Special: Film & Spiel (Sonstiges)

von Jörg Luibl



Film & Spiel
Sonstiges
Entwickler: Spielkultur
Publisher: 4Players
Release:
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Spielinfo
Wir haben im Rahmen des Spielkulturthemas "Film & Spiel" ein Gespräch mit dem Medienwissenschaftler Jürgen Sorg geführt, der beim DFG-Forschungskollegs "Medienumbrüche" der Uni Siegen arbeitet. Er beschäftigt sich intensiv mit den Verquickungen von Leinwand- und Bildschirmabenteuern, spielt derzeit am liebsten das Epos Shadow of the Colossus oder den Prügler Def Jam: Fight for NY.

4Players: Herr Sorg, könnten Sie sich kurz vorstellen?

Jürgen Sorg: Klar, ich bin 30 Jahre alt, habe Kultur- und Medienwissenschaften in Hannover, Southampton und Siegen studiert und arbeite derzeit im Teilprojekt "Mediennarrationen und Medienspiele" des DFG-Forschungskollegs
Jürgen Sorg (30), Medienwissenschaftler an der Uni Siegen.

Mehr dazu im Interview!
"Medienumbrüche" an der Universität Siegen. Mein Forschungsinteresse gilt dabei vor allem der Theorie und Analyse von Computerspielen und anderen populären Mediengattungen. In meiner Dissertation beschäftige ich mich mit der Genese und Zirkulation medialen Formwissens.

4Players: Oh je - das muss man erstmal sacken lassen. Fangen wir mit leichterer Kost an:  Was spielen Sie derzeit am liebsten?

Jürgen Sorg: Auf der PSP spiele ich gerade Def Jam Fight for NY . Auf dem PC ist es Half-Life 2: Episdoe 1   (HL2) und auf der PS2 zum wiederholten Male Shadow of the Colossus .

4Players: Das ist eine knackige Zusammensetzung. Woher kommt Ihr akademische Interesse am Spiel?

Jürgen Sorg: Als Medienwissenschaftler bin ich prinzipiell an allen Medien interessiert. Beim Computerspiel hat man es aber meiner Meinung nach mit einem der gegenwärtig interessantesten und kulturell bedeutsamsten Entwicklungen in der Medien- und Unterhaltungslandschaft zu tun. Medienwissenschaftlich gesehen also ein zentraler Gegenstand. Dass ich auch privat gerne spiele, macht es für mich nur angenehmer .-)

4Players: In Ihrer Forschung geht es um Medienumbrüche und um das Verhältnis von Film und Spiel. Wie sieht dieses Verhältnis aus?

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Jürgen Sorg:
Man kann davon ausgehen, dass in den 1990er Jahren der Markt für Computerspiele zur ökonomisch bedeutendsten Branche der Unterhaltungsindustrie geworden ist. Dabei hat das Computerspiel den massenattraktiven Spielfilm als kulturell repräsentative Mediengattung nachhaltig relativiert. Begünstigt wurde diese Verschiebung technologisch durch die rasante Effizienzsteigerung digitaler Bild- und Datenverarbeitung: die Computerspiele erlaubten es Spieler zunehmend, in fiktionale Welten einzutauchen, die bis dahin nur vom erzählenden Spielfilm vermittelt werden konnten. Dabei bediente sich die Computerspiel-Industrie nicht zuletzt der visuellen Mittel und stofflichen Bestände des massenattraktiven Spielfilms. Der massenattraktive Spielfilm wiederum hat auf die ökonomisch und kulturelle Bedeutsamkeit des Computerspiels reagiert und zunehmend Formen und Inhalte des Computerspiels aufgegriffen.

4Players: Welche Tendenzen sind momentan im Computerspiel zu erkennen? Und denken Sie, dass die Verquickung von Spiel- und Filmelementen eine fruchtbare ist?

Jürgen Sorg: Beim Computerspiel lässt sich seit Jahren kontinuierlich ein Trend zum Realismus der dargestellten fiktionalen Welten beobachten, die vor allem durch die Computertechnologie ermöglicht wird: die Figuren bewegen sich immer natürlicher, Gesichter können mimisch und gestisch Emotionen darstellen, die Physik wird realistischer, die Welten werden 'größer' und damit der Handlungsraum weniger begrenzt usw. Ästhetisch orientiert sich das Computerspiel dabei weiterhin an konventionalisierten visuellen und akustischen Mitteln aus Spielfilm und Fernsehen: Sportspiele erinnern an Live-Sportübertragungen aus dem Fernsehen, Cutscenes werden immer aufwendiger und 'filmischer', eigens für Spiele komponierte (Film-)Musik findet sich zunehmend in Spielen, die Perspektive auf das Spielgeschehen orientiert sich an den Konventionen des Spielfilms etc. Diese Narrativierung von Figuren und Welten bedarf wiederum zunehmend 'überzeugender' Hintergrundgeschichten, die die Handlungen der Figuren - und somit der Spieler - einbettet, motiviert und legitimiert. So findet sich weiterhin vermehrt die Übernahme bekannter Stoffe und Motive aus massenattraktiven Erzählungen. Beim Computerspiel handelt es sich also um ein Hybridmedium, das seine Spielherausforderungen narrativ verschaltet.

4Players: Und das wird so bleiben? Oder gibt es Tendenzen zur Loslösung?

Jürgen Sorg: Vor diesem Hintergrund wird es kaum zu erwarten sein, dass narrative Formen des Spielfilms und anderer Medien nicht mehr in Computerspielen zu finden sein werden. Im Gegenteil. Interessant ist dabei vielmehr, dass das Computerspiel durch diese Übernahmen eigene genuine Formen ausgebildet hat.

4Players: Welche zum Beispiel?

Jürgen Sorg: Die Cutscene ist ein solches Beispiel. Ästhetisch oftmals am Film orientiert, übernimmt sie im Computerspiel durchaus wichtige Funktionen: sie kann für die Spielhandlungen entscheidende Informationen vermitteln, sie kann Handlungen motivieren und legitimieren, sie kann die Erzählhandlung vorantreiben etc. Eine aus meiner Sicht sehr gelungene minimalistische Verwendung von Cutscenes zeigt sich beispielsweise in Shadow of the Colossus. Gerade hier kann auch verdeutlicht werden, wie Erzählungen im Computerspiel clever realisiert werden können.
              

Kommentare

johndoe-freename-80028 schrieb am
Hi Jörg,
schöner Beitrag. Ich finde es gut, dass der akademische Diskurs auch populäre "Spielstätten" wie dieses Forum aufsucht.
Was den Vergleich zwischen Film und Spiel auf der Ebene der Narration und der Form angeht würde ich mir noch weitergehende Analysen wünschen.
a) Tetris erzählt bekanntermaßen nichts und ebensowenig Space Invaders. Die Narratologie "vernachlässigt" in meinen Augen diese Elemente bzw. stützt sich dann auf die Mehrheit der Spiele, die Gameplay und Story verschalten. Müsste man nicht kritisch den Umstand reflektieren, dass Narration die Games regelrecht auflädt - oftmals zu ungunsten innovativer Spielprinzipien?
b) Der Vergleich zwischen Film und Games stützt sich meist auf die Optik, manchmal auf die Technik, also den Einsatz von CG in Film oder von "Cutscenes" in Games. Interessant ist doch aber, dass Film seine Geschichte über die Kameraeinstellung erzählt, während im Game die vom Spieler geführte Einstellung der Kamera - mit Ausnahme von Cutscenes - keine narrative Bedeutung hat, sondern einzig der Orientierung bzw. Erkennung dient. Ist das nicht ein bemerkenswerter Unterschied zwischen beiden Medien? Mein Eindruck ist, dass genau aufgrund dieser Differenz die Versuche, Computerspiele im Film anklingen zu lassen, bisher enttäuschend waren.
c) Die Unterscheidungen hinsichtlich der Partizipation des Zuschauers/Gamers, also zwischen einem "lean forward"-Medium, wie die Games, und "lean back" wie der Film sind inzwischen zu häufig in Anschlag genommen worden und zu grob. Der Diskurs sollte hier voran schreiten - wie siehst du hier die Entwicklung? Wo findet man in dem Diskurs neue Impulse?
Beste Grüße
johndoe477744 schrieb am
Na was Fahrenheit angeht muss ich Dir das mit der 2ten Hälfte
einfach mal glauben,denn wie gesagt ich habe es "noch"nicht
gespielt.
Ich spiele viel Aktion -Adventure,von daher bin ich auch wie
Du immer an Spielen mit guter Story interessiert und ja,man
muss schon suchen,aber anders als Du habe ich da schon
ein paar gefunden,die meine Erwartungen erfüllt haben.
Richtig ist sicherlich,dass viel auf Mainstream und Sicherheit
hin produziert wird,um den Massenmarkt zu bedienen,dennoch
gibt es immer wieder Ausnahmetitel,auch wenn die ,wie Du schon
richtig sagst im Vergleich zu dem Mainstream recht rar gesäht sind.
Gerade fällt mir noch Prince of Persia-Sands of Time ein...
Naja,wir werden sehen was uns die neue Konsolengeneration so bringt,
glücklicherweise gibt es immer wieder Spieleschmieden,die
auch mal etwas ungewöhnliches,abseits des Mainstreams
versuchen und da setze ich drauf und sehe dem Ganzen
etwas positiver entgegen. :wink:
Ragism schrieb am
@ n2deep: Fahrenheit war für ein Spiel sehr gut erzählt, aber wenn es mit den Ansprüchen eines Filmes oder Buches beäugt worden wäre, wäre das Spiel vernichtend verrissen worden, weil die zweite Hälfte des Spieles einfach lächerlich war. Die Bewertungskriterien für Spiele belaufen sich auf kleingeistige Bedienungselemente, KI oder Grafik. Das wäre, als wenn ein Roman nach einigen wenigen Sätzen oder Tippfehlern bewertet werden würde, das ist der Punkt.
Beyond Good & Evil ist in der Tat eines der besseren Spiele, das hat mir richtig Spaß gemacht und ich war bis zum Schluß voller Begeisterung dabei. Sorry, daß ich den Titel vergessen habe ^^
Nichtsdestotrotz ist das eine Ausnahme. Das eine wirklich gute Spiel, das vielleicht im Jahr rauskommt, hilft der Quote und der Situation nur bedingt. Vielleicht bin ich wirklich zu frustriert und unfair, aber wenn ich mir ansehe, wie einfalls- und lieblos mit dem Medium umgegangen wird, welches das größte Potenzial besitzt, werde ich nunmal sehr ärgerlich.
johndoe477744 schrieb am
@Ragism
In den letzten 2 Jahren kein Spiel mit Tiefe oder
guter Story gefunden?!Hmm.Komisch.
Beyond Good and Evil,Fahrenheit(zwar selber
noch nicht gespielt,aber scheint doch in Deine
gesuchte Kategorie zu fallen)
oder auch King Kong orientiert sich ja fast 1 zu 1 am
Film.
Shadow of the Colossus...sind nur wenige Beispiele
für Spiele mit Spieltiefe(Charaktertiefe),
oder Seele(BG and E) wie Jörg sagen würde.
Also ich glaube,da hast Du bestimmt einige gute Spiele
einfach übersehen oder nicht angespielt,es gibt ja noch so
viel mehr.
In einem Punkt gebe ich Dir aber Recht,dass es viele Spiele
gibt,die zwar auch sehr gut sind,aber das Augenmerk eher
auf Action liegt und die Story nur Beiwerk ist,ist wohl war.
Bei einigen Games wäre wohl viel mehr drin gewesen,wenn
die Story nur etwas komplexer oder spannender gewesen wäre
,oder der ein oder andere Held etwas mehr Format
abbekommen hätte.
Ragism schrieb am
Einige sehr interessante Aspekte wurden hier angesprochen. Ich will aber erstmal ein Thema anschneiden, welches mich am meisten beschäftigt.
Ich finde, daß Spiele auf jeden Fall versuchen sollten, sich erzählerisch an den Ansprüchen zu orientieren, welche an Bücher und Filme gestellt werden. Sicherlich wird es da immer eine Vielfalt geben und Spiele in der Art von Tetris oder Pacman werden auch in Zukunft eine Menge Spaß machen, aber wenn es ausschließlich inhaltlose Titel gibt, wird unser kleines Hobby niemals auf eine größere Akzeptanz stoßen. Ich bin ein denkender Spieler, der Inspirationen braucht um begeistert zu werden. Für mich ist in den letzten zwei Jahren eigentlich kein Titel mehr erschienen, obwohl ich alles angespielt habe.
Die Folgen davon sind, daß Spiele nur noch kurzfristig Spaß machen oder mittelfristig nur dann, wenn sie einen noch viel inhaltloseren Multiplayer-Modus besitzen. Es macht mich selbst am traurigsten, wenn ich mich nicht an eine einzige Story oder Dramaturgie in den letzten Jahren erinnern kann, welche mich nachhaltig beeindruckt hat. Und es sind nunmal diese Elemente, welche einem Spiel eine Zeitlosigkeit verleihen.
Ansätze wie sie in Peter Molyneux's Fable 2 gemacht werden sind ein interessanter Punkt und haben ihrerseits einen Anspruch, weil sie spielerisch und atmosphärisch so originell sind, daß daraus wieder unvergessliche, dynamische Ereignisse entstehen können. Viel einfacher gestalten könnte man es allerdings, wenn man stattdessen einfach mal eine wirkliche Charaktertiefe und eine gut getimete Dramaturgie einsetzt. Leider kann man nur noch müde lächeln, wenn ein gut bezahlter PR-Fuzzi eines x-beliebigen Publishers einem etwas von "spannenden Stories" und "tiefgründigen Charakteren" erzählt, weil nicht einmal Half-Life 2 spannender als eine Telenovela erzählt werden konnte. Die Erzählkultur ist der Technikkultur gewichen.
Ich hoffe inständigst, daß kleinen Entwicklern Plattformen geboten werden können, um nicht-mainstreamige...
schrieb am