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4Players: Sie haben um die 140 Bücher geschrieben und gelten als Deutschlands erfolgreichster Fantasy-Autor…
Wolfgang Hohlbein: …zumindest unter den Lebenden. Ich denke, dass Michael Ende noch erfolgreicher war- vielleicht nicht in der Auflage, aber im Bekanntheitsgrad.
4Players: Haben Sie angesichts dieser Produktivität Phasen, in denen Sie einfach keine Lust mehr haben?Wolfgang Hohlbein (geb. 1953). Alles zu Leben, Werk und eine Bibliografie bietet euch die offizielle Webseite .
Wolfgang Hohlbein: Ja, natürlich. Dann lasse ich alles liegen, fahre mit dem Motorrad durch die Eifel, male Figuren an oder bastle an meiner Ritterburg. Aber das hält nie länger als eine Woche an.
4Players: Welches Ihrer Werke würden Sie einem Leser empfehlen, der Ihr Labyrinth an Lektüre betreten möchte?
Wolfgang Hohlbein: Das ist eine schwierige Frage, weil ich in sehr unterschiedliche Richtungen schreibe. Mein Lieblingsbuch ist Hagen von Tronje . Das hat mir beim Schreiben am meisten Spaß gemacht und ich halte es immer noch für mein bestes Buch, obwohl der große Erfolg ausgeblieben ist.
4Players: Was hat Sie an Hagen so interessiert?
Wolfgang Hohlbein: Er ist quasi die mythologische Schnittstelle zwischen Heidentum und Christentum. Ich habe ihn als Letzten seines Volkes angelegt. Einer, der mit Würde untergeht.
4Players: Und welches Buch würden Sie einem Leser empfehlen, wenn er Ihr Labyrinth fluchtartig verlassen soll?
Wolfgang Hohlbein: Unter anderem Das Buch . Nicht, weil ich es für schlecht halte. Aber es fällt aus dem Rahmen und ist relativ kompliziert angelegt. Es hat keine überschaubare Handlung. Wer noch nie Fantasy gelesen hat und in "Das Buch" einsteigt, wird wohl enttäuscht.
4Players: Germanische und keltische Mythologie, Fantasy und Horror, Indiana Jones und Vampire - Ihre Themen sind unheimlich breit gefächert. Mit welcher Welt beschäftigen Sie sich am liebsten?
Wolfgang Hohlbein: Da habe ich keine Vorlieben. Aber ich mag diese Trennungen auch nicht. Auch das Wort "Fantasy" wird viel zu inflationär gebraucht. Ich bevorzuge lieber das alte deutsche Wort "Phantastik". Ich hab nie eingesehen, warum ein Roman, in dem ein Zauberer vorkommt, eine Fantasy-Geschichte sein muss. Für mich sind das alles fantastische Geschichten, weil sie außerhalb der Realität stehen.
4Players: Das Börsenblatt des deutschen Buchhandels hat schon 2004 angemahnt, dass die Zeit der Fantasy vorbei sei. Und für viele gilt Peter Jacksons Ringverfilmung als der Zenit eines Genres, das immer mehr an Reiz verliert. Es gibt angeblich zu viele Klischees, Nachahmer und Stereotypen. Können Sie dem zustimmen?
Wolfgang Hohlbein: Das sehe ich ganz anders. Ich habe ja engeren Kontakt mit den Lesern als die hochintelligenten Herren vom Börsenblatt. Gerade bei der jüngeren Generation bis Mitte 20 wird das eigentlich immer beliebter. Die Phantastik hat sich klammheimlich ihren Platz in der Literatur erobert.
4Players: Wie war das in Ihrer Jugend?
Wolfgang Hohlbein: Da wurde ich noch schräg angeschaut, wenn ich Perry Rhodan lesen wollte. Es hatte fast etwas Anrüchiges - heute ist das kein Thema mehr. Vor zwanzig Jahren hätte man ja sogar Krimis, die vielleicht Wahrsage-Elemente enthalten als Spinnerei abgetan. Mittlerweile haben sich übersinnliche Elemente sowohl in der Literatur als auch im Fernsehen etabliert. Selbst bei Henning Mankell würde mich das nicht wundern.
4Players: Auch das Spiel kann sich erst so langsam als Kulturgut neben Film, Buch und Musik etablieren, wird aber gerade in Deutschland immer noch gerne als Schund diffamiert oder in die Gewaltschublade geschoben. Stichwort: "Killerspiel". Was halten Sie von der Debatte?
Wolfgang Hohlbein: Die Bandbreite des Angebots ist ja gewaltig. Ich habe übrigens auch ganz gerne Doom oder Half-Life gespielt. Das Problem ähnelt dem der Filme oder Bücher: Letzten Endes muss der Konsument entscheiden, was er mit der Welt macht, in die er abtaucht. Es gab da z.B. mal die Gore-Romane von Jack Norman und eine große Diskussion in den USA, als jemand angeblich einen Mord begangen hat, nachdem er die Romane gelesen hatte - und schon war das Geschrei groß. Man hat natürlich eine gewisse Verantwortung als Autor. Aber letzten Endes darf man sich diesen Gewalt-Schuh nicht anziehen, wenn man nicht gerade etwas verherrlicht.
4Players: Gibt es eine literarische Fantasy-Welt, in die Sie nicht nur als Leser, sondern auch als Spieler gerne abtauchen würden?
Wolfgang Hohlbein: Also wenn, dann sicher Mittelerde. Allerdings lieber Peter Jacksons Mittelerde.
4Players: Warum mögen Sie die lieber als das Tolkien'sche Original?
Wolfgang Hohlbein: Wegen der Bilder. Er hat diese Welt einfach unheimlich dicht inszeniert. Ich weiß, dass die harten Fans viele Stellen gefunden haben, die nicht mit dem Buch übereinstimmen. Aber es ist bisher der erste Film gewesen, wo ich wirklich gedacht habe: Mensch, genau das habe ich mir beim Lesen so vorgestellt. Diese Gratwanderung zwischen Realität und Phantastik hat Jackson wunderbar gemeistert.
4Players: Denken Sie, dass ein Spiel eine ähnlich gute Geschichte erzählen kann wie ein Buch?
Wolfgang Hohlbein: Ich kenne mich zwar mit Spielen nicht so gut aus, aber ich denke schon. Ich bin zwar kein Fan von Rollenspielen am Computer, aber wenn ich bei meinen Kindern so reinschaue, ist das durchaus faszinierend, was erzählt wird. Die Drehbücher zu Spielen sind ja fast acht Mal so dick wie meine Romane (lacht)…
4Players: Sind Sie selber Spieler?
Wolfgang Hohlbein: Jein. Pen&Paper-Rollenspiele wie Das Schwarze Auge habe ich vor längerer Zeit versucht - ist zwar faszinierend, ich schaue auch gerne zu, aber da springt der Funke einfach nicht über.
4Players: Warum konnte der Funke da nicht überspringen?
Wolfgang Hohlbein: Ich weiß es nicht. Eigentlich müsste ich für diese Art Spiel prädestiniert sein, aber es klappt nicht. Was ich ganz gerne mache sind Tabletops . Aber ehrlich gesagt auch weniger des Spiels wegen, sondern eher deshalb, weil ich Miniaturen anmalen kann. Ich spiele quasi nur als Alibi so drei Mal im Jahr.
4Players: Und am PC?
Wolfgang Hohlbein: Da mehr die Strategiespiele wie Die Siedler oder Age of Empires . Ich habe immer Spaß, wenn ich eigene Welten aufbauen kann.
4Players: In der Welt der PCs und Konsolen dominieren amerikanische, britische und japanische Studios mit ihren Spielen. Wie ist das im Bereich der Fantasy-Literatur? Welchen Stellenwert genießen deutsche Autoren?
Wolfgang Hohlbein: Natürlich überschwemmen die englischsprachigen Autoren den Markt. Und was hier an Übersetzungen ankommt, ist ja nur die Spitze des Eisberges. In den letzten vier, fünf Jahren hat es sich ein bisschen geändert und deutsche Autoren mischen ein wenig mit. Aber in den ersten zehn Jahren meiner Karriere war ich ja fast der einzige Autor, der sich mit der Phantastik beschäftigt hat. Niemand wollte sich "herablassen", einen Fantasy-Roman zu schreiben…
4Players. Warum hat die Fantasy in Amerika schon seit Jahren diesen hohen Zuspruch?
Wolfgang Hohlbein: Weil die Amerikaner noch nie diesen Dünkel hatten, den es hier in Deutschland immer noch gibt. Dort gibt es den Unterschied zwischen ernster und trivialer Literatur nicht; außerdem wird auch nicht so schnell die Schund-Schublade aufgemacht.
4Players. Seit einiger Zeit stürmt G.R.R. Martin die Fantasy-Charts in Übersee und Europa. Was halten Sie von seiner groß angelegten Saga Lied von Eis und Feuer ?
Wolfgang Hohlbein: Ich hab mir alle sechs Bücher auf einmal gekauft, weil ich ein großer Fan von ihm bin. Aber ich war auch ein klein wenig enttäuscht: Er schreibt wunderbar - keine Frage. Wenn ich sehe, wie er Charaktere oder Situationen beschreibt, werde ich schon neidisch. Ehrlich gesagt würde ich das auch gerne können. Aber mir fehlt so ein bisschen die Geschichte. Es passiert mir zu wenig und ich befürchte, dass er auch noch nicht so genau weiß, worauf er hinaus will. Ansonsten kann ich es nur jedem wärmstens empfehlen, denn es gibt derzeit kaum etwas Besseres auf dem Gebiet der Fantasy.
4Players: Was halten Sie von Online-Rollenspielen im Stile von EverQuest II oder World of WarCraft , die ewig bestehende Welten simulieren?
Wolfgang Hohlbein: Die habe ich nie gespielt, aber ich stelle mir das sehr interessant vor. Vor einiger Zeit habe ich das sogar meinen Kindern bei Todesstrafe verboten, weil es sehr teuer war (lacht)…im Zeitalter der Flatrates ist das natürlich kein Problem mehr und ich werde mich vielleicht selber mal an diese Spiele wagen.
4Players: Clive Barker hat schon 2001 am Horror-Shooter Undying mitgearbeitet. Und gerade entwickelt er zusammen mit John Woo ein 3D-Actionspiel namens Demonik . Egal ob der Herr der Ringe, Cthulhu oder Harry Potter - prominente Literatur wird immer öfter versoftet. Gibt es auch Pläne, eines Ihrer Werke in ein Spiel umzuwandeln?
Wolfgang Hohlbein: Ja, wir arbeiten gerade mit Phenomedia aus Bochum zusammen und entwickeln ein Spiel zu Die Chronik der Unsterblichen . Es gab schon einen Comic, aber die Atmosphäre und die Anmut der Charaktere wollen wir ins Spiel übertragen.
4Players: Was wird das für ein Spiel? In welche Richtung geht es?
Wolfgang Hohlbein: Das wissen wir noch nicht. Wir haben uns erst kürzlich mit den Entwicklern aus Bochum getroffen, um erste Konzepte und Ideen zu besprechen. Das, was die Jungs mir gezeigt haben, hat mich sehr begeistert. Jetzt geht es zunächst um die Finanzierung des Projektes und da wird sicher noch ein Jahr ins Land gehen.
4Players: Das Druidentor aus dem Jahr 1993 gilt für viele als ihr gelungenstes Werk: Ein ICE bleibt in einem Alpentunnel stecken, Angst vor Terror macht sich breit und plötzlich kommt es zu mysteriösen Entdeckungen. Wäre das nicht der ideale Stoff für ein spannendes Adventure?
Wolfgang Hohlbein: Ja, warum nicht? Dass wir die Chronik der Vampire jetzt in ein Spiel verwandeln wollen, kam auch eher durch die Zeichner ins Rollen, die den Comic gemacht haben. Aber ich hoffe, dass das nicht das einzige Projekt bleibt. Das Druidentor könnte ich mir auch sehr gut als Adventure vorstellen.
4Players: Sie werden die Hintergrundstory für das Browserspiel KnightsDivine schreiben, das am 1. Mai bei
4Players.de angeboten wird. Wie ist es zu der Zusammenarbeit gekommen? Die Übersichtkarte des Browsergames KnightsDivine.
Wolfgang Hohlbein: Die beiden Entwickler haben mich einfach angerufen und gefragt, ob ich Lust dazu hätte. Ich höre mir so etwas immer an und sage dann meist in neun von zehn Fällen ab. Aber als die Jungs mir das Spiel hier bei mir gezeigt haben, war ich interessiert. Zumal ich auch gerne mal etwas Neues ausprobiere.
4Players: Können Sie schon etwas über die Welt verraten?
Wolfgang Hohlbein: Leider nicht viel. Ich warte noch auf weiteres Material, aber es wird sich um eine mittelalterliche Fantasy-Welt handeln. Allerdings wird es wirklich nur eine kleine Hintergrundstory geben: Ein Held taucht auf, findet nichts vor und muss sich sein Reich aufbauen - so in etwa. Ich habe schon ein Konzept, aber noch ist das alles zu ausführlich für so ein Spiel.
4Players: Sind Sie abseits der Story noch weiter in die Entwicklung von KnightsDivine eingebunden?
Wolfgang Hohlbein: Ja, ich werde z.B. einige Audio-Files beisteuern und den Mentor für KnightsDivine sprechen.
4Players: Was finden Sie als Spieler so interessant an KnightsDivine?
Wolfgang Hohlbein: Dass ich nicht gegen den Computer, sondern gegen Menschen antrete. Ich habe bisher immer einen Trick herausgefunden, um gegen den Computer zu gewinnen. Hier ist der Spielverlauf unberechenbarer.
4Players: Interessiert Sie eigentlich die Kritik von Fans und Fachpresse?
Wolfgang Hohlbein: Doch, doch. Wobei ich sagen muss, dass die Kritiker bisher immer sehr lieb zu mir gewesen sind. Allerdings interessieren mich weniger die Stimmen vom Buchreport, dem Spiegel oder Stern. Viel wichtiger sind mir die Dinge, die die Leser mir schreiben. Wenn ich da mal 50 Zuschriften bekomme, die etwas bemängeln, dann mache ich mir schon Gedanken.
4Players: Arbeiten Sie derzeit an einem Roman?
Wolfgang Hohlbein: Ja, ich werde heute oder morgen mit einem neuen Roman beginnen. Ich habe jetzt vier Wochenenden darüber nachgedacht und Material gesammelt. Ich weiß noch nicht genau, wie lang er wird, aber es wird eine Abenteuergeschichte, die so ein bisschen in Richtung Lovecraft geht - allerdings nicht ganz so schauerlich.
4Players: Wenn Sie drei Schriftsteller oder Werke nennen müssten, die Ihren Erzählstil am meisten geprägt haben - welche wären das?
Wolfgang Hohlbein: Ich würde Tolkien nennen. Dann Karl May , der mich schon früh begeistert und beeinflusst hat - vor allem zum epischen Schreiben. Und vor allem H.P. Lovecraft .
4Players: Vielen Dank für das Interview.
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