Special: Der Beginn der Ballsucht
Gejubel im Dachgeschoss
Das virtuelle Fußballvirus hat mich erstmals Mitte der 80er erwischt. Wir haben uns nach der Schule oder dem Training getroffen und bei einem Kumpel wie verrückt gezockt. Er hatte sein Zimmer im Dachgeschoss und wenn ich heute an International Soccer denke, kommen sofort Erinnerungen an verdammt heiße Sommertage, quietschende Joysticks und vor allem viel Geschrei und Gejubel hoch. Wir haben uns häufig einen Anschiss von seinem Vater abgeholt, der die Treppe hochgepoltert kam - vor allem, wenn er gerade eine Nachtschicht hinter sich hatte. Aber egal ob Rausschmiss oder gut gemeinte Sprüche der Mutter wie "Geht lieber draußen spielen!" oder "Wollt ihr nicht ins Freibad?" prallten an uns ab - oder wir sind eben zu mir geradelt...
Arcade-Kick ohne Schnörkel
Mehrere Kameraperspektiven? Nein. Während man den am Ball nächsten Spieler in acht Richtungen bewegte und auf Knopfdruck passte, scrollte das Bild in seiner heute unheimlich komisch wirkenden seitlichen Ansicht nach links oder rechts mit. Aber was waren das für feine Animationen, wenn geschossen, geflankt oder eingeworfen wurde - festhalten: es gab sogar Ecken! Kam der Gegner vor das eigene Tor, übernahm man sofort den Torwart, so dass man alle Rollen
Jedes Match wie ein Finale
Beim Schreiben dieser Zeilen muss ich die ganze Zeit schmunzeln, weil ich gerade Pro Evolution Soccer 2016 teste und all die Mechaniken, Taktiken und Modi in meinem Kopf herumschwirren, die Sportspiele heutzutage anbieten. Damals gab es weder eine Liga noch einen Cup oder eine Karriere, sondern wirklich nur auf'm Platz. Uns hat diese extrem spartanische Kulisse jedenfalls für zig Revanches und Turniere mit vielen Freunden in eine Parallelwelt versetzt. Letztlich hatte auch jede Partie diesen Endspielcharakter, der ja auch im englischen Titel "Cup Final" steckt, zumal man
Dabei konnte man nicht mal prominente Clubs, sondern lediglich eine von sechs Farben für sein Team wählen - aber hey: es gab auch Gelb! Und weil wir im Ruhrpott wohnten, freuten sich andere auf Blau. Auch Abseits, Fouls oder Karten, Verlängerung oder Elfmeter waren nicht vorhanden. Aber irgendwie entwickelte sich trotz dieser spartanischen Oberfläche, des begrenzten Regelwerks und der heute eher verrufenen One-Button-Steuerung jedesmal ein anderes Spielerlebnis. Dafür gab es immerhin neun Schwierigkeitsgrade, um alleine gegen die KI zu üben.
Was wir damals nicht wussten, weil wir keine Magazine lasen, sondern nur Disketten tauschten: International Soccer heimste einige Awards ein und inspirierte mit seiner Spielmechanik das heute vielleicht noch bekanntere und von mir später auch sehr geschätzte "Emlyn Hughes International Soccer ", das quasi ein komplexer Nachfolger im Geiste war. Letzteres wird selbst heute noch in den ländlichen Regionen von Südwestwales gespielt. Und ich sitze mit über 40 noch wie ein kleiner Junge vor der PlayStation 4, um Tore zu schießen - Andrew Spencer ist zumindest mitschuldig.
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