Verrückt?
"Erwachsen" nicht nur wegen der Inhalte und seiner krassen Bilder. Erwachsen war vor allem eine Erzählung, deren wichtigste Hinweise in dem Adventure gar nicht erwähnt wurden. "Diary of a (Mad?)Man" hieß das kleine Buch, das dem Spiel beilag: Ryans Tagebuch, geschrieben von
Stephen Marley.
Als die Arbeiten an Dreamweb schon fortgeschritten waren, suchten Dodwell und Dew einen weiteren Autor. Keinen für die Handlung des Spiels, aber einen, der die Vorgeschichte ihres Protagonisten erzählen sollte. Sie fanden Marley, der zu diesem Zeitpunkt bereits drei Fantasyromane veröffentlicht hatte.
Und Marley hatte eine Idee, wie er Ryans Charakter entscheidend formen könnte.
(Alb)traum und Wirklichkeit
Das Dreamweb: Ryan wird von Albträumen geplagt. Ein Mann im roten Umgang beobachtet ihn da. Bald fürchtet er sich davor schlafen zu gehen. Seine Einträge werden dann kürzer, die Schrift unsauberer.
Gleichzeitig verfolgen ihn im echten Leben die Nachrichten über einen Mörder und irgendwann findet er eine verlassene Kirche, St. Septimus (Siebter), in der er meint den Mörder zu treffen. Oder war dies nur Teil eines Traums? Realität und Traum gehen immer weiter ineinander über, während er geheimnisvolle Symbole in sein Tagebuch krakelt.
Irgendwann weiß Ryan, dass er derjenige ist, der den Mörder und sechs andere töten soll. Deshalb sagt er „Ich weiß, was zu tun ist“, als ihn der Wächter des Dreamwebs – eine Gestalt im roten Umgang – um Hilfe bittet.
Bevor Ryan seine abscheuliche Aufgabe erfüllen kann, benötigt er zunächst eine Waffe.
Und tötet sieben Menschen, die er bereits in irgendeiner Form aus seinem Umfeld kannte.
Ob das Dreamweb nur ein Hirngespinst war, lösen Dodwell, Dew und Marley nie auf.
Der lange Schatten
Interessanterweise erwacht Ryan zu Beginn des Spiels mit offenen Augen, bevor ich ihm eine dunkle Sonnenbrille aufsetzen konnte... ja, ich weiß, dass ich viele Aspekte auf ein nostalgisches Podest überhöhe. Nüchtern betrachtet war Dreamweb nur ein finsterer Thriller mit vielen guten, aber auch mit frustrierenden Rätseln. Es war zudem nicht das einzige Spiel, das mehr als ein lustiges Abenteuer sein wollte.
Neil Dodwell und David Dew vereinten allerdings Spiel und Erzählung, Musik und Aufmachung so nahtlos miteinander, wie es bis heute selten gelingt. Über interessante Facetten erzählten sie eine ernsthafte Geschichte, die Jahre später noch zum Nachdenken anregt.
Denn Ryans Absturz in menschliche Abgründe ist ebenso abscheulich wie menschlich.
Eine neue Chance?
Zuletzt arbeiteten Dodwell und Dew übrigens an
L.A. Noire – im gleichen Jahr zeigte sich Stephen Marley an neuen Projekten im Bereich der Videospiele
interessiert. Vielleicht kommen die drei ja als unabhängige Entwickler noch einmal zusammen.