starken Hardware würde ich mir Shield eher zulegen als z.B. eine Ouya. Ich bin gespannt, wie sich die finale Hardware präsentiert.

 
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