Kick Off (1989)24.09.2013, Michael Krosta
Kick Off (1989)

Special:

EAs FIFA-Reihe und Konamis Pro Evolution Soccer kämpfen schon seit vielen Jahren um die Vormachtstellung auf dem virtuellen Platz. Ende der Achtziger gab allerdings ein anderer Kandidat den Ton an und erlangte Kultstatus: Kick Off! Das Fußballspiel von Dino Dini unterschied sich deutlich von allem, was man bis dahin an Joystick-Ballkunst erlebt hatte. Was den Titel so außergewöhnlich gemacht hat, zeigt unser Rückblick...

Harte Lektion

Man erlebte das Geschehen aus der Vogelperspektive.
Der Ball klebte nicht länger an den Beinen des Spielers, wodurch das Dribbeln in Kick Off deutlich anspruchsvoller wurde als in anderen Fußballspielen.
Ich weiß es noch ganz genau, wie ich damals zu meinem Schulkameraden in den Nachbarort gefahren bin, um zum ersten Mal in Kick Off gegen ihn anzutreten – dieses Spiel, das unter den Fußball-Fans in der Klasse gerade so angesagt war. Eine spannende Partie sollte es werden. Zumindest in meiner Vorstellung, hatte ich doch auf meinem C-64 schon viel Erfahrung mit MicroProse Soccer gesammelt und gefühlt einen ganzen Schrank voller Pokale. Und auf den ersten Blick sah mir Kick Off doch sehr ähnlich aus, erlebte man den Kick doch ebenfalls aus der Vogelperspektive mit etwas kleineren Spielerfiguren. Was sollte also schief gehen?

Alles. Die erste Partie war ein Desaster und noch viel schlimmer als all das, was der HSV gerade durchleben muss. Ich wurde regelrecht vom Platz gefegt! Das erste Tor fiel bereits innerhalb der ersten Minute, gefolgt von vielen weiteren. Ich fühlte mich so, als hätte ich zum ersten Mal einen Joystick in der Hand und noch nie zuvor ein Fußballspiel gezockt. Wo lag also das Problem? Abgesehen von der deutlich höheren Geschwindigkeit, mit der die Mini-Sportler über den Platz wuselten, war der größte Unterschied schnell ausgemacht: Im Gegensatz zu allem, was ich vorher an virtuellen Kicks erlebt hatte, klebte der Ball hier nicht mehr fest am Fuß der Dribbel-Künstler, sondern rollte getrennt von ihnen über das Gras. In den ersten Momenten wirkte Kick Off auf mich nahezu unspielbar! Wie sollte ich das runde Leder denn bitteschön kontrollieren oder schnelle Richtungswechsel durchführen? Geschweige denn überhaupt jemals das Tor treffen? Ich war verzweifelt...und die nächsten Partien wurden nicht besser: Eine deutliche Klatsche folgte auf die nächste und ich verlor mit jedem weiteren Gegentreffer die Lust an diesem „tollen“ neuen Fußballspiel und gleichzeitig die Hoffnung, jemals mit dieser neuen Mechanik zurecht zu kommen.

Ab ins Trainingslager

Die Umsetzung für den C-64 konnte der Amiga-Fassung nicht das Wasser reichen.
Die Umsetzung von Kick Off 2 für den C-64 konnte der Amiga-Fassung nicht das Wasser reichen.
In MicroProse Soccer war ich noch der gefährliche Torjäger mit weltmeisterlichen Qualitäten. Und jetzt? Selbst in der Kreisklasse hätte man mich angesichts meiner unterirdischen Leistungen unter einem Pfeifkonzert vom Platz gejagt! Es gab also nur zwei Möglichkeiten: Entweder weiter daddeln und darauf hoffen, dass sich die von Kick Off begeisterten Freunde noch mal zu einer Partie MPS herablassen würden. Oder Training. Viel Training. Da bot es sich an, dass die Veröffentlichung von Kick Off 2 kurz bevor stand. Also ergriff ich die Chance und freute mich schon, meine Ballkünste zu Hause am C-64 üben und verbessern zu können, um dann mit den einstudierten Skills zurückzuschlagen und meine Gegnerfreunde zu überraschen. Doch nach dem Kauf folgte die Enttäuschung: Auf Commodores Brotkasten war das Spiel qualitativ weit von dem rasanten Kick entfernt, den man auf dem Amiga vorfinden konnte. Zwar tastete ich mich langsam an das neue Spielgefühl heran, das durch die Trennung von Ball und Spieler enstand, doch durch die technischen Einbußen waren die ersten Besuche in meinem Trainingslager noch nicht so ergiebig und befriedigend wie erhofft.

Das änderte sich erst, als ich endlich selbst einen Amiga 500 in Kombination mit Kick Off 2 mein Eigen nannte und ich so langsam dem Dreh rausbekam, wie ich meine Hand am Competition Pro wieder so gefährlich machen konnte wie Maradonas Fuß am Ball. Nach meinem ersten Frust lernte ich die Trennung zwischen Ball und Akteur immer mehr zu schätzen und es stellte sich in den Partien ein herrlicher Flow ein, den ich so noch nie in einem Fußballspiel erlebt hatte. Endlich konnte ich den Ball nicht nur ordentlich kontrollieren und Richtungswechsel durchführen – auch landete das Runde endlich auch mal im Eckigen, wobei ich die schönsten Tore sogar auf einer separaten Diskette abspeichern durfte. Mit der Konkurrenzfähigkeit kehrte dann auch der Spaß ins Stadion zurück: Was haben wir uns in der Schulzeit aufregende Matches geliefert, in denen wir geflucht, gejubelt und mitgefiebert haben – und das lange vor heutigen Hochglanz-Produktionen vom Schlag eines FIFA 14 mit ihren authentischen Stadiongesängen und lizenzierten Polygon-Kickern, die ihren realen Pendants immer ähnlicher sehen. Kick Off 2 war übrigens eines der wenigen Amiga-Spiele, die den Vier-Spieler-Adapter unterstützt haben. So konnte man nicht nur als Zweier-Team gegen eine KI-Mannschaft antreten, sondern sogar in 2vs2-Partien gemeinsam auf Torejagd gehen.

Immer schön anschnibbeln

An Lizenzen war damals nicht zu denken.
An Lizenzen war damals nicht zu denken.
Lizenzen gab es in den Kick Offs zwar keine, doch durfte man sich im zweiten Teil immerhin eigene Trikots aus vorgefertigten Mustern und Farben zusammenstellen. Nationalmannschaften mit fiktiven Spielernamen waren jedoch vertreten. Wer den ebenfalls von Anco produzierten Player Manager besaß, durfte außerdem seine dort erstellte Mannschaft sowie Taktiken importieren, wenn einem die acht Standard-Strategien nicht gut genug erschienen. Später wurden außerdem noch Daten-Disketten nachgereicht, mit denen man Wettbewerbe wie die Europameisterschaft nachspielen konnte oder Vereins-Mannschaften hinzugefügt wurden. So sahen die Vorläufer heutiger DLCs aus...

Den größten Fortschritt machte Kick Off 2 aber hinsichtlich der Spielmechanik: Zwar ließen sich auf den ersten Blick keine großen Veränderungen zum Vorgänger feststellen und es schien sowohl technisch als auch inhaltlich alles beim Alten zu sein. Wer den Joystick nach dem Schuss allerdings in eine Richtung bewegte, konnte dem Ball im Nachfolger einen Drall verpassen und neben wunderschönen Bananenflanken auch mit fies angeschnittenen Torschüssen den KI-Schlussmann überlisten. Dabei wurde dieses „Anschnibbeln“ auch bei Freistößen und den neun Ecken-Varianten gestattet, wodurch von dieser Mechanik noch mehr Gefahr ausging als zuvor. Zudem war es auch möglich, die Schussstärke bei Ecken zu bestimmen oder bei Freistößen zu tricksen, indem z.B. einer der drei Spieler zunächst über den Ball hüpfte – ein echtes Novum! Die Defensive wurde im Gegenzug ebenfalls gestärkt: Vor Freistößen formierten sich die Mitspieler hier automatisch zu einer Mauer. Die auf der Verpackung noch angepriesene Umsetzung der Abseitsregel hat es allerdings nicht ins Spiel geschafft – vermutlich, weil es den flotten Spielablauf zu oft unterbrochen hätte und auch die Übersicht trotz des eingeblendeten Radars nicht optimal für eine solche Funktion war.

Auf die Darstellung des Mittelkreises musste man auf dem Atari ST aus Performancegründen verzichten.
Auf die Darstellung des Mittelkreises musste man auf dem Atari ST aus Performancegründen verzichten.
Was heute zum Standard gehört, war zu Zeiten von Kick Off noch revolutionär: Anstatt wie gewohnt Klon-Sportler auf den Platz zu schicken, hatte jeder von ihnen unterschiedliche Attribute in vier Bereichen, darunter die Schussstärke und Laufgeschwindigkeit. Zudem gab es nach Fouls nicht nur gelbe und rote Karten – auch Verletzungen standen auf der Tagesordnung. Entsprechend waren auch Auswechslungen sowie Elfmeter möglich. Letztere entschieden auch nach einer Verlängerung bei Gleichstand über Sieg und Niederlage. Im Gegensatz zum Ur-Kick-Off war es im zweiten Teil allerdings nicht mehr möglich, zwei Halbzeiten á 45 Minuten zu spielen. Das Maximum lag hier bei 20 Minuten pro Halbzeit. Dazu gesellten sich unterschiedliche Platzverhältnisse: Neben dem Standard-Rasen durfte man auch auf einem Plastikboden spielen oder man entschied sich für Regen und Matsch, wobei jede Option das Ballverhalten merklich beeinflusste. Sogar die Windstärke ließ sich einstellen!

Kick Offs Erben

Kick Off legte den Grundstein für viele Funktionen und Spielelemente, die wir in modernen Fußball-Simulationen wie FIFA und PES finden und erwarten. Trotzdem ist es erstaunlich, dass der Klassiker selbst heute noch seine Anhänger hat und vor allem dank Emulatoren am Leben gehalten wird. Selbst Turniere mit Kick Off 2 werden immer noch ausgetragen.

Vor dem Anpfiff liefen zunächst beiden Mannschaften zur Begrüßung ein.
Vor dem Anpfiff liefen zunächst beiden Mannschaften zur Begrüßung ein.
Kick Off 2 war der letzte Teil der Reihe unter der Führung von Dino Dini. Er verabschiedete sich nach der Fertigstellung von Anco und heuerte bei Virgin Interactive an, wo unter seiner Leitung der geistige Nachfolger GOAL! entstand. Trotz gleicher Tugenden und guter Wertungen blieb dem Titel aber ein ähnlich großer Erfolg verwehrt. Das galt auch für die weiteren Fortsetzungen der Kick-Off-Reihe. Stattdessen wurde das 1992 veröffentlichte Sensible Soccer zum neuen Platzhirschen und wurde oft in einem Atemzug mit Kick Off 2 genannt. Ein Jahr später betrat ein neuer Herausforderer den Platz: Das erste FIFA von Electronic Arts wollte neue Maßstäbe im virtuellen Fußball setzten und erreichte dieses Ziel spätestens mit dem überragenden FIFA 96, bei dem erstmals auf 3D-Grafik gesetzt wurde. Wer noch mehr über die Entstehung von Kick Off erfahren will, wird übrigens in unserem Post-Mortem-Bericht von der diesjährigen Game Developers Conference fündig, bei der Dino Dini persönlich anwesend war und über Herausforderungen und Probleme der Entwicklung seines Fußball-Klassikers erzählte.

 
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