Gefährliche Nähe
Da sich der VR-Bildschirm so nah vorm Auge befindet, kann es am Rande schneller zu Problemen kommen als auf Fernsehern und Monitoren, die meist einen deutlich kleineren Bereich der Sehzellen abdecken. Es kann also sinnvoll sein, das Sichtfeld von vornherein zu beschränken, statt die Konfiguration wie in einem Shooter dem Spieler zu überlassen. Ideal sind demnach schmale 30 Grad. Ein Trick sind künstliche Begrenzungen, die den Bereich einrahmen, z.B. die Ränder eines Cockpits. Das Horror-Spiel
Chair in a Room löst das Problem etwas kreativer: Man beleuchtet seine Umgebung nur mit dem schmalen Kegel einer Taschenlampe – der Großteil des Bildes bleibt dunkel.
Intel
forscht übrigens in einem ähnlichen Gebiet, um die Darstellung von Spielen etwas weniger hardwarehungrig zu machen. Bei einem Messdurchgang wird zunächst der maximale Radius ermittelt, in dem die beiden Augen die Grafik wahrnehmen: Die nicht sichtbaren Pixel daneben werden einfach nicht mehr berechnet, um die Grafikkarte zu entlasten. Ein zweiter, an Astigmatismus angelehnter Ansatz macht sich die Unschärfe der Linsen zunutze, die in HMDs verbaut werden. Intels Daniel Pohl erklärt:
Ein paar Entwickler-Tricks gegen Übelkeit in VR:
- Level-Design auf kurze Sessions, Checkpoints und Pausen abstimmen
- an die Vor- und Nachteile des jeweiligen Headsets denken (z.B. Refresh-Rate)
- vertikale Synchronisation und eine stets flüssige Bildrate
- Blitzlichter & Motion-Blur vermeiden, da beides mit Bewegung assoziiert wird
- Effekte allgemein sehr sparsam und behutsam einsetzen
- kein Kamerawackeln bei Schritten oder Treppenstufen
- Rückwärtslaufen und "Strafen" vermeiden, da es im echten Leben fast nie genutzt wird
- große Waffen beim Gehen nicht im Blickfeld umher schwenken
- Sprünge vermeiden, denn dadurch konnte das Headset wackeln
- ein stabiler Fokuspunkt gibt Sicherheit, z.B. Fadenkreuze oder Drahtgitter am Rand
- neue Bewegungs-Arten entwickeln, die nicht mit Erwartungen kollidieren (z.B. Teleportation)
- möglichst große Testspieler-Gruppen, damit anfällige Personen darunter sind
- Erkenntnisse mit anderen Entwicklern teilen, um Standards zu entwickeln
„Die HMD-Linse selbst zeigt beim Durchschauen in der Mitte das Bild klar und scharf. Je mehr man von der Mitte abweicht (z.B. Augen nach oben drehen), umso unschärfer wird es. Dieses Verhalten mappen wir aufs Anti-Aliasing. In der Mitte rendern wir mit sehr hohem Anti-Aliasing, am Rand, wo es eh unscharf ist, dann mit niedrigem bzw. keinem AA.“
Die Macht des Augen-Trackings
Noch stärker auf die Augenbewegungen konzentriert sich das
Projekt FOVE: Das Headset erweitert den Ausflug in die virtuelle Realität um ein „Eyeball-Tracking“. Alle acht Millisekunden ermittelt laut den Entwicklern ein Infrarotscanner die Bewegungen der Pupille bei einem Qualitätsverlust von nur 0,2 Grad. Neben der normalen Erkennung der Kopfbewegung registrieren die Scanner die Lichtreflektion der Infrarotstrahlen auf der Retina, um daraufhin den Blickwinkel zu errechnen. Die Software soll sogar zwischen dem Fokus auf der unmittelbaren Nähe und dem Blick in die Ferne unterscheiden können – was in Zusammenhang mit einem Unschärfeeffekt eine evidente Minderung der Simulatorkrankheit bedeuten könnte. Auch das bloße Blinzeln könnte das Bedienen der Menüs per Controller überflüssig machen. Neben der Anwendung im Gaming-Bereich zielen die Entwickler auf den medizinischen Sektor: Schon jetzt konnten behinderte Menschen mit Pupillenbewegungen Handlungen ausführen, wie z.B. ohne Hände ein Klavier spielen. Auch in Horror-Spielen könnten schon kleine Blinzler auf dem FOVE-Headset für fiese Schockmomente genutzt werden: Kaum hat man die Augen kurz geschlossen und wieder geöffnet, steht plötzlich ein Monster direkt vor einem.
Sogar das Time-Magazine machte die VR zum Thema - das Titelblatt sorgte allerdings für massenhaft alberne Bildmontagen. Doch selbst wenn der Spieler - wie hier Palmer Luckey - völlig in der virtuellen Welt versinkt, kann das zu Problemen beim Spieldesign führen. Wer seine Aufmerksamkeit gebannt einer Sache widmet, übersieht leichter wichtige Rätsel-Hinweise als in klassischen Adventures.
Außerdem kann man dann den Blick nicht mehr wirklich abwenden, falls Geister schnell auf die Pupillenbewegung reagieren.
Der offizielle Kickstarter-Trailer gibt einen Vorgeschmack auf solch perfide Horror-Tricks.
Psychologische Kniffe
Die Macht der Psyche darf man auch in anderen Bereichen nicht unterschätzen: Der Großteil der Entwickler ist sich z.B. noch nicht einig, wie ausführlich die Warnhinweise vor einem Spiel ausfallen sollen. Sie können nämlich durch den Placebo-Effekt (bzw. Nocebo, wie es im negativen Fall korrekt heißt) das ungute Gefühl massiv verstärken. Andererseits können sie natürlich auch helfen, wenn man den Spielern z.B. Tipps für Optionen & Co. gibt. Abgesehen vom Sichtfeld sollte es laut Lewis-Evans nämlich möglichst viele Einstellungsmöglichkeiten geben, damit individuelle Eigenheiten der Spieler berücksichtigt werden können. Viele Vorgaben finden sich übrigens bereits in den Entwickler-Dokumentationen zu den Headsets.