Spielkultur04.08.2016, Michael Krosta

Special: Die größten Weltraumopern

„Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis“ – so beginnt eine der größten, bekanntesten und populärsten Weltraumopern, die 1977 von George Lucas mit Star Wars Episode 4: Eine neue Hoffnung auf der Kinoleinwand zum Leben erweckt wurde und anschließend auch die Welt der Videospiele infizierte. Aber was wird auf PCs und Konsolen abseits der Sternensaga sonst noch geboten? Wir werfen einen Blick auf die größten Space Operas, in denen neben der Geschichte das aktive Fliegen von Raumschiffen im Mittelpunkt steht…

Wing Commander (1990)

Denkt man an Weltraumopern in Spieleform, führt kein Weg vorbei an Wing Commander. Chris Roberts und sein Team von Origin setzten mit der Weltraum-Flugsimulation aus dem Jahr 1990 neue Maßstäbe, verlangten der damaligen PC-Hardware aber alles (und noch mehr) ab, um die packenden Weltraum-Gefechte mit ihren detaillierten Jägern, gewaltigen Trägerschiffen und gefährlichen Asteroidenfeldern in die für damalige Verhältnisse packend inszenierte Geschichte einzubetten. Die Handlung drehte sich um den interstellaren Konflikt zwischen der Konföderation der Menschen und den katzenähnlichen Kilrathi, einer aggressiven und kriegerischen Rasse auf Expansionskurs.

Wing Commander ist für die Spielewelt das, was Star Wars für das Kino bedeutete: Ein Vorreiter in Sachen Technik und eine waschechte Weltraumoper.
Schlüpfte man in den ersten beiden Teilen noch in die Rolle eines namenlosen Piloten bzw. konnte ihm selbst Namen und Rufzeichen geben, übernahm ab Wing Commander 3: Das Herz des Tigers Mark Hamill die Rolle des Protagonisten Colonel Christopher Blair, während andere Hollywood-Schauspieler wie John Rhys-Davis, Malcolm McDowell oder Thomas F. Wilson ebenfalls als Darsteller mitwirkten. Zusammen mit möglichen Entscheidungsoptionen verwandelte sich die Reihe endgültig in einen interaktiven Film, der hinsichtlich des Produktionsaufwands in ganz neue Sphären vordrang. Doch auch im Cockpit wurde die Geschichte mitgestaltet: Versagte man zu oft bei den Missionen, konnte man nicht nur Flügelmänner und damit durchaus wichtige Charaktere verlieren, sondern auch die Erde bzw. die Menschheit dem Untergang weihen. In späteren Teilen wurde die Handlung nach dem (beendeten) Konflikt mit den Kilrathi durch ein Bürgerkriegs-Szenario voller Verschwörungen sowie eine neue außerirdische Bedrohung ergänzt.

Privateer (1993)

Privateer orientierte sich stärker am Klassiker Elite und ergänzte die Raumkämpfe mit Handelsoptionen und Erkundung.
Privateer wurde von Erin Roberts, dem jüngeren Bruder von Chris Roberts, als Ableger von Wing Commander konzipiert. Entsprechend setzte man bei Raumkämpfen auf die gleiche Mechanik und Technologie, während der Handlung ebenfalls ein hoher Stellenwert eingeräumt wurde. Allerdings erweiterte man das Spielprinzip um Handlungsaspekte und zwängte den Spieler nicht länger in ein lineares Missions-Korsett. Stattdessen orientierte man sich spürbar am Klassiker Elite von David Braben und durfte den Story-Pfad jederzeit verlassen, um den Gemini-Sektor des Wing-Commander-Universums auf eigene Faust zu erkunden und sich in Nebenmissionen durchzuschlagen.

In Privateer 2: The Darkening folgte Roberts erneut den Fußspuren seines großen Bruders: Genau wie in Wing Commander 3 wurde die Handlung in Form eines interaktiven Films erzählt, für den bekannte Schauspieler wie Clive Owen, Jürgen Prochnow und Christopher Walken engagiert wurden. Dabei folgte man der Geschichte von Lev Harris, der als einziger Überlebender eines Angriffs unter Amnesie litt und im Tri-System nach Antworten bezüglich seiner Identität und den Vorkommnissen suchte. War der erste Teil inhaltlich noch stark mit Wing Commander verknüpft, hielten sich Überschneidungen bei The Darkening in Grenzen, so dass dieses Werk deutlich eigenständiger wirkte und sich ebenfalls vom großen Bruder loslöste.   

I-War (Independence War) (1997)

I-War, oder auch Independence War, griff ebenfalls die Idee der Weltraumoper auf und wollte Raumschlachten mit einer spannenden Geschichte verknüpfen. Schon das knapp 15-minütige CGI-Intro stimmte auf die Handlung ein, bei der man die letzte Schlacht von Jefferson Clay mitverfolgte. Der Spieler übernahm aber die Rolle eines unbekannten Raumschiff-Kapitäns, der mit seinem Schlachtschiff Dreadnaught für die Earth Commonwealth Navy gegen die abtrünnigen Rebellen der Indies in den galaktischen Krieg zog. Dabei übernahm man die Kontrolle über die Brücke mit ihren vier Stationen und steuerte u.a. Jäger per Remote Link, bediente die Waffensysteme der Dreadnaught oder kümmerte sich um Reparaturen. Die Kommandozentrale ließ sich dabei vom Mutterschiff abdocken.  

I-War griff ein beliebtes Konzept für Geschichten einer Weltraumoper auf: Den Kampf für die Unabhängigkeit!
Die Kampagne erstreckte sich über 40 Missionen und bot drei verschiedene Enden, doch nach dem imposanten Intro hielt man sich im weiteren Verlauf mit hochwertigen Zwischensequenzen zurück. Statt bei der Inszenierung hob man sich lieber in einem anderen Bereich von den Mitbewerbern ab: Entwickler Particle Systems basierte sein Flugmodell auf den Newtonschen Gesetzen der Physik und berücksichtigte damit im Gegensatz zu Wing Commander & Co auch Faktoren wie die Trägheit von Schiffen in Relation zu ihrer Masse sowie dem fehlenden Luftwiderstand im All. Zudem erlaubte das Flugmodell das Bewegen und Beschleunigen der Schiffe in alle Richtungen: Dadurch war es z.B. auch möglich, rückwärts oder sogar seitwärts zu fliegen. Neben Kampfeinsätzen umfasste das Missionsdesign auch kleine Rätsel, die meist durch die Anwendung der physikalischen Regeln gelöst werden mussten. Mit der später veröffentlichten Zusatzkampagne Defiance durfte man die Geschehnisse übrigens in 18 Missionen aus der Sicht der Rebellen neu erleben.

Colony Wars (1997)

Einen ähnlichen Ansatz wie I-War verfolgte auch Sony bei seinem Ausflug in den umkämpften Weltraum von Colony Wars – zumindest, was das Szenario angeht. Denn auch hier lieferte man sich auf der PlayStation als Rebellen-Pilot für die Liga der freien Welten Dogfights in den Weiten des Alls gegen das gierige und brutale Imperium der Erde. Der bewaffnete Aufstand gegen Unterdrückung und Ausbeutung erstreckte sich über mehrere Akte, wobei sich Handlung und Missionen je nach Abschneiden bei den Aufträgen verzweigen konnten. Entsprechend gab es fünf Möglichkeiten, wie der Auftakt dieser dreiteiligen Weltraumoper enden konnte. Neben den imposanten Rendersequenzen überzeugte der Space-Combat-Simulator nicht nur inhaltlich, sondern sorgte vor allem technisch mit detaillierten Schiffen, spektakulären Lichteffekten und dem gelungenen Soundtrack von Tim Wright aka Cold Storage für Staunen.

Colony Wars von Psygnosis war vor allem in technischer Hinsicht ein beeindruckender Ausflug in den Weltraum.
Genau wie in der Erweiterung von I-War wechselte man im Nachfolger Colony Wars: Vengeance die Seiten und erlebte den Konflikt etwa 20-30 Jahre nach den Ereignissen des ersten Teils aus den Augen des Piloten Mertens, der für die Colonial Navy ins Cockpit stieg. Neuerdings durfte man die vier Raumjäger mit Upgrades verbessern und nicht nur im Weltall, sondern auch innerhalb der Atmosphäre von Planeten Aufträgen nachgehen. Dabei hielt man an der Struktur des Vorgängers fest und präsentierte je nach Spielweise erneut fünf verschiedene Endsequenzen. Doch nicht jeder dürfte so weit gekommen sein: Der zweite Teil der Saga blieb auch aufgrund seines hohen Schwierigkeitsgrades sowie den knappen Zeitlimits in Erinnerung und hat viele Piloten frustriert im Weltraum zurückgelassen. Mit Colony Wars: Red Sun schloss Psygnosis die Trilogie ab, verabschiedete sich dabei aber von den Story-Verzweigungen und erzählte stattdessen eine lineare Geschichte rund um den Söldner Alexander Lyron Valdemar, in dessen Händen das Überleben des gesamten Universums lag.

Starlancer (2000)

Für Starlancer arbeiteten Chris und Erin Roberts zusammen.
Für Starlancer schlossen sich Chris und Erin Roberts zusammen, um mit ihrem Studio Digital Anvil an die Tugenden und Erfolge von Wing Commander anzuknüpfen. Entsprechend entdeckte man viele Parallelen und es fühlte sich sehr vertraut an, sobald man in einem der zwölf Schiffe Platz nahm. Neben der Cockpit-Action stellte die Geschichte wieder eine tragende Säule dar: Anstatt sich wieder mit außerirdischen Rassen zu bekriegen, wurden hier die politischen Konflikte auf der Erde in den Weltraum ausgelagert, wo im Jahr 2160 eine kommunistische Koalition aus Russland, China und dem Nahen Osten gegen eine demokratische Allianz aus westlichen Staaten in den kalten Sternenkrieg zog, der zunehmend heiß wurde. Als unfreiwillig komisch erwies sich der Versuch, die vielen Nationen durch übertriebene Dialekte in der deutschen Synchro abzubilden. Anstatt weiter auf interaktive Filme mit realen Schauspielern zu setzen, entschied man sich hier für vorberechnete und deutlich weniger Zwischensequenzen aus dem Computer. Der Storyverlauf wurde auch hier dadurch beeinflusst, wie man sich in den 24 Kampagnen-Missionen geschlagen hat. Diese wurden übrigens durch Mehrspieler-Modi ergänzt, in denen auf dem PC acht, bei der gelungenen Dreamcast-Umsetzung immerhin noch bis zu sechs Piloten online gegen- und teilweise sogar miteinander antreten konnten.

In Freelancer griff Chris Roberts den Story-Faden aus Starlancer auf und erzählte die Geschichte im gleichen Spieluniversum weiter, trimmte das Spieldesign allerdings wieder stärker in Richtung Privateer oder Elite und stellte damit abseits der Baller-Action wieder Handel und Erkundung in den Vordergrund.

Darkstar One (2006)

In einer Zeit, in der Weltraumspiele in den Weiten des Alls verschollen gegangen zu sein schienen, wagten die deutschen Entwickler von Ascaron mit Darkstar One erste Reanimierungsversuche. Hier sorgte das zurückgezogen lebende Volk der Thul für Wirbel im Universum, nachdem es ähnlich wie die Borg aus Star Trek zu einer brutalen Eroberungs-Tournee aufbrach. Der Pilot und Protagonist Kayron Jarvis hatte nach der Ermordung seines Vaters dagegen zunächst mit persönlichen Problemen zu kämpfen, doch fiel ihm so das mit Alien-Technologie aufgebohrte Schiff Darkstar One in die Hände, das sich durch das Finden von Artefakten weiter aufrüsten ließ. Mit ihm erkundete er in der linearen Kampagne das gewaltige Spieluniversum, das aus 300 Sonnensystemen bestand und irgendwo zwischen all den Dogfights und Begegnungen mit anderen außerirdischen Rassen die Antworten auf die vielen Fragen

Mit Darkstar One versuchte sich das deutsche Studio Ascaron an einer Wiederbelebung des Genres.
beinhaltete. Wie bei Privateer & Co konnte man auch hier den Hauptpfad verlassen und sich in Nebenaufgaben als Pirat, Söldner, Schmuggler oder Kopfgeldjäger seine Sporen verdienen.

Für die Geschichte engagierte das Studio u.a. die Perry-Rhodan-Autorin Claudia Kern und inszenierte sie in aufwändig produzierten Videosequenzen inklusive 5.1-Abmischung. Trotzdem bemängelten wir damals im Test die mangelnde Glaubwürdigkeit und den blassen Hauptdarsteller. Die vier Jahre später unter dem Namen Darkstar One: Broken Alliance veröffentlichte Umsetzung für die Xbox 360 wirkte bereits technisch veraltet, konnte spielerisch aber dennoch überzeugen. Darkstar One mag zwar nicht an die Faszination eines Wing Commander heran gereicht haben, aber war zumindest ein guter Versuch, der verspielten Weltraumoper wieder zu einem Comeback zu verhelfen.

Star Citizen (???)

Wird Chris Roberts mit Star Citizen ein großer Wurf gelingen?
Der größte Hoffnungsträger ist ohne Zweifel Star Citizen. Mit dem ambitionierten Projekt meldet sich Chris Roberts nach dem gefloppten Kinofilm Wing Commander sowie weiteren Hollywood-Projekten wieder auf dem PC zurück und sammelte für sein Cloud Imperium bereits Millionen von Dollar von Unterstützern, um seine Vision zu realisieren. Neben dem angestrebten MMO-Aspekt weckt vor allem die geplante Kampagne Squadron 42 die Hoffnung, endlich wieder eine große und aufwändig produzierte Geschichte im Weltraum zu erleben. Dafür hat Roberts wieder eine Riege an Hollywood-Prominenz um sich geschart, darunter alte Bekannte wie Mark Hamill und John Rhys-Davis sowie Gary Oldman, Gillian Anderson und Mark Strong. Viel gesehen hat man bisher aber noch nicht – auch ein Zeitpunkt für die Veröffentlichung der Kampagne steht noch in den Sternen. Bis dahin können wir versuchen, in spannenden Weltraum-Projekten wie No Man’s Sky unsere eigenen Geschichten zu schreiben oder uns im Kino von Star Trek: Beyond oder dem kommenden Star-Wars-Ableger Rogue One ins umkämpfte Universum beamen zu lassen.

 
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