Special: Virtueller Handel in Online-Rollenspielen (Unternehmen)

von Sebastian



Virtueller Handel in Online-Rollenspielen
Unternehmen
Entwickler:
Publisher: 4Players
Spielinfo


Station Exchange – legaler Itemhandel unter Aufsicht

Im April 2005 meldet sich John Smedley, seines Zeichens Präsident von Sony Online Entertainment, mit einem "Brief" an die EverQuest II -Spielergemeinschaft. Er kündigte einen Schritt an, den bisher noch kein Betreiber eines MMORPGs gewagt
Dieser Gastbeitrag ist ein Teil des Spielkulturthemas "Wem gehören Schwert und Held? Der Handel mit virtuellen Gegenständen."

Interview mit Andreas Lober

Der Handel mit virtuellen Gegenständen.
(Gastbeitrag von Andreas Lober)
hatte: Eine offizielle Plattform für den Handel mit Gegenständen, virtuellem Geld und Charakteren. Station Exchange nennt sich dieser Handelsplatz, der im Juni 2005 seine Pforten öffnete.

Grund für die Einführung dieser Handelsplattform ist wohl die Einsicht von SOE, dass man juristisch wenige Möglichkeiten gegen die Drittanbieter eines solchen Service hat, aber diese einen horrenden Umsatz machen. Mit der Einführung eines gleichen Service stellt sich nun SOE in direkte Konkurrenz mit diesen Anbietern und kassiert nebenbei noch ein wenig an den Gebühren.

Dabei bietet natürlich der Kauf über SOE einige Vorteile, da dies ja der offizielle und einzig legale Tauschplatz ist. Damit ist ein gewisser Grad an Sicherheit garantiert und kein Spieler braucht die Sorge zu haben, dass sein Geld oder sein Gegenstand nicht ankommt oder er betrogen wird. Etwas, das bei den immerhin nur halblegalen Transfers über Drittanbieter immer wieder drohen kann. Wie jeder MMORPG-Betreiber auch, verbietet SOE den Handel von Gegenständen (außerhalb von Station Exchange) und behält sich das Recht vor, gehandelte Accounts oder Gegenstände zu löschen.

Die Ankündigung von Station Exchange hat ein großes und sehr vielseitiges Echo hervorgerufen. Einerseits wurde die Idee begrüßt, da nun Spieler die aufhören zu spielen endlich auch legal ihren Charakter weitergeben können und für die investierte Zeit auch ein wenig Geld bekommen können. Andererseits war die Empörung sehr groß. Die meisten Spieler gingen sehr direkt auf SOE los und prophezeiten das baldige Ende von EverQuest II.

Viele Spieler fürchteten nun um noch massiveres Farmen von interessanten Gegnern und vor allem darum, dass sehr wertvolle und seltene Gegenstände gar nicht mehr im Spiel zum Kauf angeboten werden. Es wurde die Befürchtung geäußert, dass solche Gegenstände nur noch über Station Exchange für echtes Geld zu kaufen wären.

SOE reagierte noch vor dem Start auf einige Kritik und Vorschläge von Spielern und aktivierte Station Exchange nur für eine begrenzte Zahl von Servern – so wurde kein Spieler gezwungen auf einem Server zu spielen, auf dem man Gegenstände oder Charaktere mit echtem Geld kaufen kann.

Aber nicht nur Spieler meldeten sich mit Kritik zu Wort, auch andere MMORPG-Betreiber:  So kritisierten Blizzard (World of Warcraft ) und NCsoft (Lineage II , City of Heroes ) indirekt die Pläne von SOE, schlossen aber bisher auch nicht aus, in Zukunft das Konzept zu kopieren. So sagte Lisa Jensen, Sprecherin von Blizzard, dass Blizzard den Erfolg von Station Exchange beobachten werde und abwarten würde, wie sich der Handelsplatz bewährt. Vorerst würde aber der Handel von Gegenständen und Charakteren weiter verfolgt werden. An der Effektivität dieser Verfolgung kann man aber angesichts der unüberschaubaren Zahl von Angeboten für WoW zweifeln.

Interessant wird sein, wie sich Station Exchange in den nächsten Monaten entwickeln wird. Leider hält sich SOE mit Zahlen etwas zurück, nur der Stand nach dem ersten Betriebsmonat wurde von SOE in einer Pressemitteilung bekannt gegeben. So wurden auf den zwei Servern, auf denen Station Exchange aktiv ist, in den ersten 30 Tagen $180.000 ($80.000 für Charaktere, $10.000 für Gegenstände und $90.000 für virtuelles Geld) von Spielern ausgegeben. Mehr als 50% aller angebotenen Waren wurden auch verkauft und für einen Charakter wurden $2000 gezahlt, was das Preis-Limit für ein Angebot bei Station Exchange ist. Wie viel an Gebühren hier abfallen, das wird leider verschwiegen; aber auch bei den geringen Gebühren die SOE verlangt, dürfte sich das Ganze gut rechnen.

Man kann über Station Exchange und die Tür zum Kommerz, die SOE geöffnet hat, trefflich streiten. Jedoch darf man dabei nie aus dem Auge verlieren, dass 2003/4 weltweit ein vermuteter Umsatz von 300.000.000 Dollar mit dem Handel von Gegenständen (Hochrechnung aus Verkäufen über eBay usw.), virtuellem Geld und Charakteren gemacht wurde. Der Wille der Spieler, echtes Geld in ein Spiel zu stecken, ist da und steigt mit jedem Spieler, der ein MMORPG beginnt. Der Markt ist seit Jahren da und wird auf halblegale Weise durch die Drittanbieter bedient – immer mit dem Risiko des Käufers, dass er für seinen Handel gesperrt wird und damit sein Geld weg ist.

Man kann es SOE nicht verdenken, dass sie den Markt nicht Dritten überlassen wollen, denn immerhin ist EverQuest II noch immer ihr Spiel. Wenn die juristischen Möglichkeiten nicht greifen oder die Verfolgung von Verkäufen im Spiel nicht möglich ist, warum dann nicht eine kontrollierbare Alternative anbieten? SOE kennt das Problem mit dem Handel schon sehr lange und hat viele Dinge versucht, diesen zu unterbinden - doch wie der Markt zeigt ohne Erfolg. Diese Lektion werden auch andere MMORPG-Betreiber bald gelernt haben. Und auch wenn die Hemmschwelle groß ist: ein Handelsplatz wie Station Exchange dürfte in Zukunft Bestandteil eines jeden MMORPG Konzept sein. So lange es nicht zu einem Zwang wird, sondern, wie bei Station Exchange, nur auf bestimmten Servern möglich ist, wird damit kein Spiel ruiniert.

Sebastian Rosendorfer

      

Kommentare

nuffi schrieb am
da entflieht man der realen welt und findet sich in eben der gleichen, aber nunmehr virtellen welt wieder. schöne neue virtualität.
schrieb am