7 Wonders20.06.2014, Jörg Luibl
7 Wonders

Special: Civilization mit Kartentaktik

Wer von euch kann die sieben Weltwunder aufzählen? Okay, den Koloss von Rhodos und die Pyramiden von Gizeh werden die meisten auf Anhieb nennen. Falls es danach etwas länger dauert, könnte das Brettspiel  „7 Wonders“ aus dem Hause Asmodee helfen. Aber keine Bange: Das ist kein antikes Quiz, sondern ein überaus spannendes historisches Aufbauspiel, das bereits zig Auszeichnungen einheimsen konnte. Vollkommen verdient!

Spannung nach drei Zeitaltern

Hurra, das ist Rekord! Satte 54 Punkte konnte ich als Babylonier mit meiner Forschungstaktik erobern – die Investitionen in Skriptorium, Bibliothek und Universität haben sich also ausgezahlt. Dabei habe ich komplett auf das Militär verzichtet und jeden Grenzkonflikt mit meinen Nachbarn verloren. Das brachte mir zwar am Ende sechs Minuspunkte und zwischendurch jede Menge Häme aus Rhodos und Ephesos ein, aber dafür war mein Grinsen am Ende umso breiter.

7 Wonders ist komplett auf Deutsch für knapp 35 Euro bei Asmodee erhältlich. Es ist für zwei bis sieben Spieler ausgelegt.
Ähnlich wie in Agricola steigt die Spannung nochmal bei der Abrechnung. Dann bekommt man in sieben Bereichen von Militär über Profanbauten und Handel bis Gilden wertvolle Punkte – oder geht leer aus. Wer hat seine Karten am cleversten eingesetzt? Selbst wenn man sein Weltwunder nicht in drei Stufen finalisiert hat, kann man das Spiel über die effiziente Auslage und Kombination von Gebäuden gewinnen. Auch für die Bauten der Nachbarn kann man mit einer Gilde ein paar Punkte für sich einstreichen!

Das Prinzip rochierender Karten

Aber wer bekommt die Karte mit der Gilde wann in die Finger? Genau hier sorgt das Prinzip der rochierenden Karten für die Qual der Wahl und taktische Blockaden: Von den sieben, die man auf der Hand hat, setzt man eine als

Ein Aufbau für vier Spieler: Man braucht nicht viel Platz.
Gebäude ein, danach reicht man die sechs übrigen an seinen Nachbarn weiter. Ihr wollt nicht, dass dieser das Pantheon mit seinen sieben Siegpunkten errichtet? Aber ihr könnt es auch nicht selbst bauen? Tauscht die Karte gegen drei Münzen ein oder nutzt sie als Weltwunderteil! Dann wird sie umgedreht und unter dem Spielplan platziert.

Man kann sich also nicht immer etwas aussuchen, sondern muss vor allem wertige Gebäude meist mit Rohstoffen oder Münzen bezahlen. Gerade zu Beginn gilt es, Karten wie den Holzplatz, den Steinbruch, das Erzbergwerk oder die Ziegelei auszulegen, damit man die entsprechenden Rohstoffe erntet. Nicht nur diese Anfangsphase erinnert angenehm an historische Aufbauspiele wie Civilization, auch die darauf folgende Ausbauphase weckt mit ihren kleinen Technologiebäumen Erinnerungen. Denn hier schaltet man fortschrittliche Varianten bereits vorhandener Gebäude im wahrsten Sinne des Wortes frei.

Verzahnung von Gebäuden und Boni

Wer z.B. im ersten Zeitalter die Bäder für einen Stein errichtet hat, kann das Aquädukt im zweiten Zeitalter umsonst auslegen – alle anderen müssten satte drei Steine zahlen! Neben diesen Zweier- gibt es auch Dreierketten wie Theater, Statue und Gärten, so dass sich gezieltes Spezialisieren in den farblich klar markierten Bereichen Forschung (grün), Profanbauten (blau), Handel (gelb) oder Militär (rot) lohnt. Hinzu kommen die Gilden, die spezielle Boni für jede vorhandene Farbe bei den Nachbarn verleihen. Wenn die vor allem rote Militärgebäude errichtet haben, lohnt sich z.B. die Gilde der Spione.

Das Mausoleum von Halikarnassos: Oben links die produzierende Gebäude, unten links der erste Teil des Weltwunders, oben zwei Profanbauten.
Ihr wollt eine Revanche? Okay, los geht‘s! Im Gegensatz zu den meisten historischen Aufbauspielen ist 7 Wonders angenehm knackig. Man kann mit vier Personen in einer guten halben Stunde mit den drei Zeitaltern fertig sein. Und trotz dieses Tempos ist das Spiel angenehm taktisch, vielfältig und interaktiv. Mit seinen direkten Nachbarn, links und rechts am Tisch, kann man während der Zeitalter handeln, indem man für Produkte zwei Münzen übergibt. Baut man z.B. einen Markt, muss man nur noch eine Münze zahlen.

Für Einsteiger und Experten

Aber Vorsicht: Am Ende jedes Zeitalters wird auch die Militärstärke mit den Nachbarn einfach numerisch verglichen, wobei der Verlierer einen Minuspunkt, der Gewinner je nach Zeitalter einen, drei oder gar fünf Pluspunkte bekommt. Schön ist, dass die edel illustrierten Weltwunderbögen zweifach bedruckt sind; quasi für Einsteiger und Experten.

Wer sich für letztere Variante entscheidet, wird z.B. die Pyramiden nicht in drei, sondern vier Schritten ausbauen oder darf mit den Hängenden Gärten auch die siebte Karte eines Zeitalters einsetzen – ansonsten wird diese abgelegt.

Jede der sieben Karten mit Weltwunder hat zwei Seiten mit unterschiedlichen Boni.
Es lohnt sich also, mit den unterschiedlichen Startbedingungen der sieben Zivilisationen bzw. Weltwunder zu experimentieren.

Was gefällt nicht so gut?

Da gibt es nicht viel. Das ist ein Spiel, das in sich gut funktioniert und sehr ansprechend illustriert wurde. Einsame Nörgler könnten bemängeln, dass es keine Solovariante gibt. Und zu zweit muss man sich etwas umstellen: Die Regeln sind etwas komplexer, es fehlt natürlich die Interaktivität und man muss zwei zusätzliche Karten für Grenze sowie eine freie Stadt managen - aber daran gewöhnt man sich.

Fazit

Endlich bin ich dazu gekommen, 7 Wonders vorzustellen. Ihr kennt es noch nicht? Aber ihr mögt Kartentaktik und historische Aufbauspiele? Dann solltet ihr unbedingt zuschlagen! Die offiziellen Spiele des Jahres sind ja selten mein Fall: Weder Dixit, Qwirkle noch Hanabi haben mich überzeugt. Aber bei den Kennerspielen des Jahres sieht es anders aus. Schon Village war klasse und auch 7 Wonders hat sich diese nationale Auszeichnung 2011 sowie zig weitere aus aller Welt redlich verdient. Es vereint taktische Vielfalt mit edler Präsentation, einfache Regeln mit viel Spieltiefe. Aufgrund der stets rochierenden Karten läuft jede Partie anders, das Artdesign erinnert an Civilization, die Spannung bei der finalen Abrechnung an Agricola. Während man anlegt, kombiniert und handelt, merkt man gar nicht, dass das Spiel schon wieder um ist. Hier muss man nicht zwei, drei Stunden entwickeln, sondern düst in einer halben bis dreiviertel Stunde durch drei Zeitalter – das ist Aufbau und Kartentaktik par excellence! Ein knackiges, aber gleichzeitig anspruchsvolles Spiel, das man auch nach Jahren noch auf den Tisch bringt. Und das ab jetzt auch in unserer Bestenliste vertreten ist.

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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