Special:
LetsPlays sind illegal
Die Duldung der Publisher
Die üblichen Protestbekundungen der LetsPlayer beruhen meist auf zwei Säulen: Man betreibe ja kostenlose Werbung für das Spiel und pocht im gleichen Atemzug auf die freie Meinungsäußerung. Der Stand der Dinge ist folgender: Publisher und Hersteller tolerieren im Großen und Ganzen LetsPlay-Aufnahmen. Microsoft hat diesbezüglich sogar öffentliche Richtlinien ins Netz gestellt, die lediglich die Monetarisierung der Videos untersagen und Einschränkungen bezüglich der Musik machen. Auch Electronic Arts und Ubisoft haben die Tolerierung öffentlich zugegeben, sofern mit einem journalistischen Mindestmaß herangegangen wird. Nintendo hat zwar von dem Recht Gebrauch gemacht, über die Werbeschaltungen vor den LetsPlay-Videos zu bestimmen und so vielen YouTubern die Einnahmen gekürzt, gleichzeitig darf man aber weiterhin Videos ohne Einschränkungen produzieren. Gerade nach den Massenabmahnungen der Musikindustrie und dessen Rufschädigung liegt es der Spielebranche derzeit fern den LetsPlay-Trend in etlichen Gerichtsverfahren zu ersticken. Offensichtlich sehen die Verantwortlichen in den Videos primär eine weitere Möglichkeit, ihre Marken bei jenen Spielern im Gedächtnis zu verankern, die sich unter Umständen das Spiel nicht leisten können oder wollen.
Alleine durch das Älterwerden der LetsPlayer-Zuschauer wächst hier die nächste Käuferschicht heran. Angesichts dieser Argumentation würden LetsPlays langfristig den Umsatz eher steigern als schädigen. Sollte eine Marktforschungsanalyse zu einem anderen Punkt kommen, dürfte es spannend sein, mit welcher Argumentation man zukünftig die vorherige Duldung widerruft. Hier greifen dann die Mechaniken des Gewohnheitsrechts: Dieses ist dann gegeben, wenn eine andauernde Anwendung von Rechtsvorstellungen oder Regeln, die von den Beteiligten als verbindlich akzeptiert worden sind, lange Zeit praktiziert wurde. Dennoch würde die Urheberrechtsverletzung ein erheblich größeres Gewicht in Justitias Waagschale legen. Bis dahin bleibt man hier in einer Zone, die keinen Präzedenzfall kennt und dessen Status die Duldung einer Illegalität ist.
Freie Meinungsäußerung mit Einschränkungen
In Bezug auf die freie Meinungsäußerung verweist schon das Grundrecht die Protestbekundungen der LetsPlayer in ihre Schranken. So hat "jeder das Recht seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten." Aber: "Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre." Während letzter Satz Prominente dazu bewegt, gerichtlich mit Erfolg gegen die Klatschpresse vorzugehen, wird die freie Meinungsäußerung ganz klar im Falle der LetsPlay-Videos durch das Urhebergesetz in Ketten gelegt. Aber das liegt lediglich am Format dieser Videos: Auch Journalisten bewegen sich mit dieser Art der Unterhaltung auf dem Gebiet der Illegalität. Durch das Recht auf Pressefreiheit wird gewährleistet, dass wir als Massenmedium unsere Funktion als öffentliches Meinungs- und Willensbildungsorgan wahrnehmen können. Hierfür dürfen wir Spielszenen aufnehmen, diese redaktionell bearbeiten und unsere Meinung ungehindert kundtun. Wenn wir allerdings ohne Einwilligung des Herstellers ganze LetsPlays online stellen würden, kämen auch wir in Teufelsküche. Oder zusammengefasst: LetsPlays sind, unabhängig ob von Einzelpersonen oder von der Fachpresse initiiert, ohne Einwilligung illegal.
Keinerlei Einschränkungen für die Bewertung eines Spiels
Ein zehnminütiger Zusammenschnitt eines zehnstündigen Spiels wird mit Sicherheit in einem angemessenen Verhältnis stehen. Und an der Ausübung dieses Rechtes darf niemand gehindert werden – egal ob Presse oder kleiner YouTuber. Aber auch hier liegen die Komplikationen im Detail: Und zwar muss die öffentliche Meinungsäußerung auf einem Tatbestand basieren. Eine Tatsachenbehauptung ist dann gegeben, wenn der Gehalt der Äußerung entsprechend dem Verständnis eines Durchschnittsempfängers zugänglich ist. Der durchschnittliche Heavy-Rain-Spieler würde die Tatsache nicht anerkennen, wenn jemand behauptet, dass jenes Spiel aufgrund der wenigen Echtzeitstrategie-Einlagen ein schlechter Shooter wäre. Jene unwahre Tatsachenbehauptung würde unter Umständen einen Widerrechtsanspruch des Geschädigten nach sich ziehen. Nicht nur private Personen, sondern auch Unternehmen können hier eine Rufschädigung vor Gericht geltend machen. Allerdings nur, wenn es sich um eine falsche Behauptung handelt, die keine Meinungsäußerung ist, dessen Grenze erstens schwer zu ziehen ist und zweitens in unserem Beispiel in den Bereich der Satire fallen könnte. Ab wann liegt also eine lügenhafte Schmähkritik vor und ab welchem Punkt handelt es sich um eine Meinungsäußerung? Auch hier hangelt man sich von Einzelfall zu Einzelfall.
Das Grundproblem: Ein veraltetes Urheberrecht
Dieses Recht muss schleunigst den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden, in der die Videos einer Privatperson mehr Zuschauer als so mancher Fernsehsender besitzt. Dieses Urheberrecht muss sich diffiziler Veröffentlichungsformate wie den LetsPlays widmen und die Rechtslagen anpassen. Was ist ein LetsPlay? Wie sind Aufnahmen der ersten Stunde (angespielt) dem Sachverhalt unterzuordnen? Wie lange und ausführlich darf eine Spielkritik sein? Den Verantwortlichen, die wie gewohnt ihre Fernsehsender einschalten, sollte man den Fakt nahelegen, dass der Großteil der Views auf YouTube durch Videos aus dem Spielebereich generiert wird und dass ihre Gesamtzahl ein Hundertfaches aller zuvor ausgestrahlten Wetten-Dass-Einschaltquoten ist. Sie würden es vermutlich als Absurdität abtun. Aber Zahlen wie auch das Recht lügen nicht.
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