Brettspiel-Test: Lyngk (Abstrakte Strategie)

von Jörg Luibl



Lyngk (Brettspiel) von Huch & Friends
Farbentaktik im Gitternetz
Entwickler:
Publisher: Huch & Friends
Release:
25.01.2017
Spielinfo Bilder  
Kennt ihr das GIPF-Projekt? Nein, das ist weder ein esoterischer Lesezirkel noch eine futuristische Künstlergruppe, Dahinter verbergen sich sechs Legetaktikspiele von Kris Burm, die alle einem abstrakten Leitmotiv folgen, für zwei Spieler ausgelegt sind und komische Namen wie ZÈRTZ oder TZAAR tragen. Das unserer Meinung nach beste aus der Reihe haben wir bereits vorgestellt: YINSH. Kürzlich ist bei Huch & Friends ein siebtes erschienen, das sich als kreative Zusammenfassung versteht . Was hat LYNGK zu bieten?

Das bunte Gitternetz

Zwischen beiden Spielern liegt ein schwarzes Netz. Auf die 43 Knotenpunkte werden ganz zufällig Steine in fünf Farben sowie drei schwarzweiße Joker platziert, die jede Farbe repräsentieren. So ergibt sich bei jedem Start ein anderes buntes Gitternetz mit blauen, schwarzen, grünen, roten und beigen Steinen. An der Seite des Spielplans liegt stellvertretend für jede der Farben jeweils ein Stein. Das Material fühlt sich in der Tradition der Reihe hochwertig an und alles ist schnell aufgebaut. Ziel ist es, am Ende die meisten fünfstöckigen Stapel mit der eigenen Farbe an der Spitze zu besitzen.

LYNGK ist komplett auf Deutsch bei Huch % Friends erschienen und kostet etwa
LYNGK ist komplett auf Deutsch bei Huch % Friends erschienen und kostet etwa 25 Euro.
Das Besondere am Einstieg von LYNGK ist, dass niemand vorab eine Farbe zugeteilt bekommt, sondern dass man sich während der ersten Spielzüge entscheiden kann, welche man wählt. Dabei darf man pro Zug eine wählen und später maximal zwei Farben besitzen, so dass immer eine neutrale fünfte zurückbleibt. Im ersten Spiel mag das noch seltsam anmuten, aber daraus ergibt sich eine spannende Eröffnungsphase: Man muss zum einen die Lage der Farben auf dem Spielplan einschätzen, zum anderen abwarten, was der andere macht und selbst clever reagieren.

Wer nimmt wann welche Farbe?

Die Steine fühlen sich angenehm schwer an und auch der Spielplan ist robust.
Die Steine fühlen sich angenehm schwer an und auch der Spielplan ist robust. Dieser Fünferstapel gehört als Siegpunkt dem Spieler mit der roten Farbe.
Denn erst im Moment der Übernahme einer Farbe kommen ganz andere Zugaktionen hinzu! Vorher gelten alle als neutral und man darf lediglich einen Stein (oder später einen kompletten Stapel) um ein Feld oder mehrere gleicher Farbe oder alle freie Knotenpunkte in gerader Linie bewegen, bis man auf einem anderen Stein landet. Man springt also zu Beginn mit irgendeinem Stein auf einen anderen Stein und bildet so einen ersten Stapel, wobei dieser maximal fünf unterschiedliche Steine hoch sein darf und der oberste mit seiner Farbe den aktuellen Besitzer symbolisiert.

Jetzt kommt der taktische Clou, der die Entscheidung für die eigenen beiden Farben so wichtig macht: Neutrale Steine dürfen jederzeit von allen bewegt, aber nur auf gleich hohe oder niedrigere Stapel springen. Eigene Steine dürfen dagegen nur vom Besitzer selbst gezogen werden und auch auf höhere Stapel springen, was sie sehr mächtig macht. So entsteht zu Beginn zunächst ein angenehmes Belauern, wenn es um das Momentum der Wahl geht. Welche Farbe lohnt sich am ehesten? Wobei sich die strategische Lage auf dem Spielplan ja schon mit jedem Zug ändert, so dass man in angenehmes Grübeln gerät.

Die Macht des Fünferstapels

Das bunte Gitternetz wird bei jedem Spielstart zufällig zusammengesetzt.
Das bunte Gitternetz wird bei jedem Spielstart zufällig zusammengesetzt.
Aber sobald man sich entschieden hat, geht es ans Eingemachte: Denn man gewinnt ja nur über Stapel mit der eigenen Farbe an der Spitze. Wie bekommt man das hin, ohne dass einem der Gegner zuvorkommt? Erst wenn man mit seinem Stein auf einen Stapel aus vier Steinen springt und ihn somit finalisiert, darf man ihn vom Feld nehmen und als Siegpunkt in seinen Bereich schieben. Trotzdem lohnt es sich, auch auf einen Zweier oder Dreier zu springen, weil man ihn ja nur dann bewegen kann und für den Gegner quasi tabuisiert - doch hier ist Vorsicht geboten.

Denn jetzt ergänzen die entstandenen Lücken die strategische Überlegungen: Das Gitternet wird ja immer freier und damit ergeben sich auch Züge über weitere Distanz, so dass der eigene Dreier und vor allem der Vierer angreifbar wird, wenn es eine freie Linie aus Knotenpunkten gibt. Man muss also darauf achten, dass man diese vermeidet oder geschickt blockiert, indem man neutrale Steine als Deckung einsetzt. Es kann auch helfen, potenzielle Siegpunkte für den Gegner mit neutralen Stapeln zu vernichten - hat ein Stapel eine neutrale Farbe an der Spitze, bleibt er als Hindernis auf dem Feld. Und selbst wenn es komplex aussieht oder vielleicht klingt: Die Spielmechanik ist eher so flott wie im Klassiker Dame und weit weg von der Grübeltaktik eines Schach oder Go.

Was gefällt nicht so gut?

Vielleicht, dass die spezielle LYNGK-Regel sich nicht wirklich entscheidend auswirkt. Was heißt das? Oben hatte ich erwähnt, dass man einen Stein in seinem Zug auch "um ein Feld oder mehrere gleicher Farbe oder alle freie Knotenpunkte in gerader Linie bewegen" kann. In der kursiven Mitte steckt die spezielle Regel, dass man mit einem grünen Stein quasi zwei, drei oder mehr andere verbundene grüne Steine als Sprungplattformen nutzen kann - auch im Zickzack. Klingt eigentlich cool als Bewegung, aber konnte in unseren Partien zu selten effizient eingesetzt werden.

Fazit

LYNGK ist ein richtig gutes Legetaktikspiel für zwei Personen, das schnell verstanden und sehr flott in einer viertel bis halben Stunde gespielt werden kann. Mir gefällt vor allem die offene Eröffnungsphase sowie das daraus resultierende Vabanquespiel um die Frage der eigenen Spielfarben, bevor die versuchte Eroberung der Fünferstapel zu einem Springen, Blockieren und Taktieren führt. Es geht angenehm flexibel und spannend zur Sache, zumal sich das Spielfeld dynamisch ändert. Zwar gefällt mir YINSH noch besser und die spezielle LYNGK-Regel geht etwas unter, aber dieses siebte Spiel des GIPF-Projektes fügt sich mit einigen stilistischen und mechanischen Déjà-vus souverän in die Reihe von Kris Burm ein. Lasst euch von den komischen Namen und dem Begriff "abstrakte" Strategie nicht abschrecken: Wer mal etwas anderes als das klassische Dame spielen will, wird hier auf kreative Art unterhalten. Falls ihr richtig geniale Legetaktik für zwei sucht, die man im Sommer auch überall mitnehmen kann, empfehle ich Hive aus unserer Top 20.


Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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Kommentare

midorimono schrieb am
Lyngk sieht auch nicht schlecht aus, von Yinsh bin ich aber schon lange ein großer Fan, vor allem aus zwei Gründen. Einerseits ist es auf einem hohen Niveau besonders spannend, was mir als fortgeschrittener Go-Spieler sehr wichtig ist, andererseits fühlt es sich wie eine Kombination verschiedener Klassiker der abstrakten Strategiespiele an, konkret wie eine Mischung aus Gomoku, Reversi und Mühle. Das GIPF-Projekt ist eine coole Sache.
nawarI schrieb am
Die Gipf-Reihe ist zumindest teilweise ja jetzt bei Huch & Friends erschienen - jetzt zu annehmbaren Preisen. Find ich gut. Als der Bericht zu Yinsh erschienen ist, hat Yinsh teils 90? gekostet. Dann doch lieber einfach nachbasteln.
Ansich klingt das Spiel nicht schlecht, aber ich hab schon vor Jahren Hive gekauft. Werd erstmal ein bisschen dort bleiben.
Was Brettspiele angeht, bin ich leider auch noch das stromlose Pedant zu einer Grafikhure. Bissal nett aussehen soll das Spiel dann doch. Ich hab auch gerne ein Thema zum Nachspielen - ist einfacher sich dann da reinzuversetzen.
"Du bist ein Bandit und möchtest im Wilden Westen einen Zug ausrauben - und guck mal wie toll dieser Zug aussieht!" klingt halt doch etwas interessanter als "Für einen 5-er-Turm bekommst du Punkte."
Sephiroth1982 schrieb am
Ich schätze heutzutage MUSS man schon Buchstabensuppen-Titel nutzen um eventuellem Ärger aus dem Weg zu gehen, in der Spielbranche.
Frater Baphomet schrieb am
Tatsächlich bin ich damals durch Euren Test von YINSH auf die Gipf-Projekt-Reihe aufmerksam geworden, und mittlerweile besitze ich alle sieben Spiele. Die bei diesen Taktik-Spielen aufkommende Hochspannung ist kaum in Worte zu fassen. Moderne Klassiker. Vielen Dank für den Test!
Raskir schrieb am
Hört sich nett an. Aber ich bleibe wohl was das angeht lieber bei Schach oder go :) aber ich schau mir nachher noch den Test zu dem von dir verlinkten Spiel an
schrieb am