Teotihuacan: Die Stadt der Götter11.12.2018, Jörg Luibl
Teotihuacan: Die Stadt der Götter

Special: Pyramide der Götter

Wer hat schonmal von Teotihuacán gehört? Das ist ein Zungenbrecher, der so viel wie "Wo man zu einem Gott wird" bedeutet. Dahinter verbirgt sich eine bedeutende Ausgrabungsstätte in Mexiko. Als im frühmittelalterlichen Europa das Römische Weltreich zerfiel, haben in dieser Metropole an die 200.000 Menschen gelebt. Und im Zentrum stand die berühmte Sonnenpyramide, die ihr auch im gleichnamigen Brettspiel errichten könnt. Warum sich der komplexe Aufbau lohnt, verrät unser Test.

Im Angesicht der Götter...

...regnet es Siegpunkte! Zumindest fühlt es sich so an, weil man ständig belohnt wird und auf der Leiste voranschreitet. Gerade wenn man nach zwei, drei Spielen eine gewisse Routine entwickelt und auch die Multiplikatoren durch Alchemie sowie Sonderplättchen einzusetzen weiß, summieren sich die Punkte, die man in einem Zug gewinnen kann. Spätestens dann entwickelt sich ein spannendes Wettrennen zwischen bis zu vier Adligen über drei Phasen der Mondfinsternis (Eklipse) oder bis der letzte Stein der Pyramide gesetzt wurde. Dieses Bauwerk steht auch im Mittelpunkt des prächtigen Spielplans, der sehr gut strukturiert ist und mit vielen liebevollen Kleinigkeiten aus Tierwelt und Alltag illustriert wurde.

Das architektonische Zentrum ist der Blickfang. Als ich mir Teotihuacan das erste Mal ansah, erinnerten mich die kalkweißen Steine mit ihren Symbolen ein wenig an Mahjong. Aber mit dem chinesischen Klassiker hat dieses kompetitive Arbeitersetzspiel (Worker-Placement) nichts zu tun. Obwohl es eine Gemeinsamkeit gibt, denn auch hier spielen gleiche Symbole auf den Steinen eine Rolle beim Anlegen: Für jedes der vier eingravierten Symbole, das ein identisches beim

Teotihuacan ist für einen bis vier Spieler ausgelegt und komplett auf Deutsch für knapp 50 Euro beim Schwerkraft-Verlag erhältlich. Hier der Aufbau für zwei Spieler, der einen großen Tisch verlangt.
Bau überdeckt, gibt es einen Siegpunkt. Sollte auch noch das farbige Göttersymbol passen, darf man in einer ihrer drei Gunstleisten aufsteigen, wo es umgehend weitere Boni oder Plättchen geben kann...

Tzolk'in lässt grüßen

Von diesen permanenten Wechselwirkungen sowie optionalen Verstärkungen gibt es sehr viele, wenn man mit seinen Arbeitern, die als Würfel eine Stärke von eins bis sechs erreichen können, um den Spielplan wandert.

Eines bis drei Felder weit darf man ziehen, um dann auf dem Zielfeld entweder Kakao zu ernten, den Göttern zu huldigen oder die Hauptaktion auszuführen. Das kann das Abbauen von Gold, Stein oder Holz sein, aber auch die Verzierung oder der Ausbau der Pyramide - hier kommt das oben erwähnte Puzzle-Flair auf, denn gleiche Symbole sind wertvoll. Und im sehr wichtigen Bereich der Alchemie kann man z.B. gegen Gold für eine permanente Verbesserung der jeweiligen Einnahmen auf den Feldern sorgen.

Vieles erinnert an die preisgekrönte und ähnlich clever verzahnte Spielmechanik von Tzolk'in: Der Maya-Kalender. Ist ja auch kein Wunder, denn auch das wurde von Daniele Tascini entwickelt: So zieht man zu Beginn vier Startplättchen und kann sich zwei aussuchen, die die anfänglichen Ressourcen (Gold, Holz, Stein, Kakao) oder bereits aktivierten Erfolge bzw. Technologien markieren. Allerdings spielt sich Teotihuacan etwas freier und der Kakao ist als Nahrungsquelle nicht ganz so streng rationiert wie damals der Mais. So kann man sich abseits der Bezahlung der Arbeiter besser um die effiziente Punktebeute kümmern.

Arbeiter werden als Würfel wiedergeboren

Aber auch das Würfelsystem für die Arbeiter sorgt für eine angenehme Dynamik: Wenn sie die Hauptaktion ausführen, gewinnen sie nämlich an Stärke, womit sie zum einen effizienter werden - vor allem in der Gruppe. Stehen nämlich drei Arbeiter im Wald oder Bergwerk, bestimmt der geringste Stärkewert die Spalte für die Ausbeute; je mehr höherstufige Arbeiter man dort hat, desto besser! Zum anderen sterben sie bei einem Wert von Sechs, werden dann nicht nur direkt mit Stärke Eins wiedergeboren, sondern sorgen auch für einen Anstieg der eigenen Totenleiste, die wiederum ein Multiplikator für Siegpunkte nach dem Erreichen einer Eklipse ist. 

Drei Götter (Blau, Rot, Grün) buhlen um eure Gunst.
Letztlich arbeiten zwar alle gleichzeitig an der Pyramide, und für den Bau sowie die Verzierung gibt es viele Punkte, aber man kann auch über das Huldigen der Götter viel gewinnen. Zwar werden die eigenen Arbeiter dadurch im Tempel "gefangen" und steigen nicht auf, aber sie können mit Kakao & Co auch zwei Aktionen ausführen - sowohl auf der Gunstleiste der Götter steigen als auch z.B. Ressourcen, Fähigkeiten oder eine Maske gewinnen, die als Sammlung immer wertvoller werden. Wer dann spezielle hohe Bereiche in der göttlichen Gunst erreicht, schaltet wiederum höhere Siegboni frei. Oder anders: Viele Wege führen zum Ziel, zumal sich der Aufbau des Spielplans jedesmal etwas ändert.

Regelwerk und Solovariante

Auch wenn der Schwerkraft-Verlag zurecht die Komplexität des Spiels betont, würde ich

Das Highlight ist die Pyramide im Zentrum.
Teotihuacan sowohl was das Verinnerlichen der Spielmechanik als auch das Durchschauen der Gewinnstrategie betrifft, eine Stufe unter Dominant Species ansiedeln. Hier sind wir nach dem Einsteigsszenario mit abgespeckten Regeln sowie einem normalen Spiel in einen sehr guten Spielfluss gekommen, zumal die deutsche Anleitung alles anhand von anschaulichen Beispielen und Nachschlageseiten vorbildlich erklärt.

Schön ist übrigens, dass es auch eine Variante für einen Spieler gibt. Und zwar eine überaus durchdachte, die detailliert über mehrere Seiten beschreibt wie sich die imaginäre gegnerische KI verhält - man kann das Regelwerk auch modifizieren und die Schwierigkeit anpassen. Falls ihr also mal die Muße habt und alleine loslegen wollt, gehört Teotihuacan definitiv zu den empfehlenswerten Kandidaten.

Was gefällt nicht so gut?

Die Würfel symbolisieren Arbeiter.
Schade ist, dass der Bereich des Palastes aufgrund wenig lukrativer Belohnungen irgendwie untergeht - in unseren Partien lohnte sich der Besuch jedenfalls kaum, selbst wenn wir zufällig neue Plättchen gezogen hatten. Außerdem erreicht man mit steigender Routine etwas zu schnell den maximalen Bereich der Totenleiste, so dass sich daraus keine Boni mehr ergeben.

Fazit

Teotihuacan macht uns gerade richtig Spaß! Mal abgesehen von der tollen Illustration mit der dominanten Pyramide im Zentrum sorgt die clevere Spielmechanik für ebenso flotte wie abwechslungsreiche Duelle für bis zu vier Teilnehmer. Obwohl der Schwerkraft-Verlag zurecht betont, dass es sich um ein komplexes Spiel handelt, sollten Vielspieler und Worker-Placement-Veteranen nach spätestens zwei Partien in einen angenehmen Fluss aus Aktion und Ausschüttung von Siegpunkten kommen. Die lassen die Götter hier fast vom Himmel regnen, weil es ständig coole Multiplikatoren gibt, so dass man sich auf dem Weg ins Ziel wie Hase und Igel jagt. Falls euch Tzolk'in: Der Maya-Kalender gefallen hat, werdet ihr hier einige Ähnlichkeiten entdecken, aber ich finde den Mix aus Ernte, Aufwertung und etwas Puzzle-Flair beim Bau noch etwas unterhaltsamer, zumal man auch mehr Freiheiten hat. Eine durchdachte Solovariante rundet dieses durchweg empfehlenswerte, qualitativ hochwertig designte Aufbauspiel ab.

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps, Klassiker oder ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet. Mehr Brettspiel-Tests und eine Top 20 findet ihr hier.

 
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