Special: Überzeugt Alicia Vikander als Lara Croft?
Dicht an der Vorlage
Gute Verfilmungen von Videospielen sind rar gesät. Denn oft werden lediglich Figuren und grobe Eckpunkte aus den Vorlagen aufgegriffen, um sie in eine eigenständige Geschichte einzubetten, die mit dem eigentlichen Spiel nur noch wenige Gemeinsamkeiten aufweist. So erging es u.a. Resident Evil, Need for Speed, Far Cry oder den ersten beiden gescheiterten Versuchen, Tomb-Raider auch in Hollywood zum großen Durchbruch zu verhelfen.
Das ist hier anders: Die beiden Autoren Evan Daugherty und Geneva Robertson-Dworet halten sich eng an das Story-Fundament, das Crystal Dynamics zusammen mit Rhianna Pratchett für den Neustart der Spielereihe aufgebaut haben. Daher steht die Suche nach der sagenumwobenen Insel Yamatai sowie der japanischen Sonnenkönigin Himiko auch bei der Verfilmung im Mittelpunkt. Das Drehbuch wurde zwar auf der einen Seite vor allem hinsichtlich der Figuren deutlich entschlackt, auf der anderen Seite aber auch um einige Facetten erweitert. So lernt man schon beim Einstieg in den Film eine Seite von Lara kennen, die im Spiel nicht beleuchtet wurde: Weil sie den Tod ihres verschollenen Vaters nicht akzeptieren und trotz der Aussicht auf eine üppige Erbschaft lieber auf eigenen Beinen stehen will, hält sie sich als Fahrrad-Kurierin in London über Wasser und mit schmerzhaften Sparring-Einheiten beim Kickboxen fit. Es ist schön, dass sich der Einstieg zunächst auf
Dem Vater auf der Spur
Die Lösung eines typischen Tomb-Raider-Rätsels führt Lara schon bald auf die Spur ihres vermissten Vaters und dessen Nachforschungen. Anstatt den väterlichen Aufforderung per Video-Nachricht zu folgen und sämtliches Material zu vernichten, macht sie sich stattdessen über einen Zwischenstopp in Hong Kong auf den Weg zur mysteriösen Insel. Kennern der Vorlage wird auffallen, dass man die Anzahl an Figuren deutlich reduziert hat: Hier gibt es keinen Dr. James Whitman mehr, der im Spiel noch als Archäologie-Mentor für die aufstrebende Abenteurerin fungierte. Auch für Laras beste Freundin Samantha Nishimura oder die mehrköpfige Schiffscrew war in der Verfilmung kein Platz mehr. Stattdessen wurde mit dem trinkfesten Kapitän Lu Ren (Daniel Wu) ein neuer Charakter eingeführt und auch Lord Richard Croft (Dominic West) kommt abseits mancher Rückblicke zur Illustrierung des besonderen Verhältnisses zwischen Vater und Tochter eine deutlich größere Rolle zu. Darüber hinaus hat man sich auch für leichte Story-Anleihen beim Spiel-Nachfolger Rise of the Tomb Raider bedient: Sowohl die geheimnisvolle Organisation Trinity als auch eine bestimmte Figur werden im Film bereits aufgegriffen. Wer mit der Handlung des letzten Spiels vertraut ist, dürfte die Wendung am Ende daher nicht als eine große Überraschung, sondern eher als Brücke für eine mögliche Kino-Fortsetzung empfinden.
Das Spiel als Film
Eine gute Mischung
Selbstverständlich hat man sich auch von anderen Werken inspirieren lassen: Es gibt den einen oder anderen Indiana-Jones-Gedächtnis-Moment, in dem man z.B. innerlich schon vom Kinositz aufspringen und JEHOVA in den Saal schreien will. Klar: Die recht seichte Geschichte und Handlung sind nicht oscarverdächtig, doch gelingt dem Film trotz inflationären Verfolgungs- und Fluchtsequenzen eine gute Mischung aus wuchtiger Action, Abenteuer-Flair und ruhigeren Momenten. Einen großen Anteil daran hat sicher Alicia Vikander, die mit ihrem wohl trainierten Körper nicht nur optisch eine gute Figur in der Rolle abgibt, sondern sowohl die besondere Beziehung zu ihrem viel beschäftigten Vater als auch emotionale Momente wie ihren ersten Totschlag bei Notwehr überzeugend rüberbringt. Letzteres führte bei der Betrachtung des Spiels noch zu kontroversen Diskussionen, weil der Bruch zwischen der verängstigten jungen Frau aus den Zwischensequenzen und dem stetig wachsenden Bodycount nach Feuergefechten manchen Leuten zu krass und unglaubwürdig erschien. Der Film macht es besser: Lara geht direkten Auseinandersetzungen meistens durch Schleichen oder akrobatischen Einlagen aus dem Weg und greift nur im Notfall zur Waffe, wobei überwiegend nur Pfeil und Bogen zum Einsatz kommen und nicht viele Opfer auf ihr Konto gehen. Hätte Schauspielerin Camilla Luddington ihre Rolle als Lara Croft ähnlich überzeugend auf der großen Leinwand
Fazit:
Insgesamt zählt Tomb Raider für mich zu den besseren Verfilmungen von Videospielen, denn genau wie viele Literaturverfilmungen hält man sich auch hier erfreulich dicht an die Vorlage, anstatt sich eine komplett eigene Geschichte aus den Fingern zu saugen. Was dabei passieren kann, haben wir in der Vergangenheit schon oft genug gesehen. Gleichzeitig und trotz bekannter Handlungsstränge besitzt Laras Auftritt im Kino aber auch noch genügend eigene Facetten, um auch Kennern der Spiele noch etwas bieten zu können. Tomb Raider (2018) ist für mich ohne Zweifel und mit Abstand die beste Verfilmung der Reihe! Vor allem habe ich den Besuch im Kino aber auch deshalb genossen, weil ich die Handlung des Spiels endlich ohne das ständige Aufpoppen von XP-Meldungen oder die Verteilung von Skill-Punkten erleben durfte.
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