DeathSpank20.07.2010, Benjamin Schmädig
DeathSpank

Im Test:

Ist ja schön und gut, dass Guybrushs Papa Ron Gilbert mal wieder ein Spiel macht. Ein Action-Rollenspiel, um genau zu sein. Aber muss man es denn gleich als »Diablo trifft Monkey Island« betiteln? Nicht jedes Action-Rollenspiel ist gleic... »Hello, protagonist!«, grüßt mich jemand. Hihi. »Hey there, random non-player character!«, grunzt mein Held zurück. Bruha! Also gut, das schauen wir uns mal genauer an...

Der Klaps des Todes

Wer in der Einleitung wahlweise »Bahnhof« oder »dreiköpfiger Affe« verstanden hat, braucht wahrscheinlich gar nicht weiterlesen. DeathSpank versteht nämlich kein einziges deutsches Wort. Genauer gesagt hat sich einfach niemand die Mühe gemacht, wenigstens die Texte in die teutonische Landessprache zu hieven. Also bleibt das Verständnis vorerst den im Angelsächsischen Bewanderten vorbehalten. Schade! So entgeht vielen Freunden guter Unterhaltung viel gute Unterhaltung.

Und was ist DeathSpank überhaupt? DeathSpank... klingt ja irgendwie anzüglich, oder? Wer kichert da?! Heißt aber eigentlich nur TodesKlaps. Und es ist der Name des Helden. Ohne Flachs! Der raunt sich nämlich im tiefpathetischen Bariton als »Dispenser of Justice, Vanquisher of Evil and Hero to the Downtrodden« durch 

Video. Da ist er: Dispenser of Justice! Vanquisher of Evil! Hero to the Downtrodden! Und überhaupt!!

eine bunte Klischeekiste, die sich gerade so Ernst nimmt, dass man stundenlang diabolisiert genug ist, um böse Einhörner, gelangweilte Esel und felsige Giganten zu prügeln - alles für den Kick von ein paar Erfahrungspunkten oder einer neuen starken Streitaxt.

DAS Artefakt!

Warum DeathSpank das macht, spielt eigentlich keine Rolle. Und das ist ja auch der Punkt: Ron Gilbert mischt nicht etwa Diablo und Monkey Island zu einem Adventure-Rollenspiel-Mix-Vermarktungswunder. Ron Gilbert schärft seine Zunge mit dem Monkey Island-Spitzer und verhohnepiepelt damit alles, was bei Diablo & Co. Tradition hat. Wenn sich der Held z.B. per Holz-Dixiklo durch das Schnellreisesystem teleportiert, um Laufwege zu verkürzen, macht er sich beim Rauskommen erstens brav die Hose zu und kommentiert den Vorgang zweitens damit, dass er dies auf eine Art und Weise tut, die er gerade nicht erklären möchte. Später meint Hexe Heybenstance, dass die obligatorischen Tore des Tutorialgebiets nur deshalb verschlossen waren, weil sie keinen Bock hatte, klingelstreichende Nervensägen zu töten. Und auch Frage nach dem Warum beantwortet DeathSpank ganz nüchtern: Um DAS Artefakt zu finden... Logisch!

Zum Glück entblößt sich DeathSpank dabei nicht als Fire-and-Forget-Kalauer, sondern spielt, wie es sich für eine gute Hommage gehört, im guten Mittelfeld mit. Dass es keine Bäume ausreißt oder ihm praktisch keine frischen Ideen kommen - geschenkt. DeathSpank (Darf man anmerken, dass es eine stilistische Plage ist, wenn das Spiel so heißt wie sein Held? Beim nächsten Mal? Danke, Ron!), TodesKlaps stolzt jedenfalls durch sein Fantasyreich, verdrischt Dämonen, Mönche sowie Hühnchen und sammelt anschließend Münzen oder Gegenstände auf.

Kloppen und Blocken: Gutes Timing und clevere Taktik sind gerade im Duell mit dicken Brocken wichtig.

Hat er durchs Vermöbeln genug Erfahrungspunkte gesammelt, steigt er außerdem Stufe um Stufe auf, was ihn irgendwann zäher als Leder und stärker als Granit macht. Fast Food regeneriert Lebenspunkte, neue Ausrüstung sorgt für mehr Wumms hinterm Klopp, bei Tante Emma gibt's Tränke zum Schnellerlaufen, Mehrausteilen, Unsichtbarmachen pp. - der Gerechtigkeit wegen sollte »Diablo« eigentlich irgendwo im Spiel namentlich erwähnt sein...

Kloppen und Blocken

Auf seiner auf Dauer leider recht eintönigen Lauf-und-Klopp-Tour nutzt Herr Held sämtliche acht Farb- und Digikreuz-Tasten, um auszuteilen oder einzuschieben. Einschieben im Sinne von Tränken und Lebensmitteln, austeilen im Sinne von Lippe dick. Somit klimpert man vergnüglich auf der rechten Seite des Gamepads, um Komboklopfer aneinanderzureihen, Speere auf Monster zu schnipsen oder einen Trupp Hühner gen Gegner zu feuern. Nach ein paar Treffern (mit abwechslungsreichen Kombos geht's bedeutend schneller) darf der Held schließlich ganz kurz besonders stark zulangen. Je nach verwendeter Waffe führt er dabei den Spezialangriff des gewählten Prügels aus - falls dieser über einen verfügt. Mal paralysiert man so alles Umstehende, mal wirft man es fünf Meter in alle Richtungen, mal rammt man den Getroffenen für ein paar Sekunden glatt in den Boden.

Noch eine Finesse: Per Schultertaste reißt DeathSpank seinen Schild hoch, um wenige Sekunden lang alles Leid fernzuhalten. Tut er das genau dann, wenn er getroffen wird, füllt sich der Einmal-Spezialhieb so rasant auf, dass gutes Timing neben der taktischen Wahl von vier zueinander passenden Waffen zu einem der wichtigsten Kniffe wird. Wenn der Klaps des Todes mit ganz bestimmten Waffen beidhändig wütet, kippen die Feinde außerdem besonders flink um. Unglücklich ist nur, dass in der Hitze des Gefechts eindeutige Rückmeldungen zu ausgeteilten und eingesteckten Treffern fehlen. Da lebt Monster mitunter länger und Held gelegentlich kürzer als man vermutet, zumal das Verspeisen von heilsamen Pizzaecken knapp zehn

Abwechslungsreich, aber manchmal unübersichtlich: Die zwei Seiten des Kampfes.
Sekunden dauert. In denen darf sich Mr. Klaps zwar noch bewegen, aber keine Aktion ausführen und keinen Kratzer abgekommen - auf die Tour wird das Heilen zum trägen Weilen!

Genussvolle Geistreichlichkeit

Bedauerlich auch, dass ausgerechnet die wichtige Waffenwahl so umständlich ist, dass selbst einem Dalai Lama der Geduldsfaden reißt. Die wenig aufreizende Fummelei fängt da an, wo man die Eigenschaften ausgerüsteter und anvisierter Objekte nicht vergleichen darf. Es geht damit weiter, dass man die Gegenstände im unübersichtlichen Rucksack nur über eine vorgegebene automatische Sortierung anordnen kann, während das eigenhändige Sortieren mühselig ist. Und es hört dort auf, wo man einen Gegenstand nicht mit einem einfachen Knopfdruck verkaufen kann, sondern ihn zum Verscherbeln erst durchs halbe Menü ziehen muss. Löblich immerhin, DASS man jeden Gegenstand jederzeit aus dem Rucksack heraus verhökern darf...

... weniger lobenswert sind die wenigen Händler, weil man dort zu selten wertvolle Ausrüstung erhält. Auf der Karte sind sie ohnehin nicht markiert und stolpert der TodesVersohler doch mal über einen Kaufmann, sieht er nicht einmal, wie viele Stücke eines Gegenstands er bereits besitzt. Bei der Jagd nach dem Artefakt ist eindeutig nur der Weg das Ziel - ja nicht vom Kampf-Jogging ablenken, ja nicht an Abwechslung denken! Besuche in Siedlungen, bei Aufgabenstellern und bei Händlern dienen nur dem genussvollen Aufsagen Rons geistreicher Ergüsse. Tatsächlich sind stumme Händler die einzigen Figuren, die keinen flotten Spruch auf den Lippen haben - Zeichen eines zu spät hinzugefügten Zugeständnisses an Diablo-Konventionen? Selbst mit der weisen muhenden Kuh kann man sonst stundenlang quatschen! Im Gegenzug bestehen die mannigfaltigen Aufträge zumindest inhaltlich aus herrlichen Albernheiten wie Blechdosensammeln oder Verbrannte-Siedlungen-mit-C4-plattsprengen.

Rein-Raus

Mehr Unterhaltung gibt's nur, wenn sich ein Kumpel Gamepad Nambor zwei schnappt und DeathSpank in der Rolle des Magiers Sparkles Gesellschaft leistet. Gesellschaft bedeutet dabei handfeste Unterstützung in Form von Heilzaubern, eines magischen Flammenwerfers, eines Sparkles-Doubles

Doppelt doppelt zu gut? Sparkles ist ein äußerst unterhaltsamer Kumpel! 
und eines zauberhaft mächtigen Fernschusses - gemeinsam sind Brutus und Zauberlehrling stark! Charakterentwicklung und Online-Abenteuer fallen für den lila Kumpel zwar flach und einen eigenen Rucksack trägt er schon gar nicht. Trotzdem macht die Rein-Raus-Partnernummer Laune. Das Entwickeln von Fähigkeiten spielt ja ohnehin nur als Randnotiz eine Rolle: Beim Stufenaufstieg hat [siehst du, Ron, mir gehen die Helden-Synonyme aus] die Wahl zwischen dem Aufbessern von Geschwindigkeit, Nah- oder Fernkampfschaden - das war's aber auch schon.

Außerdem verliert er immer wieder mal die Übersicht, weil man den Wald vor laut... nein, besser: den Helden vor lauter Bäumen nicht sieht. Die Kamera beobachtet nämlich so starr, dass sich schon mal ein Stück Landschaft vor den Protagonisten schiebt. Ist selten fatal, stört aber. Apropos Erbsen, hier noch ein Hinweis für KlapsFreunde ohne Navi: Die Karte zeigt nur einen kleinen Ausschnitt der großen Welt an und lässt sich weder verschieben noch durchschalten. So lässt Ron seinen Helden manchmal länger suchend lustwandeln als dem lieb wäre. Glück im Unglück: Er genießt dabei eine der schönsten Aussichten, an denen sich heroische Pupillen je sattgucken durften. Mal strahlt es rosa, mal glibbert es sumpfig, mal brutzelt es dämonisch. Der Clou: Latscht DeathSpank gen Bildschirm, klappt die Landschaft ein paar Meter hinter ihm nach unten - ein zum Leben erweckter Pappaufsteller mit dem märchenhaften Charme der Gebrüder Blizzard!

Fazit

Ach, du süß frohlockende Albernheit! Was die Mannschaft um Ron Gilbert hier an cleveren Sprüchen und liebvollen Verulkungen abfeuert, gibt's bis auf Querschläger aus der Telltale-Kanone heute einfach viel zu selten - DeathSpank ist ein köstliches Kasperletheater für Geeks! Dabei ist es gar nicht der behutsame Takt, in dem der pathetische Held zitiert und ironiert; es ist die Art und Weise, wie er aus jeder Pore ein Stück Spielegeschichte atmet. Und schreibt! Denn seine wie bunte Pappaufsteller angemalte Welt bietet einmalige Ansichten. Massig Missionen, vier frei wählbare Waffen, taktisches Kombokloppen, eine aktive Verteidigung, verschiedene Spezialattacken, ein witziger Kumpelkämpfer - es jubilieret das Diabloherz. Aber der TodesKlapser zügelt den Siegestaumel leider lange, bevor er dem bösen Papierdrachen Lord Von Prong begegnen wird. Die fast vollautomatische Charakterentwicklung schränkt erfahrene Helden z.B. stark ein. Die unhandliche Rucksackverwaltung, eine unübersichtliche Karte, der fehlende Rumms beim Zulangen sowie das allzu eintönige Lauf-hier-hau da-Abenteuer tun ihr Übriges. Im Kern ist DeathSpank etwas zu einfache Action in einem zu einfachen Rollenspiel. Nur seine Seele ist die eines großen Guybrushs.

Pro

herrlich alberne Texte
wundervolle Pappaufsteller-Kulisse
umfassendes Kampfsystem mit Kombos und aktivem Block
unterschiedliche Waffen und -kombinationen fordern etwas Taktik
witziger kooperativer Modus
Schnellreisesystem und kurze Ladezeiten

Kontra

sehr umständliches & unübersichtliches Inventar
langwieriges Heilen
Kartenausschnitt nicht verschiebbar
keine aktive Charakterentwicklung
schlecht wahrnehmbare Rückmeldung zu Treffern
Gang zum Händler lohnt kaum, keine eigenen Waffen bauen

Wertung

360

Ein herrlich albernes Kasperletheater für Geeks! DeathSpank verläuft sich zwar gelegentlich in der spielerischen Einöde, markiert aber eine ebenso liebevolle wie witzige Hommage an Diablo & Co.

PlayStation3

Ein herrlich albernes Kasperletheater für Geeks! DeathSpank verläuft sich zwar gelegentlich in der spielerischen Einöde, markiert aber eine ebenso liebevolle wie witzige Hommage an Diablo & Co.!

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