Damnation18.06.2009, Jens Bischoff
Damnation

Im Test:

Shooter-Fans können sich über ein mangelndes Angebot wahrlich nicht beklagen. Aus der Masse heraus stechende Spielansätze und Szenarien machen sich jedoch äußerst rar. Damnation (ab 9,98€ bei kaufen) rückt mit Steampunk-Szenario und akrobatischer Kletteraction gleich beiden Missständen auf den Pelz. Mit Erfolg?

Freiheit für Amerika!

Video: Setting und Akrobatik sorgen für frischen Wind, KI und Technik enttäuschen jedoch.Damnation entführt den Spieler in ein alternatives Amerika des 19. Jahrhunderts, das durch einen Bürgerkrieg zerrissen wurde und von einem skrupellosen Rüstungskonzern geknebelt wird. Dieser Firmenboss will mit brachialer Waffengewalt und synthetischen Drogen die Macht über das gesamte Land an sich reißen. Man spielt einen Ex-Soldaten, der auf der Suche nach seiner Ehefrau ist und sich mit einer Gruppe von Rebellen zusammentut, die für ein freies Amerika kämpfen und den übermächtigen Feind mit Sabotageaktionen in die Knie zwingen wollen.

Was interessant klingt, entpuppt sich jedoch schnell als dröger Half-Life 2 -Abklatsch im Wilden Westen: Charaktere aus der Klischeemottenkiste, Dialoge aus B-Movie-Mülleimern und deutsche Synchronsprechern, die bis auf wenige Ausnahmen wie Protagonist Rourke wohl selbst bei einem Moderatoren-Casting für Live 9 hoffnungslos durchgerasselt wären. Die Zwischensequenzen sind zwar teils ganz nett inszeniert, können das abgegriffene Drehbuch und die peinliche Präsentation aber auch nicht mehr retten...

Dumm und hässlich

Leider ist Damnation auch technisch alles andere als auf der Höhe: Die weitläufig ineinander verschachtelten Schauplätze wissen zwar grundsätzlich zu gefallen und glänzen mit großzügiger Sichtweite, aber viele Details materialisieren sich erst aus nächster Nähe, die Texturen sind reichlich verwaschen, die Animationen hölzern und abgehackt, die Effekte geradezu vorsintflutlich. Darüber hinaus kommt auch die Bildrate immer wieder ins Stottern und die Kollisionsabfrage

Die Schauplätze sind teils riesig und bieten viel Platz zum Herumklettern. Trotzdem führt meist nur ein Weg ans Ziel, das man allerdings schnell aus den Augen verlieren kann...
führt teils zu haarsträubenden Ergebnissen wie durchdringbare Mauern, dubiose Querschläger oder fest hängende Figuren. Teils hilft dann nur noch der Freitod, manchmal muss sogar ein Neustart her.

Um die künstliche Intelligenz ist es auch nicht besser bestellt: Verbündete KI-Partner rennen meist blind in ihr Verderben, stur in Weg versperrende Hindernisse und sind auch sonst keine große Hilfe. Die Gegner sind allerdings keinen Deut heller, verharren stoisch auf ihren zugeteilten Posten, während man ihnen eine Kugel nach der anderen verpasst, rennen bereitwillig in jedes eröffnete Sperrfeuer, springen in Endlosschleifen zwischen zwei Punkten hin und her und kümmern sich meist einen Dreck drum, wenn direkt neben ihnen ein Kamerad zu Boden sackt. Gefährlich werden sie eigentlich nur, wenn sie in Gruppen auftreten, in Geschütztürmen sitzen oder man nach einer Drahtseilrutsche plötzlich umzingelt ist.

Vorsorglich kann man aber schon ziemlich früh im Spiel von der so genannten Seelenvision Gebrauch machen, eine Art Wärmebildkamera, die auch durch Wände hindurch Feind- und Freundpositionen sichtbar macht. Wer zudem ein Scharfschützengewehr oder ähnliches in seinem aus maximal zwei Schießprügeln und einer Handfeuerwaffe bestehendem Arsenal hat, kann kommende Bereiche oft schon säubern, bevor man sie überhaupt betritt. Lediglich stählerne Widersacher sind von der Früherkennung ausgenommen. Aber Robo-Gegner sind äußerst selten und trotz enormer Durchschlagskraft noch dämlicher als ihre organischen Schießbudenbrüder.          

Turnstunde gefällig?

Um das primitive Schützenfest spielerisch wenigstens halbwegs interessant zu machen, können Rourke und seine Gefährten auf akrobatische Fähigkeiten à la Tomb Raider zurückgreifen: Man hechtet sich elegant aus der Gefahrenzone, kann sich im Sprung an Vorsprüngen festhalten, entlang hangeln und sich mit einem Rückwärtssalto an ihnen hoch ziehen, an Stangen schwingen, Leitern und Seile empor klimmen oder einhändig von Haltemöglichkeit zu Haltemöglichkeit springen und gleichzeitig Gegner aufs Korn nehmen. Das Leveldesign zollt diesen Fähigkeiten ausreichend Tribut und auch die Handhabung klappt erstaunlich gut und präzise.

Mit der Seelenvision kann man potentielle Gegner schon von Weitem ausfindig machen.
Lediglich bei der Orientierung hapert es etwas, da es weder Kartenfunktion noch Zielpunktmarkierungen gibt. Immerhin werden neue Spielabschnitte anfangs meist in einer automatischen Kamerafahrt durchflogen, deren Verlauf man später grob zu folgen versucht. Manchmal kann man sich auch an seinen KI-Gefährten orientieren; oft wissen aber auch die nicht, wo's lang geht oder bleiben einfach zurück, obwohl man sich auf dem richtigen Weg befindet, nur um später wie von Geisterhand plötzlich wieder an eurer Seite aufzutauchen.

Wer will, kann sich auch mit einem Partner aus Fleisch und Blut ins Abenteuer stürzen, was nicht nur online, sondern auf Konsole auch via Splitscreen bzw. auf PC über LAN möglich ist. Dadurch ergeben sich auch ein paar taktische Möglichkeiten, die mit den unterbelichteten KI-Kollegen undenkbar wären: Oft gibt es nämlich mehrere Wege vorzustoßen, um gut verschanzte Gegner zu flankieren oder sie zu zweit in die Mangel zu nehmen. Es gibt auch einige simple Fahrzeugpassagen, die gemeinsam deutlich mehr Spaß machen. Während sich ein Spieler hinters Steuer klemmt, verteilt der andere auf dem Beifahrersitz Bleigrüße oder hilft bei der Streckenerkennung, die durch das eigene Vehikel oft unvorteilhaft verdeckt wird. Diese Passagen sind zwar sehr geradlinig und auch ohne zusätzliche Feuerkraft locker zu meistern, sorgen aber selbst solo für willkommene Abwechslung vom Kletter- und Ballerdasein.

Das war alles?

Wer lieber gegeneinander spielt, kann dies ebenfalls tun. Allerdings ist das Spielangebot eher mager und wenig kreativ: Mit Deathmatch, Team Deatchmatch, Capture the Flag und King of the Hill werden lediglich altbewährte Standardmodi geboten, bei denen man sich mit bis zu sieben Gleichgesinnten auf einer Hand voll Karten austoben kann, sofern man überhaupt willige Mitspieler findet. Auf den Servern herrscht jedenfalls tote Hose, zuschaltbare Bots sind tabu und auf PC und PS3 gibt es nicht einmal Voice-Chat, was natürlich jegliche taktische Absprachen verhindert.

Besitzer der Sony-Konsole müssen zudem vor Spielstart über drei Gigabyte an Daten auf ihre Festplatte schaufeln,

Die auflockernden Fahrabschnitte können im Koop-Modus auch als Team gemeistert werden.
ohne ersichtliche Vorteile gegenüber ihren nicht zur Installation gezwungenen 360-Kameraden zu haben, während PC-User, die gern mit Pad spielen, einen Xbox-Controller ihr Eigen nennen sollten, da andere Geräte nur unzureichend unterstützt werden. Selbst die Maus funktioniert nicht immer so, wie sie sollte - insgesamt ist die Steuerung aber ordentlich.

Vom Umfang kann man das hingegen nicht sagen. Zwar sind die Levels teils riesig, aber nach fünf Schauplätzen ist bereits Schluss. Während man für den ersten Abschnitt gerade mal eine viertel Stunde benötigt, ist man in den folgenden schon deutlich länger unterwegs. Je nach Schwierigkeitsgrad, Vorgehensweise und Orientierungssinn ist man insgesamt ca. sechs Stunden beschäftigt. Anschließend kann man sich noch an einem dritten Schwierigkeitsgrad versuchen, verpasste Sammelobjekte ergattern, Erfolge (360) bzw. Trophäen (PS3) komplettieren oder sich in den Online-Ranglisten verewigen. Das war's. Wenigstens gibt's mit SecuROM einen leicht verträglichen Kopierschutz, so dass ein Wiederverkauf kein Problem darstellt...        

Fazit

Das Steampunk-Szenario hebt sich von den gängigen Shooterwelten angenehm ab, die Akrobatik-Einlagen geben dem Balleralltag zusätzliche Würze und die Koop-Möglichkeiten wissen mit taktischen Wegverzweigungen und Fahrzeugeinsätzen durchaus zu gefallen. Doch diese positiven Duftmarken verrauchen gnadenlos in einem chaotischen Gestöber aus technischen und dramaturgischen Tiefschlägen. Dass der Titel grafisch seiner Zeit meilenweit hinterher hinkt, kann man vielleicht noch verschmerzen, obwohl die Atmosphäre teils deutlich unter den verwaschenen Texturen, hölzernen Ruckelanimationen und billigen Spezialeffekten leidet. Dass der Handlungsrahmen mit dermaßen ausgelutschter Story, stereotypen Charakteren, dämlichen Dialogen und zum Teil katastrophalen Synchronsprechern daher kommt, ist jedoch unentschuldbar. Der Umfang ist trotz gewaltiger Areale auch eher mau und die KI verdient es nicht einmal so genannt zu werden. Hinzu kommen unnötige Orientierungsprobleme, teils haarsträubende Kollisionsfehler und ein dürftiger, ideenloser Mehrspielermodus von der Stange - kein Wunder, dass die Server völlig verwaist sind. Auf PC und PS3 gibt es nicht einmal Voice-Chat-Unterstützung. Damnation hatte wirklich Potential, das durch die Halbherzig- und Unfähigkeit der Entwickler jedoch hoffnungslos verschenkt wurde - schade drum...

Pro

interessantes Szenario
solide Akrobatik-Action
auflockernde Fahrabschnitte
unterhaltsamer Koop-Modus

Kontra

unterirdische KI- mäßiger Umfang
Wegfindungsprobleme
miese Story, Synchro & Dialoge
durchwachsene Kollisionsabfrage
schwache Texturen, Effekte & Animationen

Wertung

360

Bleihaltige Kletteraction mit tollem Setting, aber miserabler Technik und KI.

PlayStation3

Bleihaltige Kletteraction mit tollem Setting, aber miserabler Technik und KI.

PC

Bleihaltige Kletteraction mit tollem Setting, aber miserabler Technik und KI.

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