Special: A Maze Berlin 2014
Ein Indie-Festival wächst weiter
Neben einer deutlich größeren Konferenz gab es in diesem Jahr eine separate Ausstellung, die der Öffentlichkeit zugänglich war und mit allerlei faszinierenden Exponaten ausgestattet war. Für viele der über 3800 Besucher des Urban Spree dürfte sie auch die erste Gelegenheit gewesen sein, mal ein Oculus Rift auszuprobieren – wohlgemerkt ohne stundenlange Warteschlangen, wie man sie von der gamescom gewohnt ist. Das VR-Headset war gleich bei mehreren Projekten am Start.
Was ist (nicht) angesagt?
Hirani mahnte, es sei extrem wichtig, dass die Hersteller und Entwickler jetzt alles richtig machen und ebenso gute wie allgemein verträgliche Produkte abliefern. Sollte man es jetzt vermasseln, könne es zehn bis 20 Jahre dauern, bis der Markt einem verziehen hat und man einen erneuten Anlauf wagen kann. Das Feedback der Entwickler sei auch recht eindeutig: Momentan sei noch kein Hersteller von VR-Brillen so weit, ein marktreifes Gerät zu präsentieren.
Der in der Diskussionsrunde Anwesende warf ein, VR sei für ihn nicht die ultimative, sondern einfach nur eine andere Form der Immersion. Auch rief er das Potenzial des Headsets in Erinnerung, indem er auf den Animationsfilm
Einigkeit herrschte bei einer Frage: Nicht nur Spiele mit Ego-Perspektive würden sich für ein VR-Erlebnis eignen. Hirani nannte Rennspiele und andere Simulatoren als Beispiel für taugliche Konzepte jenseits der Shooter- und Horror-Gefilde. Der Sony-Mann sagte auch, dass eine simple 1:1-Umsetzung vorhandener Shooter keine gute Idee sei und Probleme mit sich bringe. So seien dort z.B. Türen oft viel größer als in der wirklichen Welt, weil sie sonst für den Spieler zu klein wirken würden. Mit einem VR-Headset würden sie dann hingegen riesig und unpassend wirken. Lukasz Spierewski, dessen Team gerade Super Hot für Rift portiert hat, fand: VR-Eignung hänge schlichtweg nicht von der Art der Perspektive, sondern der Art des Spiels ab. Extrem hektische Erlebnisse seien anstrengender und weniger verträglich als langsamere.
1000 Jahre spielen
Die Veranstalter des A Maze legen seit jeher Wert darauf, auch den künstlerischen und kulturellen Wert von interaktiven Erlebnissen in den Mittelpunkt zu rücken. Und so sieht man dort auch allerlei Vorträge, die auf einer Entwicklerkonferenz wie der Quo Vadis nicht unterkommen würden.
So plauderte Pippin Barr über seine Zusammenarbeit mit der Performance-Künstlerin Marina Abramovic, die u.a. in einem Spiel resultierte, in dem man mit einer nackten Frau – in sehr abstrakter Pixeloptik – stundenlang eine Leiter rauf- und runterklettern kann. Das Ganze basiere auf einer Arbeit von Abramovic und sei eine Aussage über
Es geht nicht nur um Spaß, auch um Schönheit
In einem anderen Gespräch sagten Auriea Harvey und Michaël Samyn von Tale of Tales (The Path, The Graveyard, Bientôt l'été), ihnen gehe es bei ihren Konzepten vor allem um Schönheit, nicht zwingend um Spaß und Unterhaltungswert. Vieles um uns herum werde immer hässlicher, deswegen würden sie sich bei den Teilen der Wirklichkeit, die sie beeinflussen und gestalten kann, eben auf Schönes konzentrieren.
Es sei manchmal seltsam, sich Spielvideos auf Youtube anzugucken – die meisten Leute wüssten nicht, wie sie die Werke des Duos wirklich spielen sollen. Eine weitere interessante Aussage der beiden Entwickler: Wer sein ganzes Leben Videospiele gespielt hat, sollte nicht unbedingt selbst später welche produzieren; es sei doch viel faszinierender, sein erlerntes Wissen und die Fertigkeiten dann in völlig andere Bereiche einzubringen.
Porno im Museum
Die manchmal verkopft wirkenden Ideen und Ansinnen scheinen bei manchen Spielern oft feindselige Reaktionen hervorzurufen, obwohl eigentlich keiner der Designer, die nicht primär auf Spaß aus sind, anderen Spielen ihre Daseinsberechtigung absprechen würde – ebenso wenig wie das Arthouse- und Autorenkino den klassischen Film ergänzt, nicht bedroht hat.
Und wenn Harvey z.B. Half-Life 2 eher zu einem Spiel gemacht hätte, das sich um das zusammengekauerte Pärchen dreht, an dem man in der initialen Fluchtsequenz in einer Wohnung vorbeirennt, ist Samyn klassischen „Blockbustern“ gegenüber gar nicht abgeneigt. Aufgrund eines Neujahrsvorsatzes habe er mal ein Jahr lang kein Spiel gespielt, in dem andere umgebracht werden können. Danach habe er sich wieder an Call of Duty und Battlefield gesetzt und sei überrascht gewesen, wie viel Spaß er mit jenen Titeln hatte. Die gerne dargebotene Kritik an CoD & Co. sei oft gar nicht gerechtfertigt. Das, was sie machen wollen, würden sie gut machen, so der Mann, der selbst über sich sagt, dass Kunst ihn geradezu errege und der Gang ins Museum fast schon etwas Pornografisches für ihn sei.
Eine Besprechung des jüngsten Werkes des Duos, der bunten Sex-Allegorie Luxuria Superbia, haben wir heute veröffentlicht.
„Verlangt einen Preis für euer Spiel“
Eine weitere Diskussionsrunde beschäftigte sich mit der Spielekritik. Chris Priestman (Killscreen), Cara Ellison (Guardian, RockPaperShotgun), Lucy Morris und Dennis Kogel (u.a. Radio Fritz) sinnierten z.B. darüber, ob Journalisten denn irgendwann auch mal selbst Spiele entwickelt haben sollten. Ellison findet auch, dass sie dieser Tage oft Artikel von Leuten am interessantesten findet, die überhaupt nicht aus der Spieleecke stammen und dementsprechend neue Sichtweisen einbringen.
Eine Empfehlung von Ellison: Entwickler sollten auf jeden Fall ein Preis für ihr Spiel verlangen, auch wenn es nur ein symbolischer sein sollte, falls sie auf Berichterstattung hoffen. Kostenlose Spiele würden leider häufig nicht als vollwertige Spiele angesehen und deswegen kaum besprochen.
Kein Free-to-play, kein Kickstarter...
Auffällig war auch, worüber so gut wie gar nicht geredet wurde. Während sich auf der Quo Vadis ein paar Tage zuvor gefühlt jeder zweite Vortrag darum drehte, wie man eine Crowdfunding-Kampagne richtig aufzieht und vermarket oder F2P-Spiele gestaltet und monetarisiert, behielt A Maze auch in diesem Jahr einen Fokus auf das Kreative – nur ein einziger Workshop ging etwas auf Finanzierungsmöglichkeiten für Spiele ein. Das Spektrum der abgedeckten Themen war dabei sehr groß und deckte neben den erwähnten Themen Vorträge und Workshops zu Bereichen wie ASCII-Kunst, (sexueller) Belästigung, dem Bau eigener Controller, Musik, dem Aufbau von Entwickler-Communities oder dem von uns schon angesprochenen Gespräch mit Jonathan Blow ab.
Preise wurden natürlich auch noch vergeben: Der WTF! Award für ungewöhnliche Konzepte ging an Kyle Reimergartin für Fjords. Der Human Human Machine Award für Spiele, die zwei oder mehrere Leute interagieren lassen, wurde Mark Essen für sein Nidhogg zugesprochen. Über den Hauptpreis durften sich Lea Schönfelder und Peter Lu freuen, die sich mit ihrem Kinect-Titel Perfect Woman auf spielerische Art und Weise mit der Rollenerwartung an Frauen beschäftigten. Der von den Besuchern der Ausstellung bestimmte Publikumspreis ging Jerry Belich, der für sein Choosatron Textadventure und Kassenbon-Drucker kombinierte.
Das nächste A Maze Berlin wird wieder im Rahmen der International Games Week Berlin veranstaltet – und die wird 2015 vom 20. bis zum 27. April laufen.
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