Hitman: Contracts12.08.2004, Marcel Kleffmann
Hitman: Contracts

Special:

Wer steckt eigentlich hinter der genialen Musik-Untermalung in den Hitman-Teilen? Sein Name ist Jesper Kyd und er stand uns höchstpersönlich in einem Interview Rede und Antwort. Sowohl zu seinen Soundtracks, als auch zur generellen Musik-Thematik in Spielen, konnten wir den Komponisten befragen.

4Players: Kannst du dich bitte zunächst einmal kurz vorstellen?

Jesper Kyd: Hi, ich heiße Jesper Kyd und bin der Komponist der folgenden Soundtracks: Hitman: Contracts (ab 1,60€ bei GP_logo_black_rgb kaufen), Hitman 2: Silent Assassin, "indizierter Hitman-Teil", Freedom Fighters, Brute Force und Messiah. Außerdem mache ich ebenfalls Musik für die Film-Industrie wie z.B. für "Night All Day” (Film-Website ), bei dem der vielfach ausgezeichnete deutsche Regisseur Basil Schlegel Regie geführt hat. In weiteren Rollen sind Ilia Volok (Air Force One, U-Turn, Swordfish) und George Tasudis (Metropolis, City Of Angels, The West Wing) zu sehen.

4P: Wie bist du Komponist speziell für Game-Music geworden? Hat die Amiga Demo-Szene, in der du damals tätig warst, dich beeinflusst und schließlich zur Gründung von Jesper Kyd Productions geführt?

JK: Die Amiga-Demo-Szene hat mich natürlich irgendwie geprägt. Nach dieser Zeit wollte ich weiterhin kreative und zugleich experimentelle Musik  produzieren und als einzig vernünftigen "free form music" Absatzmarkt gibt es nur die Spiele-Soundtracks. Außerdem habe ich es schon immer geliebt, Computerspiele zu zocken - seit meinem allerersten Rechner. Mein Verständnis und meine Wertschätzung von der Spiele-Entwicklung und der Musik-Produktion haben es mir letztendlich erlaubt, die Demo-Szene zu betreten und später dafür gesorgt, dass ich jetzt Musik für interaktive Medien produziere.

Jesper Kyd bei der Arbeit.

4P: Zockst du häufig selbst und würdest  du sagen, Hintergrundmusik ist essentiell wichtig für eine intensive, packende Atmosphäre im Spiel?

JK: Ich spiele regelmäßig auf PC und ebenfalls auf Konsolen. Es ist nämlich sehr wichtig, dass ein Komponist mit voller Leidenschaft für das aktuelle Projekt arbeitet, egal ob es ein Spiel oder ein Film ist. Ohne die richtige Leidenschaft bzw. das richtige Einfühlungsvermögen in die Thematik würde die Musik schnell seelenlos oder gar "über-produziert" klingen.

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Meiner Auffassung nach intensiviert ein qualitativ gut gemachter Soundtrack enorm die Atmosphäre in der Spielwelt – insbesondere, wenn die Musik auf einem intelligenten und durchdachten Weg in das Spiel eingebaut wird. Mit einem vorhersehbaren, mittelmäßigen oder gewöhnlichen Soundtrack kann selbst in einem Mega-Blockbuster-Spiel kein Blumentopf gewonnen werden. Solch eine durchschnittliche Musik-Untermalung würde es gerade schaffen, die Atmosphäre leicht zu unterstützen, aber echte Emotionen wird so ein Soundtrack definitiv nicht wecken.

4P: Woher nimmst du die Inspiration für die Soundtracks? Was beeinflusst deine Arbeit am Stärksten?

JK: Es gibt viele Elemente, die einem Komponisten inspirieren können. Zunächst einmal, ob das Spiel an sich einzigartig ist. Denn bei solch einem Spiel hat man stets das Gefühl etwas Besonderes oder Großes mit der Musikuntermalung zu erreichen. Vor allem der Stil der Musik und die Art der Implementierung können die Stimmung enorm beeinflussen. Also beginne ich meistens mit unkonventionellen und untraditionellen Ideen und fange an zu experimentieren. Außerdem beeinflussen natürlich auch die Story sowie das Szenario die individuelle Musikgestaltung.

Weitere Eindrücke stammen natürlich aus Film-Soundtracks oder aus den verschiedenen Musik-Genres. Ich höre mit eigentlich alles an, von moderner Musik, über Klassik, bis hin zu Dance.

4P: Wann im Laufe der Hitman: Contracts Entwicklung wurdest du mit einbezogen? Wie funktionierte die Koordination mit den Entwicklern? Hattest du direkten Einfluss auf das Spiel-Design?

JK: Ich sprach allumfassend mit den Game-Designern über meine Ideen der musikalischen Gestaltung, besonders in der Anfangsphase, in der der Musik-Stil und die grundlegende Atmosphäre festgelegt werden. In dieser Phase ist es sehr wichtig, regelmäßig und eng mit den Entwicklern zusammenzuarbeiten, um einen genauen Aktions-Plan festzulegen. 

Cover des Hitman: Contracts Soundtracks. 

4P: Ist es eine besondere Herausforderung, die Musik für ein nicht lineares Spiel zu komponieren (Hitman 2: Silent Assassin und Hitman: Contracts)?  Schließlich kann der Spieler ja selbst entscheiden was er wann, wo und wie tun möchte. Einen linearen Ansatz gibt es ja nicht.

JK: Solch ein Game-Score ist wesentlich schwerer zu komponieren, als eine generische Sound-Abfolge für ein lineares Spiel. Deswegen schwächeln in diesem Bereich auch so viele Scores und leiden an Einfallslosigkeit sowie Vorhersehbarkeit. Es gibt so viele Dinge, die ein Komponist falsch machen kann, da ist es wesentlich einfacher, sich eine Hintertür offen zu lassen und Musik-Elemente zu verwenden, die der Spieler überhaupt nicht erwartet. Also etwas Experimentelles oder etwas auf dem neuesten Stand.

In der Hitman-Serie gibt es viele Herausforderungen aus der Sichtweise des Machers. So muss der Komponist direkt in das Spiel eintauchen und die Musik am besten aus der Perspektive des Spielers produzieren. Also heißt es anspielen, Musik machen und ausprobieren. Außerdem kann man nur so herausfinden, welche Möglichkeiten der Spieler im Gameplay hat und kann schlussendlich all diese Einflüsse mit in Betracht ziehen.

Download: Hitman 2 Silent Assassin: Samples (7,43 MB)

Download: Hitman Contracts: Samples (4,03 MB)

4P: Geben Publisher oder Entwickler oftmals spezielle Richtungen bezüglich der Musik vor?

JK: Natürlich gibt es bestimmte Richtlinien, aber in der Regel wird dem Komponisten nicht die kreative Freiheit genommen. Mir ist es noch nie passiert, dass ich mir ein Spiel angeschaut und anschließend einen falschen Musik-Typ vorgeschlagen habe, der nicht zur Atmosphäre gepasst hat. Es ist hauptsächlich eine Gefühlsentscheidung...

Für die Hitman-Spiele habe ich besonders viel Freiraum bekommen, besonders beim ersten und dritten Teil. In Hitman 2: Silent Assassin musste die Musik der Geschichte folgen, so habe ich hauptsächlich Instrumente und Melodien eingesetzt, die zu den einzelnen Schauplätzen auf der Welt passten. So musste ich hier mehr einer Richtlinie folgen, als bei den anderen Teilen.

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4P: Welchen Musik-Stil hast du für Hitman: Contracts gewählt? Was waren die größten Herausforderungen, um die Musik für das Spiel zu kreieren?

JK: Hitman: Contracts ist der düsterste Teil in der Hitman-Serie. Es ist schwer möglich die Musik an sich zu beschreiben, aber der größte Teil des Soundtracks ist dominiert von einem Nachtclub ähnlichen Ambiente, lediglich ohne die Dominanz von Dance-Musik. Die Herausforderung bei diesem Score war es, die Musik mit vielen kleinen Melodien anzureichern und ihn so unterhaltsam zu machen, während die Musik gleichzeitig provozierend, angsteinflößend und unvorhersehbar ist. Außerdem habe ich seltsame Percussions und ungewöhnliche Beat-Kombinationen mit einbaut. In einigen Tracks kommt auch der "Hungarian Radio Choir" zu Wort.

Auch der Brute Force Soundtrack stammt von Jesper Kyd.

4P: Wie lange hat es gedauert, bis der Hitman: Contracts-Sound fertig war?

JK: Es hat knapp drei bis vier Monate gedauert, bis ich die Musik fertig geschrieben hatte. Danach habe ich den Score in das Spiel eingebaut und die Musik für die Hitman: Contracts TV- und Kino-Werbesports geschrieben. Der Kino-Trailer lief übrigens vor Kill Bill Vol. II in den europäischen Kinos. Anschließend habe ich die Hitman: Contracts Original Soundtrack CD fertig gemixt.

4P: Wie lang ist der Soundtrack für Hitman: Contracts in Beziehung zur Spielzeit?

JK: Ich habe rund 90 Minuten an Score-Musik für Hitman: Contracts geschrieben. Die Musik wechselt interaktiv, wenn der Spieler mit der Welt interagiert. Daher hängt alles davon ab, wann ihr was, wo und wie tut.

4P: Woher weißt du, wann Musik nötig ist oder nicht? Wann bringt Stille mehr Spannung? Wann wird Musik benötigt?

JK: Hierfür gibt es keine Regeln. Manchmal ist es besser, Spannung mit Musik aufzubauen und manchmal ist es halt sinnvoller, die Untermalung wegzulassen, bevor etwas Gruseliges oder Schockierendes passiert. An anderen Stellen kann ein gewisses Kino-Feeling erzeugt werden, wenn die Musik für kurze Zeit unterbrochen wird und kurz darauf wieder einsetzt. Probieren geht über Studieren in diesem Bereich. Oft ist es am Sinnvollsten, auszuprobieren ob Musik nötig ist oder nicht.

4P: Gibt es einen Unterschied, wenn du Musik für Konsolen-Spiele entwickelst (PS2, Xbox, GC)?

JK: Von der technischen Seite gibt es natürlich bestimmte Grenzen in Bezug auf die Surround-Fähigkeiten, die sich bei jeder Konsole unterscheiden. Normalerweise endet die Musik-Produktion mit dem Schritt, dass ich Wave-Dateien für die einzelnen Konsolen fertig mache. Allerdings muss ich mit diesen Limitierungen leben und mir deswegen Gedanken machen, wie die einzelnen Stücke ineinander gemixt werden können, damit die Musik im Gameplay so fließend wie möglich wirkt.

Der Freedom Fighters Soundtrack überzeugt mit einer sehr gewagten Musik-Mischung.

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4P: In Freedom Fighters hast du dich für einen sehr interessanten und alternativen Mix aus elektronischer Musik, Chor-Gesang und klassischer Musik entscheiden. Wie hat der Publisher auf diese mutige Mixtur reagiert? Und wie bist du auf die Idee gekommen?

JK: Die Entwickler haben mir komplette Freiheit zur Score-Entwicklung gegeben und mir sogar die Aufgabe gestellt, etwas ganz Außergewöhnliches zu komponieren. Bei dem Szenario, eine russische Supermacht überrennt ganz Manhattan, würde also russischer Gesang gut passen und daher hab ich den auch eingebaut. Außerdem hab ich den Chor benutzt, um die heroischen Elemente in der Story weiter in den Vordergrund zu spielen, beispielsweise in den TV-Nachrichten oder wenn etwas besonders Aussagekräftiges passiert.

Die elektronischen Musik-Elemente bringen wesentlich mehr Leben in den Soundtrack und machen ihn so treibend, damit die Action gut untermalt ist. Elektronische Musik passt so gut wie immer zu einem alternativen Zukunftsszenario.

Download: Freedom Fighters: Main Title (6,75 MB)

4P: Was können wir in Zukunft erwarten?

JK: Während des Games Convention Eröffnungskonzertes wird eine "Hitman Orchestral Suite" gespielt. Außerdem arbeite ich bereits an neuen Film- und Spiele-Projekten, zu denen ich noch nichts Genaueres verraten kann. Sorry! Stay tuned.

Herzlichen Dank für das Interview!

 
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