Brettspiel-Test: T.I.M.E Stories (Rollenspiel (Koop-Abenteuer))

von Jörg Luibl



T.I.M.E Stories (Brettspiel) von Space Cowboys
Kooperative Zeitreise
Entwickler:
Publisher: Space Cowboys
Release:
10.10.2015
Spielinfo Bilder Videos
Lust auf eine Zeitreise? Manuel Rozoy, der für Ubisoft u.a. an Assassin's Creed werkelte, ist nebenbei leidenschaftlicher Brettspieler. Der Franzose präsentierte auf der Spielemesse in Essen mit T.I.M.E Stories ein interessantes kooperatives Abenteuer, das zwei bis vier Spieler aus der Zukunft in die Vergangenheit katapultiert, um Risse in der Zeitlinie zu verhindern. Warum vor allem Rollenspieler und Freunde rätselhafter Geschichten ihren Spaß haben werden, klärt der Brettspiel-Test.


Und es hat Zoom gemacht...

"Das ist ja mal cool! Eine tolle Idee!" Wenn sich routinierte Brettspieler schon nach wenigen Minuten so freuen, dann muss am Tisch etwas Ungewöhnliches geschehen. Nein, es liegt nicht daran, dass sich gerade vier Agenten einer Zeitreisefirma in einer französischen Nervenheilanstalt des Jahres 1921 befinden. Für Freude sorgt auch nicht unbedingt, dass jeder von ihnen wie ein Geist in den Körper eines irren Patienten geschlüpft ist. Etwa in jenen von Madeleine du Tilleul, die unter Panikattacken leidet. Aber die frische Art und Weise wie man dort den Aufenthaltsraum erkundet, lässt eine interessante Art der Immersion sowie stimmungsvolle Erkundungsreize am Tisch entstehen. Man kann in T.I.M.E Stories bildlich in Szenen eintauchen - und das macht Spaß.

T.I.M.E. Stories ist komplett auf Deutsch bei Asmodee erschienen. Es ist für zwei bis vier Spieler ausgelegt und kostet etwa 40 Euro.
T.I.M.E Stories ist komplett auf Deutsch bei Asmodee erschienen. Es ist für zwei bis vier Spieler ausgelegt und kostet etwa 40 Euro.
Wie funktioniert das? Über das einfache Umdrehen von Karten: Bis zu fünf davon liegen nebeneinander wie ein Gemälde aus. Im Einstieg sieht man z.B. von links in der Nahaufnahme eine mürrische Aufseherin, dann drei skurrile Patienten in der Mitte sowie ganz rechts ein Bild über einem Klavier. Im Idealfall sitzen alle Mitspieler zusammen in einer Reihe vor dieser Auslage. Jeder lässt diese Bilder auf sich wirken, man berät sich und dann kann man einzeln oder mit mehreren Agenten eine dieser fünf Szenen untersuchen. Nur der oder die Besucher dürfen dann die Karte an sich nehmen, umdrehen und lesen: Wer sich der Aufseherin nähert, wird vielleicht eine Großaufnahme mit anderer Mimik beobachten, erst jetzt einen Gegenstand sehen oder in einen Dialog verwickelt - es gibt quasi einen Zoomeffekt.

Objekt, Gespräch, Rätsel oder Kampf?

Ihr sollt im Auftrag einer futuristischen Agentur diverse Zeitanomalien beheben, indem ihr vor Ort ermittelt.
Ihr sollt im Auftrag einer futuristischen Agentur diverse Zeitanomalien beheben, indem ihr vor Ort ermittelt. Das in der Grundbox vorhandene Szenario versetzt euch nach einem Tutorial im futuristischen Hauptquartier in eine französische Nervenheilanstalt des Jahres 1921.
Das macht neugierig und ist sehr spannend, denn manchmal zeigen Charaktere erst so ihr wahres Gesicht, man findet erst aus dieser Nähe ein nützliches Objekt wie eine Zeitung oder einen Schlüssel. Aber manchmal eskaliert die Situation auch und man wird vielleicht von einem Wut verzerrten Gesicht angeschrien oder gar in einen Kampf verwickelt. Zunächst sind die Spieler in dieser Situation "gefangen", erleben sie also intensiver und persönlicher, aber sie dürfen jederzeit miteinander über das Gesehene und Erlebte sprechen, um sich in der nächsten Runde vielleicht zu helfen. Was sollen die Agenten hier eigentlich finden? Das ist das große Geheimnis, dem man aufgrund der stimmungsvoll erzählten Geschichte gerne folgt. Stück für Stück ergeben die Gespräche und Konflikte mit den Patienten und Doktoren eine Spur. Zumal der Aufenthaltsraum auch nur einer von vielen in diesem Szenario ist - es gibt eine Küche, einen Schlafsaal, eine Krankenstation, eine Promenade etc. Zwar ist das Kartendeck ähnlich streng sortiert wie in Pandemic Legacy, aber so modular aufgebaut, dass man die Räume frei erkunden kann - es gibt also keine vorgegebene Reihenfolge.

Der Clou: Man schlüpft nicht nur in unterschiedliche Rollen bzw. Wirte, sondern kann Gebiete genau erkunden und Einzelnes näher betrachten
Der Clou: Man kann einzelne Teile einer Szene über einen Zoomeffekt genau erkunden, indem man die Karte an sich nimmt und umdreht.
Auch das Reisen der Gruppe sowie das Freischalten von Schauplätzen wird so anschaulich und dynamisch inszeniert, dass man sich an Videospiele erinnert fühlt: Ein Gruppenmarker auf einer Ortskarte oben links zeigt an, wo sich alle gerade befinden. Schön ist, dass auch diese Übersicht nicht statisch ist. Falls man im Laufe der Erkundungen z.B. Hinweise auf Katakomben, eine Gartenlaube oder ein Dachgeschoss, darf man die entsprechend aktualisierten Kartenteile oben auslegen. Das ist eine ebenso gute Idee wie jene, dass man bestimmte verschlossene Räume nicht nur über Schlüssel, sondern manchmal erst über das Erfüllen von Bedingungen betreten darf: Mal darf nur ein spezieller Charakter hinein, mal muss die ganze Gruppe ein bestimmtes Symbol erbeutet haben, das auf der Tür angezeigt wird.

Kooperatives Rollenspiel mit viel Kommunikation

Wer kooperative Abenteuer mit viel Kommunikation und taktischen Absprachen mag, wird sich hier sehr wohl fühlen, denn komische Andeutungen, verschlossene Räume und knifflige Gefechte laden zu Gesprächen ein. Auch Rollenspieler alter Schule kommen auf ihre Kosten, denn das Spiel lebt nicht nur davon, dass einleitende Texte wie von einem Meister vorgelesen werden. In seinem spielmechanischen Kern ist T.I.M.E Stories ein episches Rollenspiel à la Villen des Wahnsinns.

Wie in einem Rollenspiel hat man Lebenspunkte, Fähigkeiten und sammelt Gegenstände.
Acht Charaktere stehen zur Auswahl. Wie in einem Rollenspiel hat man Lebenspunkte, Fähigkeiten und sammelt Gegenstände.
Jeder Agent verfügt je nach Wirt über unterschiedliche Fähigkeiten hinsichtlich Rhetorik, Geschick, Kampf & Co , aber auch Fehler wie etwa die Angst vor dem Alleinsein, ein Kriegstrauma oder Drogensucht sorgen für interessante Situationen - und genug Potenzial, um sich vielleicht schauspielerisch in seinen Wirt hineinzusteigern. Schön ist nicht nur, dass manche Talente exklusiv sind, so dass nicht jeder alles versuchen kann. Schön ist auch, dass es alternative Lösungen gibt: Man kann Kämpfe umgehen, wenn man die richtigen Gegenstände oder Charaktere dabei hat.

Aufgaben oder Kämpfe werden ansonsten gemeistert, indem man ganz klassisch Proben besteht und dafür Würfel wirft. Auch hier wirkt das Abenteuer aber angenehm frisch: Je nach Aufgabe oder Feind werden unterschiedlich viele Schilde ausgelegt, die man über gewürfelte Sterne "besiegen" muss, während Schädel für einen Gegenschlag oder Spezialsymbole für Abzüge sorgen - erst wenn alle Schilde vom Plan getilgt worden sind, hat man es geschafft. Das System ist recht einfach und die vorbildliche Anleitung gibt für alle erdenklichen Situationen genug Beispiele, so dass der Spielfluss auch innerhalb dieser Proben nicht zu lange stockt.

Kommentare

Mayam schrieb am
Hat hier jemand Hinter der Maske ergattern können und möchte sie nach dem Spielen nicht behalten sondern weiter verkaufen? :wink:
Oshikai schrieb am
Haben das Hauptspiel letzten Monat durchgespielt und bin leicht zwiegespalten.
Erst einmal ist TIME Stories ein einmaliges Konzept, was die ersten 'Stunden' sehr viel Spaß machen kann !
Man wird immer tiefer in die mysteriöse Storie hineingeführt (manchmal doch schon zu mysteriös !) und fiebert richtig mit den Geschenissen mit. Es weiß die Spieler mit seinen vielen verschiedenen Räumen gut zu unterhalten !
Allerdings ist das Spiel beim 1. Anlauf quasi unschaffbar ! Motiviert der 1. Neustart allerdings noch (man weiß evtl. welche Fehler man zuvor gemacht hat) wirds irgendwann beim 2. Neustart doch schon lästig, erneut alles durchzuspielen nur um dann in ner totalen Sackgasse zu landen.. :o
Wir haben irgendwann angefangen den Zeitmarker zu ignorieren (waren schon weit im Minus) um doch endlich das Mysterium aufzudecken !
Wie erwähnt, die ersten Stunden waren einmalig und haben viel Spaß bereitet, aber irgendwann kam zumindest bei uns der Punkt wo die Stimmung umschwank.
In allem hats uns dennoch überzeugt und grübeln noch ob wir das Hauptspiel ein zweites erfolgereichers mal angehen, oder gleich mit einer Erweiterung anfangen.
M_Coaster schrieb am
Für mich das beste Brettspiel seit Ewigkeiten!
Villen des Wahnsinns ist auch wunderbar, aber für mich kein Vergleich. Time Stories ist ein Point-Click Adventuure, mit ein wenig Kampf aufgepeppt für den Tisch. Das ist so in seiner Form und seiner Darstellung absolut einmalig.
Oshikai schrieb am
Habe das Spiel letzte Woche von meiner Freundin erhalten und traue mich gar nicht den Test durchzlesen aus Angst Dinge zu erfahren, die ich noch gar nicht wissen möchte..
Aber das Regelwerk klingt auf jeden Fall schon sehr interessant ! Ein Point & Click Adventure alter Schule und dann noch kooperativ - das konnte bisher nur Clever & Smart - A Movie Adventure.
Freue mich schon auf die erste Runde und wenn der Spaß hält was er verspricht, bin ich auch bereit mehrmals jährlich mir die kleinen Erweiterungsboxen zu kaufen (okay, 2 von 3 hab ich bereits..^^).
Da hier das Setting sich jedesmal verändert: Fantasy, Agypten, (ferne Zukunft ?) hat das Spiel meiner Meinung nach auch enorm großes Potential !
Bin gespannt wann der Spieleabend startet, vllt. schaff ich es eine kurze Pause in unserer derzeitigen Maus & Mystik Kampagne einzuführen.
Die Kritik bzgl. Villen des Wahnsinns kann ich pers. nicht nachvollziehen.
Meiner bescheidenen Meinung nach eines der besten Spiele auf den Markt und besitze sämtliche Erweiterungen sowie PODs. Mit der richtigen Sounduntermalung jedesmal ein positiver Graus ! :)
Dass die Ermittler ziemlich in der Kacke sitzen trifft wahrlich zu, aber das ist halt H.P. Lovecraft..
(Arkham Horror gewinnt man doch auch nicht !? :lol: )
MisterL_1979 schrieb am
Das Spiel hat meiner Spielrunde schon viele Stunde einer ganz besonderen Erfahrung in Sachen Brettspiele bereitet und das bei Spielern, die schon 15 - 20 Jahre Brettspiele aller Art spielen.
Zuerst war ich sogar ein bisschen skeptisch ob des Systems und dem Spiel selber, aber diese Skepsis legte sich unheimlich schnell. Wenige Minuten in das erst Abenteuer eingetaucht, war jeder von uns ganz gefesselt dabei und jede neue Erweiterung wird mit großer Spannung erwartet.
Bisher haben wir das Grundspiel und die ersten beiden Erweiterungen durchgespielt. Mein Favorit ist bisher die Drachen-Prophezeiung.
Mir ist durchaus bewusst, dass der Test positiv ausfällt, dennoch möchte ich gerne zu den Kritikpunkten etwas los werden.
Der Kritik an dem Geschäftsmodell kann ich nicht zustimmen, auch wenn es mich zu Beginn auch stutzig machte, was aber primär wohl daran lag, dass es so etwas bisher noch nicht in dieser Form in der Brettspielewelt gab. Wenn man mit vier Erwachsenen ins Kino geht, bezahlt man bei vier Erwachsenen für ca. 2h Unterhaltung deutlich mehr, als die 25? pro Modul und dazu ist man auch noch länger damit beschäftigt. Abhängig davon, welches Modul man spielt und wie zielorientiert die Gruppe agiert beträgt die Spieldauer 3-6h. Für mich stimmt das Preis-/Leistungsverhältnis, aber das muss jeder natürlich für sich entscheiden.
Das der Wiederspielwert einzelner Module nahe Null liegt sehe ich ähnlich, aber das ist für mich kein Problem. Bei einem Eurogame ist der Wiederspielwert natürlich ein wichtiger Faktor, aber bei diesem Spiel geht dieses Kriterium am eigentlichen Konzept komplett vorbei, was eine Bewertung in dieser Hinsicht wenig Sinn macht.
Das hier die übergeordnete Dramaturgie bemängelt wird oder Gegenspieler bzw. -organisionen fehlen kann ich nicht ganz nachvollziehen. Klar in der ersten Story gibt es nur sehr spärlich gestreute Hinweise, dass es um mehr als nur dieses Teil geht, aber sie sind da. Das zweite Modul ist in dieser Hinsicht auch noch sehr vage,...
schrieb am