Ready Player One06.04.2018, Michael Krosta

Special: Futuristische Schnitzeljagd

Mit seinem ersten Roman Ready Player One schrieb sich Autor Ernest Cline im Jahr 2011 in die Herzen der Geeks und Nerds: Die futuristische Schnitzeljagd in der virtuellen Realität faszinierte mit ihren zahlreichen Referenzen zur Pop-Kultur des 20. Jahrhunderts, sympathischen Figuren und dem dramatischen Kampf gegen einen gierigen Großkonzern. Jetzt hat Kult-Regisseur Steven Spielberg das Werk auf die große Leinwand gebracht. Kann der Abstecher in die OASIS auch im Kino die Begeisterung der literarischen Vorlage entfachen?

Stimmungsvoller Einstieg

Noch während die Logos der Filmstudios über die Leinwand flimmern, bereitet eine Folge wohlbekannter Synthesizer-Akkorde die Reise in die Vergangenheit der Pop-Kultur vor: Der 84er-Hit „Jump“ von Van Halen mag vielleicht nicht der großartigste Song aller Zeiten sein, aber die Klänge sind vertraut und wecken umgehend nostalgische Gefühle für eine Ära, in der nicht nur musikalisch neue Wege beschritten wurden. Sie war auch geprägt von ersten Gehversuchen bis hin zum Durchbruch der Videospiele und bescherte uns mit Werken wie Star Wars, Indiana Jones, Alien(s), Terminator, E.T. oder Zurück in die Zukunft einige der größten Klassiker der Filmgeschichte. Und spätestens wenn sich der allseits bekannte sowie schnittige Delorean mit Fluxkompensator den Weg in die Startaufstellung für das rasant inszenierte Rennspektakel im Einstieg bahnt und der offenbar von K.I.T.T. geborgte Scanner an der Front des Boliden rot aufleuchtet, hat Spielberg mich da, wo er mich haben will: Obwohl ich den gewählten Stil der CGI-Avatare als gewöhnungsbedürftig empfinde und man von der gewaltigen Effektorgie zu Beginn

Ein Rennen im Delorean aus Zurück in die Zukunft? In der OASIS scheint alles möglich zu sein!
ähnlich erschlagen wird wie manch einer der glücklosen Piloten von King Kongs mächtigen Fäusten, sitze ich mit einem breiten Grinsen im Sessel und wippe fröhlich zur Musik mit.

Die Suche beginnt

Es ist ein furioser Auftakt, bei dem sich der Film zwar bereits zum ersten und sicher nicht zum letzten Mal von der Roman-Vorlage entfernt, gleichzeitig aber einen schönen Grundstein für die popkulturelle Achterbahnfahrt legt. Im Kern orientiert sich die Handlung des Films an der Romanvorlage: Nach dem Tod des exzentrischen Erfinders James Halliday (großartige Nerd-Performance: Mark Rylance), der mit der Kreation seiner virtuellen Realität namens OASIS einen bliebten Fluchtweg aus der dystopischen Gesellschaft und der tristen Welt geschaffen hat, fällt der Startschuss für einen Wettbewerb, in dem nicht nur Reichtum und Ruhm, sondern auch die komplette Kontrolle über Hallidays Unternehmen und die OASIS winken. Drei Schlüssel sind nötig, die irgendwo in der OASIS versteckt sind und erst nach dem Lösen von kryptischen Hinweisen und dem erfolgreichen Bewältigen einer Herausforderung gewonnen werden können.

Anorak, der Avatar des verstorbenen James Halliday, übergibt den wertvollen Schlüssel, sobald ein Rätsel geknackt und die Herausforderung gemeistert wurde.
Das ruft nicht nur den Teenager Wade Watts (Tye Sheridan) auf den Plan, der sich als Parzival in der virtuellen Realität zusammen mit seinem VR-Buddy Aech (Lena Waithe) und gleichgesinnten „Guntern“ wie der beliebten Streamerin Art3mis (Olivia Cooke) sowie dem asiatischen Dreamteam Sho und Daito auf die Schnitzeljagd begibt. Auch der mächtige Konzern Innovative Online Industries unter der Leistung des skrupellosen Nolan Sorrento setzt alles daran, das Spiel zu gewinnen und schreckt dabei nicht davor zurück, seine finsteren Interessen nicht nur in der OASIS, sondern sogar in der realen Welt mit tödlicher Gewalt durchzusetzen.

Gleiche Rahmenhandlung, viele Änderungen

Obwohl die Rahmenhandlung identisch zur Romanvorlage ist, hat Ernest Cline für das Drehbuch zahlreiche Veränderungen an seinem Werk vorgenommen. Dabei fällt vor allem auf, dass die Bedeutung klassischer Videospiele und Arcade-Automaten zum Lösen der Rätsel im Film massiv zurückgefahren wird und stattdessen mehr Referenzen rund um Hollywood im Vordergrund stehen. Zwar stimmt das Ende mit den Original-Spielszenen aus dem Klassiker „Adventure“ und dem Fokus auf Retro-Gaming am Atari 2600 versöhnlich, aber insgesamt vermisst man als Kenner des Romans die vielen Anspielungen, coolen Insider-Infos und tollen Einbettungen von Videospielen wie Pac-Man, Tempest & Co in die Geschichte und zur Lösung der Aufgaben. Stattdessen muss man sich vornehmlich mit kurzen Gastauftritten von Figuren wie Goro aus Mortal Kombat,

Mark Rylance verkörpert die Rolle des schüchternen und genialen Nerds nahezu perfekt.
Master Chief aus Halo und sogar Tracer aus dem aktuellen Blizzard-Hit Overwatch begnügen, die von den OASIS-Nutzern als Avatare verwendet werden. Richtete das Buch seinen Blick noch speziell auf die Faszination Hallidays für die Achtziger, greift der Film eher popkulturelle Referenzen auf, die bis zu unserer Gegenwart reichen. Die Entscheidung kann man kritisieren, aber mich hat es nicht gestört.

Spielberg drückt aufs Gaspedal

Viel eher ist mir das rasante Erzähltempo übel aufgestoßen: Trotz der komprimierten Handlung und einer Länge von mehr als zwei Stunden hat man oft das Gefühl, als würde Spielberg regelrecht von einer Szene zur nächsten hetzen und damit auch den Figuren kaum Zeit lassen, sich oder die Beziehung zueinander zu entwickeln. Zudem wird im Film kaum eingefangen, wie viel Aufwand Wade und die anderen Schatzjäger für ihre Recherchen betreiben müssen oder wie sehr die Gunter-Gemeinschaft an der Entschlüsselung von Hinweisen verzweifelte. Hier hätte man mit einer einfachen Zeitraffer-Montage schöne Einblicke geben können, wie Parzival in alle möglichen Videospiele eintaucht oder Filme und Serien konsumiert. Stattdessen folgt nach dem Fund des ersten Schlüssels gefühlt alles Schlag auf Schlag: Von dem enormen Anspruch und zeitlichen Aufwand hinter der Schnitzeljagd in Kombination mit Rückschlägen oder gar Stillstand ist im Film kaum noch etwas übrig geblieben. Spielberg verpasst außerdem die Chance, dass sich die vorherrschende Dystopie auch glaubhaft in Bildern entfalten kann. Die slumartigen Stacks mit ihren übereinander gestapelten Trailerparks werden zwar großartig eingefangen, doch bekommt man abseits davon recht wenig von den bedrückenden Zuständen der Welt zu sehen, die gleichzeitig für die

Für Wade und seine Freunde wird es nicht nur in der OASIS, sondern auch der realen Welt gefährlich.
große Sehnsucht nach dem Abtauchen in die OASIS verantwortlich sind. Als Folge dessen wirkt der Film längst nicht so düster wie die Eindrücke, die das Buch vermittelt hat.

Zimmer 237

Tatsächlich kommt neben viel Action und einer gewissen Retro-Romantik sogar der Humor nicht zu kurz. Besonders hervorheben muss man hier einen Abschnitt, bei dem die Freunde auf der Suche nach dem nächsten Schlüssel plötzlich auf süffisante Weise mit dem Horror aus Stephen Kings Roman „The Shining“ bzw. der streitbaren Verfilmung von Stanley Kubrick konfrontiert werden. Ich hätte mir viel mehr solcher Szenen gewünscht, in denen reale Vorbilder der Pop-Kultur direkt in die Handlung eingebunden werden oder zumindest auftauchen.

Gleichzeitig ist die Shining-Sequenz ein gelungenes Beispiel dafür, dass Cline für sein Drehbuch nicht nur massiv gekürzt hat, sondern den Film auch mit neuen und durchaus gelungenen Facetten bereichert hat, die auf der großen Leinwand schlichtweg besser funktionieren als im Buch. Das gilt auch für die etwas subtileren Referenzen, wenn Iron Giant in der großen Endschlacht in glühender Lava versinkt und zum Abschied den Daumen in Höhe reckt, um es dem T-800 in Terminator 2 gleich zu tun. Besonders gut gefallen hat mir auch ein großartiger Moment, dessen Magie sich ebenfalls nur im Filmformat derart entfalten kann: Während die Zeit mit Hilfe eines Zauberwürfels zurückgespult wird, erklingt ein kurzer, aber prägnanter Jingle, der aus dem Soundtrack zum Klassiker „Zurück in die Zukunft“ stammt. Für diesen wiederum zeichnete der Komponist Alan Silvestri verantwortlich, der nach der Ablösung von John Williams auch die Musik zu Ready Player One geschrieben hat. Zudem sei noch erwähnt, dass der besagte Zauberwürfel zumindest im englischen Original als „Zemeckis Cube“ bezeichnet

Nolan Sorrento und seine rechte Hand I-R0k führen Böses im Schilde.
wird und damit den Bogen zu Robert Zemeckis spannt, dem wir sowohl die Geschichte als auch die Filme rund um die Abenteuer von Marty McFly und Doc Brown zu verdanken haben. In dieser kleinen, aber feinen Szene passt wirklich alles zusammen. Es steckt so unglaublich viel Liebe, so viel Perfektion und gleichzeitig so viel anerkennender Respekt für die Pop-Kultur in diesem Moment! Leider blitzt dieses Maß an Hingabe und die Faszination für das Nerdtum in der Verfilmung nur im Ansatz auf und für viele liebenswerte Details des Buchs bleibt einfach kein Platz mehr.

Fazit:

Ready Player One bietet effektreiches Popcorn-Kino in bester Spielberg-Manier mit viel Action, rasanten Kamerafahrten und zahlreichen Referenzen zur Popkultur von den Achtzigern bis zur Gegenwart! Ich würde zwar in erster Linie Zuschauern ohne Vorkenntnisse, aber auch Kennern der Roman-Vorlage einen Kinobesuch ans Herz legen, da es trotz der mitunter drastischen Einschnitte und Änderungen einige großartige Momente gibt. Und sei es nur, um hinterher sagen zu können, dass man aus den mageren 3D-Effekten visuell trotz der starken Inszenierung viel mehr hätte rausholen können und der Roman sowieso viel besser ist!

 
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