51st State: Master Set19.04.2017, Jörg Luibl
51st State: Master Set

Special: Punks, Mutanten & Händler

51st State: Master Set ist eine überarbeitete Neuauflage des gleichnamigen Spiels von Portal Games aus dem Jahr 2010. Die kompetitive Kartentaktik von Ignacy Trzewiczek erinnert an sein erfolgreiches Imperial Settlers und entführt einen bis vier Spieler in eine amerikanische Endzeitwelt. Dabei gilt es eine mehrstöckige Basis aufzubauen, clever zu handeln und die Konkurrenz zu plündern.

Handeln, bauen, plündern

Es reicht! Schon wieder hat die Mutanten-Union drei Siegpunkte eingeheimst, weil sie in ihrem Waffenladen getauscht haben. Wieso haben die so viele Pistolen? Egal. Jetzt haben sie jedenfalls einen satten Vorsprung und brauchen nur noch sechs weitere bis zum finalen Ziel von 25 Punkten. Also schicke ich meine Punks zum Plündern los: Fünf davon lege ich in Form von roten Plättchen auf den Tisch, um den Laden endlich in eine Ruine zu verwandeln und mit fetter Beute heimzukehren - drei Waffen sowie ein Siegpunkt. Immerhin. Weil es kein Kampfsystem gibt, ist die Sache sofort ohne Würfelei erledigt.

Das dreistöckige Hauptquartier der Händlergilde sieht hier noch ganz gut aus.

Aber reicht dieser Angriff? Die Mutanten haben ja noch einige andere Produktionen, Fähigkeiten und Aktionen ausliegen, außerdem können sie einfach was Neues bauen. Und wenn sie auf der Ruine etwas Passendes errichten, kriegen sie einen weiteren Siegpunkt! Vielleicht hätte ich schon früher aggressiver spielen müssen? Ein Blick auf die vielen Ruinen in meiner Heimat offenbart schonungslos, dass die anderen Spieler etwas schneller auf diese Idee kamen. In jeder meiner drei Etagen des Hauptquartiers wurde mittlerweile etwas zerstört. Das ist auch deshalb blöd, weil am Ende jedes intakte Gebäude einen Siegpunkt bringt.

Deals, Bauprojekte und Plünderungen

Okay, ich habe eben die Händlergilde als Fraktion gewählt und versucht über

51st State: Master Set ist für einen bis vier Spieler ausgelegt und komplett auf Deutsch für knapp 40 Euro bei Portal Games erschienen.

möglichst viele "Deals" erfolgreich zu sein. Das hat mir zwar jede Runde viele Rohstoffe gebracht, aber irgendwie hab ich diese nicht clever genug eingesetzt - vor allem die grauen Bauarbeiter fehlten mir, um mich auf die Expansion zu konzentrieren. Außerdem habe ich vermehrt die "offenen Produktionen" der anderen Spieler genutzt, statt selbst zu produzieren. Das war bequem, aber vielleicht ein weiterer Fehler.

Ich versuche zwar in den folgenden Runden radikal nur noch Karten mit lila Siegpunktebonus auszulegen, aber das hilft nicht mehr; die Mutanten hatten einen zu großen Vorsprung und gewinnen auch über die Vielzahl ihrer Gebäude. Aber was soll's - die Dreiviertelstunde hat Spaß gemacht, ich will eine Revanche und werde diesmal anders spielen!

Das Schöne an 51st State ist sein Tempo und seine Vielfalt an Aktionen. Man kann ständig handeln, bauen, umwandeln oder plündern, ohne dass es zu langatmigen Passagen des Stillstandes kommt. Sehr gut gefällt mir auch die Sichtbarkeit sowie die mögliche Interaktion mit fremden Hauptquartieren. Verantwortlich für die hohe Dynamik des Spiels sind die vielfach einsetzbaren und ansehnlich illustrierten Karten, die meist universelle Orte darstellen: Auf ihnen erkennt man nicht nur, was man bauen und ernten oder an Fähigkeiten gewinnen, sondern auch was man plündern kann. Man darf also nicht nur gegnerische Gebäude, sondern zudem die "eigenen" Handkarten erobern, falls man so viele Schläger übrig hat. So hat man ständig etwas zu tun, immer viele Optionen und auch mit zwei Spielern entsteht ein knackiger Wettbewerb.

Vier Fraktionen mit leichten Unterschieden

Jeder Karte zeigt mit ihrer "Entfernung" an, wie viele Arbeiter man für den Bau, wie viele Händler man für einen Deal oder wie viele Schläger man für die Plünderung bräuchte.
Die vier Fraktionen unterscheiden sich nicht klar durch exklusive Kartensets, sondern lediglich marginal über veränderte Fähigkeiten, die einen bestimmten Spielstil allerdings sanft stärken - beim Tauschen von Pistolen erhalten die Mutanten z.B. drei statt zwei Punks, dafür können die Händler mehr Personal aus Treibstoff ziehen, während die Appalachische Föderation einen Baubonus bekommt etc. Die Spielmechanik ist sehr simpel: Um die Karten zu nutzen, setzt man je nach gewählter Aktion drei Arten von Personalplättchen ein (rote Schläger, blaue Händler, graue Ingenieure), wobei auf der Karte eine Distanz zu erkennen ist - je weiter weg ein Ort desto mehr Plättchen braucht man.

Dabei lohnt sich die clevere Verzahnung von Gebäuden, denn wenn sich ihre Symbole gleichen gibt es oftmals Bauboni in Form direkter Siegpunkte. Oder man bekommt den Luxus der Einlagerung, damit überschüssige Waren und Personal am Ende der eigenen Runde nicht vernichtet wird - was sehr schmerzhaft sein kann. Natürlich braucht man auch etwas Glück beim Kartenziehen, aber es entwickelt sich aufgrund der fehlenden festen Runden ein sehr offener und flotter Wettlauf, bis einer von bis zu vier Spielern beim Erreichen der 25 Punkte die letzten Aktionen einleitet.

Wer etwas Abwechslung sucht, kann diese über die zwei beiliegenden Kartensets hinein mischen. Neben den 88 Karten des normalen Sets sind jeweils 50 Karten "The New Era" sowie "Winter" dabei, die man getrennt oder zusammen integrieren kann; wobei man hier eher auf ein spürbares Thema statt alle Karten auf einmal setzen sollte. Es gibt übrigens auch eine angenehm durchdachte Variante für Solisten, die mit etwas anderem Aufbau gegen eine virtuelle Fraktion antreten können. Dieser imaginäre Gegner zieht und attackiert dann nach klar priorisierten Abläufen.

Was gefällt nicht so gut?

Schon 2010 entführte Ignacy Trzewiczek mit 51st State in die Endzeitwelt. Danach gelang dem Polen mit Robinson Crusoe (2012) ein Geheimtipp für Survival-Fans und spätestens mit Imperial Settlers (2014) auch ein internationaler Erfolg.
Dass sich die Fraktionen nur leicht unterschieden ist zwar schade, aber kommt natürlich der Balance zugute. Allerdings vermisse ich in der Endabrechnung neben dem Fokus auf gebaute Gebäude noch eine weitere Alternative, die andere Spielstile belohnen würde - so wirkt das etwas einseitig. Außerdem sind die Möglichkeiten für den Bau sowie kumulative Boni hier natürlich weitaus überschaubarer als etwa im komplexeren Terraforming Mars und lange nicht so clever verzahnt wie im preisgekrönten 7 Wonders. Etwas überflüssig wirken zudem die Polizei-Plättchen, von denen man lediglich eines als zusätzlichen Schutz auf seine Gebäude platzieren kann. Und wer mit "Imperial Settlers" vom selben Autoren zufrieden ist, bekommt hier "nur" eine Variante mit ähnlicher Mechanik.

Fazit

Das 51st State: Master Set inszeniert sehr flotte Kartentaktik mit Basisbau in einem Endzeitszenario. Wer weniger eine komplexe epische, sondern eine schnelle Herausforderung für bis zu vier Spieler mit klarem Ziel sucht, wird hier gut unterhalten, zumal der Wettlauf um Siegpunkte auch zu zweit Laune macht. Man erntet, handelt, baut und plündert unkompliziert, wobei der vielfältige Einsatz der Karten heraussticht - so gibt es nahezu keine Sackgassen, dafür viele mögliche Aktionen. Das Regelwerk wurde gegenüber dem Original aus dem Jahr 2010 an den richtigen Stellen angepasst, so dass sich das Ganze balancierter und spannender anfühlt. Zwar wird man immer noch an Imperial Settlers erinnert, das ja ebenfalls von Ignacy Trzewiczek konzipiert wurde, aber der Spielrhythmus ist hier offener und kompetitiver, zumal man auch aggressiver sein kann. Oder anders: 51st State ist die böse mutierte Turbovariante der etwas familienfreundlicheren Siedler.

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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