Quo Vadis 200723.04.2007, Julian Dasgupta
Quo Vadis 2007

Special:

In der vergangenen Woche fand die fünfte Quo Vadis statt. Die von den Aruba Studios organisierte Konferenz, ein typisches Stelldichein deutscher Entwickler, zog es in diesem Jahr erstmals in die Bundeshauptstadt. Wie weit hinken einheimische Spiele dem internationalen Standard hinterher? Was muss sich in der Entwicklung verbessern? Wie kann man erfolgreicher sein?

Die Szene denkt nach: Wie gut sind deutsche Spiele?

Auf der Quo Vadis (lat. "Wohin gehst du?") ist der Name Programm, denn mit Rückblick auf die vergangenen Monate und Jahre fragt sich die deutsche Spieleindustrie naturgemäß, was die Zukunft denn so bereithält. Eine zentrale Fragestellung, die Bernd Diemer, Senior Game-Designer bei Crytek, Marko Hein, verantwortlich für strategische Entwicklung und Planung bei Kochmedia, Heiko Klinge, Redakteur bei der Gamestar, Teut Weidemann, CDV-Vorstand, sowie Martin Löhlein, Development Director bei EA Phenomic, unter der Leitung von Intels Arne Peters diskutierten.

Die Quo Vadis 2007 fand diesmal in Berlin statt - hier ein Blick auf die Diskussionsrunde.
Warum werden so wenig Spiele aus deutschen Landen auch weltweit ein Erfolg? Kapiert die Welt die deutschen Spiele nicht? Weidemann entgegnet, dass "es die deutschen Entwickler sind, die die Welt nicht kapieren." Diese wüssten grundsätzlich zu wenig über die Präferenzen der Spieler in anderen Märkten, auch fehle ihnen der Zugang zu entsprechende Daten wie beispielsweise den exakten Verkaufszahlen aus den USA.

Der Wissensmangel ist aber auch in der Geschichte des Marktes verortet, merkt Löhlein an. Vor mehr als zehn Jahren konnten die Hersteller gut davon leben, Spiele herzustellen, die nur hierzulande erfolgreich waren. Dies sei unter den heutigen Bedingungen nicht mehr möglich. Was nicht nur an den gestiegenen Produktionskosten liegt. Weidemann ergänzt, dass sich ein gutes Spiel früher für gewöhnlich 300.000 oder 400.000 Mal verkaufen konnte. Heute hingegen hätten auch Top-Seller schon an der 100.000er Marke zu knabbern.

Gesucht: International denkende Teams

Hein weist darauf hin, dass deutsche Entwickler in der Regel mit deutschen Publishern zusammenarbeiten. Dies würde nicht gerade dabei helfen, die Scheuklappen bzgl. internationaler Anforderungen abzulegen. Unisono heißt es, dass die Verstärkung der Teams bei Produktionen mit globalen Anspruch durch Arbeitskräfte aus dem Ausland unumgänglich sei, um Wissensdefizite abzubauen.

Ein Thema, bei dem sich Diemer entspannt zurücklehnen kann, schließlich ist Crytek Heimat von Entwicklern aus aller Herren Länder, die offizielle Sprache in der Firma ist Englisch. Um die Integration neuer Mitarbeiter zu erleichtern, gibt es bei den Mannen um die Yerli-Brüder zwei Angestellte, die sich speziell um die Neuankömmlinge kümmern, ihnen bei der Wohnungssuche, dem Ausfüllen traditionell schwer zugänglicher Formulare oder Behördengängen helfen.

Unproblematisch ist so ein Unterfangen dennoch nicht. So stelle einem die deutsche Bürokratie öfter Hindernisse in den Weg. Auch würden viele der Arbeitskräfte das Land nach einiger Zeit wieder verlassen. Teils, da es für sie schwierig ist, außerhalb der Firma einen Freundeskreis aufzubauen, teils, da Deutschland für viele nur eine Durchgangsstation auf dem Weg in die nordamerikanische Szene ist.

Allerdings sind deutsche Firmen auch gefordert, selbst stärker über den sprichwörtlichen Tellerrand zu schauen und und international stärker präsent zu sein. Bisher musste man hiesige Teams auf Messen wie der Game Connection eher mit der Lupe suchen. Löhlein sieht außerdem ein kulturelles Problem: Deutsche würden in der Regel immer recht selbstkritisch sein und eigene Errungenschaften kleinreden. Gegenüber Partnern aus Frankreich, England oder Nordamerika sei es aber notwendig, sich bestens verkaufen zu können.

Gewünscht: Mehr Geld, bessere Producer

Teut Weidemann, geb. 1965, war u.a. bei Softgold, Rainbow Arts, Apple. Microsoft tätig. Er gründete 1996 die Wings Simulations GmbH,  die für  Söldner - Secret Wars verantwortlich zeichnete. 2005 wurde das Studio von JoWooD eingestampft. Mittlerweile ist er bei CDV im Vorstand aktiv.
Auch, und da ist sich die Runde relativ einig, seien deutsche Produktionen oft im Nachteil, da die Budgets hierzulande geringer seien, man aber dennoch mit Spielen der größeren Publisher mithalten muss. Im Bereich der Projektplanung seien, so Weidemann, deutsche Firmen ebenfalls nicht so weit wie die lieben Kollegen aus dem Ausland. Was die Suche nach qualifiziertem und erfahrenem Personal deutlich erschweren dürfte, da beispielsweise ein Producer aus den USA unter diesen Bedingungen fix abwinken würde.

Kochmedia-Mann Hein wirft ein, dass man selber gerade auf der Suche nach Producern sei und Probleme habe, geeignetes Personal zu finden. Auch Diemer sieht Defizite im Bereich der Ausbildung und wünscht sich, dass es mehr Institutionen wie die Games Academy geben würde. Zudem täten sich viele potenzielle Angestellte schwer damit, für einen neuen Job umzuziehen - obwohl Crytek den Umzug übernimmt und übergangsweise auch eine Wohnung in Frankfurt bezahlt, bis man sich selbst eine Behausung organisiert hat.

Weidemann denkt, dass man in Deutschland generell bei zwei Trends den Anschluss verpasst hat, So würde man hier im Bereich der Entwicklung von Konsolenspielen sowie im Bereich der Onlinespiele anderen Ländern 3-5 Jahre hinterherhinken. Auch sei es bezeichnend, dass es wesentlich mehr Firmen aus der skandinavischen Region gibt, die an Produktionen arbeiten bzw. gearbeitet hatten, denen weltweit Aufmerksamkeit geschenkt wird, obwohl der dortige Markt wesentlich kleiner sei als der deutsche.

             

Ist das Glas dennoch halb voll?

Martin Löhlein entgegnet, dass es zwar Nachholbedarf bei den Konsolen gebe - insgesamt stehe die deutsche Szene aber derzeit wesentlich besser da als noch vor fünf Jahren. So gebe es eine Reihe von Firmen, die mittlerweile an Spielen für NDS, Wii, Xbox 360 oder PS3 arbeiten. Deutsche Entwickler seien außerdem sogar in gewissen Bereichen führend, fügt Weidemann hinzu. So würden sich hier produzierte Handy-Spiele und browser-basierte Titel großer Beliebtheit erfreuen.

Im Mittelpunkt des Interesses stand der kommende Shooter Crysis; hier präsentiert von Bernd Diemer, Designer bei Crytek.
Internationale Publisher würden den deutschen Markt außerdem nicht aus dem Blickfeld verlieren. Schließlich würde ein Spiel wie Crysis zeigen, dass derartig ambitionierte Produktionen auch hier möglich seien. Der Publisher jenes Titels, Electronic Arts, hätte außerdem auch mit der Übernahme von Phenomic ein Zeichen gesetzt. Die Stimmung unter den Entwicklern, so der generelle Konsensus der Teilnehmer, sei auf der ersten Quo Vadis insgesamt schlechter gewesen. Dennoch habe man noch viel Arbeit vor sich, gerade im Bezug auf die anfangs diskutierte Internationalisierung der Teams.

Unfertige Cash-Burner

Strukturelle Probleme standen auch im Mittelpunkt eines Panels zum Thema "Dead Horse Riding bzw. wie man tote Pferde reitet". Ralf Adam, schon bei Firmen wie Sunflowers, Atari und Jowood tätig und mittlerweile als selbständiger Produzent und Berater unterwegs, Marc Huppke, Christopher Schmitz und Christian Braun (allesamt 10tacle) monieren insbesondere Probleme im Bereich der Planung von Projekten. Keiner der Diskussionsteilnehmer zweifelt daran, dass gerade in diesem Bereich unnötig an Geld gespart werde. Die vermeintliche Ersparnis werde in der späteren Produktion in der Regel zum Bumerang für alle Beteiligten, denn die spätere Korrektur von eigentlich vermeidbaren Fehlern komme diese teuer zu stehen. Steckt eine Entwicklung erstmal in der Sackgasse (bzw. das Pferd ist tot), werden oft noch extrem gut bezahlte Berater von außen angeheuert, um die rettende Kavallerie zu spielen.

Bei vielen Projekten, so Adam, fehle den Firmen der Mut, diese einzustellen, sobald man sich verfahren habe. Die Angst um das investierte Geld und die Arbeit resultiere dann in weiteren Zuschüssen - oft sei dann der berüchtigte 'Point of no Return' erreicht, bei dem es für die Hersteller kein (gefühltes) Zurück mehr gebe. Dabei, führt Adam weiter aus, sei "jede einsgestellte Pre-Production eigentlich ein Erfolg", weil die Entwickler so anerkennen würden, dass die ursprünglich anvisierten Ziele vor der Vollproduktion nicht erreicht werden konnten, anstatt weiter Geld zu verpulvern.

Schwammige Definitionen und fehlende Konsequenz in der Planung hätten entsprechende Konsequenzen. Oftmals gebe es keine Einteilung der Features in die zwingend erforderliche (Must-Haves), gewünschte (Should-Haves) sowie schöne aber im Notfall vernachlässigbare (Nice-to-Haves). Auch werden oft an den Designdokumenten herumgespielt, ohne dass dazu ein von beiden Seiten vereinbarter Abstimmungsprozess (Change Control) stattfinden würde.

Das deutsche Dream-Team?

Nachdenkliche Gesichter gibt es in der Runde, als die Frage gestellt wird, welchem deutschen Team man zutraue, ein Projekt unter den ursprünglich gesetzten Bedingungen umzusetzten. Chris Braun, vor seinem Wechsel zu 10tacle bei Sunflowers als Producer von Anno 1701 tätig, nennt Related Designs, die Entwickler jenes Spiels - muss aber auch eingestehen, dass das eine oder andere Feature aus Zeitgründen fallen gelassen werden musste.

"Dafür habt ihr aber das Budget überzogen", wendet Adam ein und legt sich fest: "Weltweit gibt es meiner Meinung nach kein Team, dass ein Spiel komplett mit allen geplanten Features im Rahmen des festgelegten Budgets und der vereinbarten Zeit verwirklichen würde." Eines der drei Kriterien werde immer überschritten bzw., im Falle der Features, gekürzt werden.

Ein weiteres typisches Problem verdeutlicht Schmitz anhand eines Beispiels: Oftmals werde der beste Programmierer zum Leiter seines Teams gemacht. Was bei einem kleinen Team noch Sinn machen könnte. Sobald man mehr als 6-7 Mitglieder in einer Abteilung hat, dürfte dies eher problematisch werden. Dann nämlich sei ausgerechnet die eigentlich produktivste Person mit administrativen Ausgaben ausgelastet, anstatt direkt am Produkt wirken zu können. Auch sei der beste Coder nicht automatisch derjenige, der am effizientesten ein Team zu leiten vermag.

Aber auch eine entsprechende Teamstruktur und gute Planung nützen nichts, wenn bei der Umsetzung geschlampt wird. Sollte sich eine Idee nicht innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit verwirklichen lassen, muss der Entwickler, so die Empfehlung der Runde, diese konsequent fallen lassen und auf den hoffentlich erarbeiteten Plan B zurückgreifen, anstatt mehr als die intendierten Ressourcen zu verschwenden in der Hoffnung, dass man dies doch irgendwie bewerkstelligen könne.

     

 
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