Allgemein02.09.2013, Dieter Schmidt
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Immer wieder bekommen Betreiber eines YouTube-Kanals unerfreuliche Mails, in denen steht, dass ein Urheberrecht verletzt wurde. Gerade LetsPlayer betreten  in Deutschland ein Minenfeld, das nur aufgrund eines Paradigmenwechsels der Publisher nicht gezündet wird. Wie sieht die Rechtslage aus?

LetsPlays sind illegal

Bekannte LetsPlayer wie Gronkh oder Commander Krieger besitzen die Einwilligung der Entwickler.
Bekannte LetsPlayer wie Gronkh oder Commander Krieger besitzen meist die Einwilligung der Entwickler.
Das deutsche Recht spricht ganz klare Worte: Die kreative Entwicklungsarbeit an einem Spiel ist unabhängig seiner AGBs urheberrechtlich geschützt. Spielfiguren, Spielaufbau und Landschaften sind voll und ganz  geistiges Eigentum der Hersteller oder gar der Publisher, sofern der Hersteller alle Rechte an den Publisher abgetreten hat. Jeder Hersteller könnte nach aktueller Rechtslage den LetsPlayern, die dessen geistiges Eigentum benutzt haben, eine Unterlassungsklage oder mit der Argumentation der Umsatzschädigung gar eine kostspielige Schadensersatzklage anhängen, die vor dem Richter mit großer Wahrscheinlichkeit auch wirksam werden würde. Gerichtlich wurde hier noch nichts ausgefochten, allerdings gäbe es hier eine juristische Handhabe: Denn der Verklagte hat ohne Einwilligung des Urhebers geschützte Spielszenen auf eine öffentlich zugängliche Plattform gestellt und diese in der Regel auch noch monetarisiert, sprich zu Geld gemacht. Oder kurz: Die Industrie könnte den LetsPlayern den Stecker ziehen. Sobald auch nur ein Entwickler, wie zum Beispiel Crystal Dynamics, bei YouTube Einspruch erheben würde, wären etliche Kanäle mit nur einem Knopfdruck vom Netz abgetrennt. Ein LetsPlay besteht aus etlichen Teilen und nur drei urheberrechtliche Verstöße (Copyright Strikes), in diesem Fall drei Tomb-Raider-Videos, führen bei YouTube zur Schließung des gesamten Kanals. Zwar besitzt der LetsPlayer auch ein Urheberrecht auf die Wortwahl seiner Kommentare, allerdings lässt sich das nicht ansatzweise mit dem Urheberrecht der Hersteller vereinbaren. Hier muss auch nicht einmal das Argument geltend gemacht werden, dass primär das Spiel im Vordergrund steht: Selbst ein geschütztes Musikstück, dessen Rechte nur für das Spiel übertragen worden sind, aber nicht für dessen weitere Verbreitung über Zweitkanäle, führt zu einem Konflikt. Dabei ist es unerheblich, ob über diesem Musikstück ein endloser Wortschwall eines LetsPlayers liegt.

Die Duldung der Publisher

Die üblichen Protestbekundungen der LetsPlayer beruhen meist auf zwei Säulen: Man betreibe ja kostenlose Werbung für das Spiel und pocht im gleichen Atemzug auf die freie Meinungsäußerung. Der Stand der Dinge ist folgender: Publisher und Hersteller tolerieren im Großen und Ganzen LetsPlay-Aufnahmen.  Microsoft hat diesbezüglich sogar öffentliche Richtlinien ins Netz gestellt,  die lediglich die Monetarisierung der Videos untersagen und Einschränkungen bezüglich der Musik machen. Auch Electronic Arts und Ubisoft haben die Tolerierung öffentlich zugegeben, sofern mit einem journalistischen Mindestmaß herangegangen wird.  Nintendo hat zwar von dem Recht Gebrauch gemacht, über die Werbeschaltungen vor den LetsPlay-Videos zu bestimmen und so vielen YouTubern die Einnahmen gekürzt, gleichzeitig  darf man aber weiterhin Videos ohne Einschränkungen produzieren. Gerade nach den Massenabmahnungen der Musikindustrie und dessen Rufschädigung liegt es der Spielebranche derzeit fern den LetsPlay-Trend in etlichen Gerichtsverfahren zu ersticken. Offensichtlich sehen die Verantwortlichen in den Videos primär eine weitere Möglichkeit, ihre Marken bei jenen Spielern im Gedächtnis zu verankern, die sich unter Umständen das Spiel nicht leisten können oder wollen.

Alleine durch das Älterwerden der LetsPlayer-Zuschauer wächst hier die nächste Käuferschicht heran.  Angesichts dieser Argumentation würden LetsPlays langfristig den Umsatz eher steigern als schädigen. Sollte eine Marktforschungsanalyse zu einem anderen Punkt kommen, dürfte es spannend sein, mit welcher Argumentation man zukünftig die vorherige Duldung  widerruft. Hier greifen dann die Mechaniken des Gewohnheitsrechts: Dieses ist dann gegeben, wenn eine andauernde Anwendung von Rechtsvorstellungen oder Regeln, die von den Beteiligten als verbindlich akzeptiert worden sind, lange Zeit praktiziert wurde. Dennoch würde die Urheberrechtsverletzung ein erheblich größeres Gewicht in Justitias Waagschale legen. Bis dahin bleibt man hier in einer Zone, die keinen Präzedenzfall kennt und dessen Status die Duldung einer Illegalität ist.

Freie Meinungsäußerung mit Einschränkungen

Das Play13-Festival bietet Workshops an, wie man LetsPlays erstellt. Kleine YouTuber profitieren hier von der Duldung der Publisher.
Das Play13-Festival bietet Workshops an, wie man LetsPlays erstellt. Kleine YouTuber profitieren hier von der Duldung der Publisher.

In Bezug auf die freie Meinungsäußerung verweist schon das Grundrecht die Protestbekundungen der LetsPlayer in ihre Schranken. So hat "jeder das Recht seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten." Aber: "Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre." Während letzter Satz Prominente dazu bewegt, gerichtlich mit Erfolg gegen die Klatschpresse vorzugehen, wird die freie Meinungsäußerung ganz klar im Falle der LetsPlay-Videos durch das Urhebergesetz in Ketten gelegt. Aber das liegt lediglich am Format dieser Videos:  Auch Journalisten bewegen sich mit dieser Art der Unterhaltung auf dem Gebiet der Illegalität. Durch das Recht auf Pressefreiheit wird gewährleistet, dass wir als Massenmedium unsere Funktion als öffentliches Meinungs- und Willensbildungsorgan wahrnehmen können. Hierfür dürfen wir Spielszenen aufnehmen, diese redaktionell bearbeiten und unsere Meinung ungehindert kundtun. Wenn wir allerdings ohne Einwilligung des Herstellers ganze LetsPlays online stellen würden, kämen auch wir in Teufelsküche. Oder zusammengefasst:  LetsPlays sind, unabhängig ob von Einzelpersonen oder von der Fachpresse initiiert, ohne Einwilligung illegal.

Keinerlei Einschränkungen für die Bewertung eines Spiels

Ein zehnminütiger Zusammenschnitt eines zehnstündigen Spiels wird mit Sicherheit in einem angemessenen Verhältnis stehen. Und an der Ausübung dieses Rechtes darf niemand gehindert werden – egal ob Presse oder kleiner YouTuber. Aber auch hier liegen die Komplikationen im Detail: Und zwar muss die öffentliche Meinungsäußerung auf einem Tatbestand basieren.  Eine Tatsachenbehauptung ist dann gegeben, wenn der Gehalt der Äußerung entsprechend dem Verständnis eines Durchschnittsempfängers zugänglich ist. Der durchschnittliche Heavy-Rain-Spieler würde die Tatsache nicht anerkennen,  wenn jemand behauptet, dass jenes Spiel aufgrund der wenigen Echtzeitstrategie-Einlagen ein schlechter Shooter wäre. Jene unwahre Tatsachenbehauptung würde unter Umständen einen Widerrechtsanspruch des Geschädigten nach sich ziehen. Nicht nur private Personen, sondern auch Unternehmen können hier eine Rufschädigung vor Gericht geltend machen. Allerdings nur, wenn es sich um eine falsche  Behauptung handelt, die keine Meinungsäußerung ist, dessen Grenze erstens schwer zu ziehen ist und zweitens  in unserem Beispiel in den Bereich der Satire fallen könnte. Ab wann liegt also eine lügenhafte Schmähkritik vor und ab welchem Punkt handelt es sich um eine Meinungsäußerung? Auch hier hangelt man sich von Einzelfall zu Einzelfall.

Das Grundproblem: Ein veraltetes Urheberrecht

Der Zorn richtet sich auf das veraltete deutsche Urheberrecht, das dringend einer Neujustierung bedarf, die den Interpretationsraum auf eine klare Ebene hieven können.
Der Zorn richtet sich auf das veraltete deutsche Urheberrecht, das dringend einer Neujustierung bedarf.
Trotzdem wurden in den vergangenen Jahren etliche Videos mit wasserdichten Tatsachenbehauptungen vom YouTube-Netzwerk genommen, die dementsprechend unrechtmäßig entfernt wurden. Dabei klopft der kleine Videokünstler gegen die gigantischen Tore von YouTube , das nicht willens ist, genügend Personal anzustellen, um sich den Einzelfällen anzunehmen und fälschlicher Weise auf die Selbstregulierung vertraut. Und wer will schon für ein YouTube-Video ein  Gerichtsprozess führen? Und so verschwinden hier und dort einfach Videos. Nach eigener Erfahrung löst das ein unbehagliches Gefühl aus. Will man mir hier ein Maulkorb verpassen? Darf ich nicht sagen, dass das Spiel totaler Bockmist ist? Und diese Gefühle werden dadurch genährt, dass dem Bedeutungswachstum der YouTube-Videos und dem Wunsch der freien Meinungsäußerung ein unglaublich veraltetes deutsches Recht gegenübersteht. Wer die Tür des §51 aufstößt und in jenen immensen Interpretationsraum hineinruft, wird kaum den Widerhall einer klaren Antwort hören. Das deutsche Urheberrecht kennt keine klaren Fair-Use-Gesetze und es muss sich auf ein Zitatrecht berufen, in dem noch nicht einmal audiovisuelle Medien genannt werden.

Dieses Recht muss schleunigst den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden, in der die Videos einer Privatperson mehr Zuschauer als so mancher Fernsehsender besitzt. Dieses Urheberrecht muss sich diffiziler Veröffentlichungsformate wie den LetsPlays widmen und die Rechtslagen anpassen. Was ist ein LetsPlay? Wie sind Aufnahmen der ersten Stunde (angespielt) dem Sachverhalt unterzuordnen? Wie lange und ausführlich darf eine Spielkritik sein? Den Verantwortlichen, die wie gewohnt ihre Fernsehsender einschalten, sollte man den Fakt nahelegen, dass der Großteil der Views auf YouTube durch Videos aus dem Spielebereich generiert wird und dass ihre Gesamtzahl ein Hundertfaches aller zuvor ausgestrahlten Wetten-Dass-Einschaltquoten ist. Sie würden es vermutlich als Absurdität abtun. Aber Zahlen wie auch das Recht lügen nicht.

 
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