Madden NFL 0903.09.2008, Mathias Oertel
Madden NFL 09

Im Test:

Kann das wirklich wahr sein? Gibt es die Madden-Serie tatsächlich schon seit 20 Jahren, wie uns das Cover Glauben machen möchte? Oh ja! Und seit einigen Jahren auch in HD – auch wenn diese Fassungen bislang nicht an die Glanzzeit des EA’schen American Football Anfang dieses Milleniums anknüpfen konnten, in denen es Platin auf Platin regnete. Hat das Tiburon Studio zu viel gefeiert oder die Zeit auf sinnvolle Verbesserungen verwendet, um die Konkurrenz auf Abstand zu halten?

XX markiert den Erfolg

Seit ihren Anfängen auf Apple II im Jahr 1988 und dem C64 ein Jahr später hat sich Madden NFL bis heute zu einer der erfolgreichsten Franchises der Spielegeschichte entwickelt. Das besondere an der Erfolgsstory ist allerdings nicht ihre Langlebigkeit der Serie. Viel faszinierender ist die Beständigkeit, mit der EAs Tiburon Studio Jahr für Jahr Award für Award abstaubt - mit Ausnahme der 07-Version, die als HD-Premiere bereits an Gold scheiterte.

Willkommen im HD-Zeitalter: Seit 20 Jahren hetzen die Athleten mit dem Ei über die Football-Felder - und dieses Jahr liefern sie endlich den längst überfälligen visuellen Fortschritt. (360)
Doch Electronic Arts hat aus den Fehlern gelernt: Man verlässt sich nicht mehr nur auf die Exklusivität der NFL-Lizenz, die z.B. dafür gesorgt hat, dass Visual Concepts mit Ausnahme des etwas hinter den Erwartungen zurückgebliebenen All-Pro Football 2K8 die Finger von American Football zu lassen scheint.

Man beobachtet ganz genau, was Midway mit seiner ebenfalls ohne Lizenz auskommenden Blitz - The League-Serie (Teil 2 erscheint dieses Jahr) veranstaltet. Das leicht arcadige Konzept, das auf brachiale, teils Knochen brechende Football-Action setzt, konnte bei seiner HD-Premiere stattliche 82% einfahren und schickt sich an, dieses Jahr einen deutlichen Fortschritt zu machen. Dementsprechend fährt EA mit Madden NFL 09 (ab 19,95€ bei kaufen) starke Geschütze auf.

Der optische Sprung

Werfen wir einen Blick auf die Versionen der letzten Jahre: Hinsichtlich der Spielmechanik konnten sich die Football-Anhänger auf stets verfeinerte Versionen freuen. Daran hat sich auch anno 2008 für die Version 09 nicht geändert. Im Hintergrund werkelt nach wie vor das bewährte System aus umfangreicher Spielzugauswahl, guter Steuerung und fordernder KI. Doch das visuelle Paket, das man in den letzten Versionen "bestaunen" musste, blieb das Versprechen der HD-Generation schuldig.

Doch dieses Jahr scheint alles anders zu sein. Das erste Mal habe ich das Gefühl, dass den Versionen für PS3 und 360 der Bärenanteil der Entwicklungszeit geschenkt wurde. Endlich sieht das Gras wie Gras aus und nicht wie eine unidentifizierbare grüne Texturmasse. Bei sehr genauem Hinsehen fehlt zwar weiterhin die dreidimensionale Komponente. Doch wenn die deutlich verbesserten dynamischen Kamerafahrten vor, während und nach den Spielzügen die bis zum letzten Platz gefüllten

Wetter, ausgefeilte Spielermodelle, coole Stadien: Die Madden-Serie sieht so gut aus wie nie zuvor. (PS3)
Arenen präsentieren, kann einem Football-Fan vor Freude schon einmal die Luft wegbleiben. Vor allem, wenn diese Kamerafahrten die Umwelteinflüsse wie Schneegestöber oder flutenden Regen einfangen, die allerdings kaum zu optischen Veränderungen auf dem Spielfeld führen.

Stört es da, dass sowohl PS3 als auch 360 mit leicht flackernden Elementen im Bildhintergrund zu kämpfen haben? Nein. Denn was zählt, ist auf dem Platz. Und dort herrschen Texturpracht und Animationsvielfalt. Die Athleten laufen, fallen, springen und balgen sich, wie man es aus einschlägiger Berichterstattung im Fernsehen kennt.

Mit einem Wort: American Football in seiner virtuellen Form sah noch nie so gut aus - selbst wenn die kleinen Flackereien und ein sich sporadisch auf die Netzhaut verlaufendes Clipping bei ineinander verlaufenden Spielermodellen für leise, aber unschöne Zwischentöne sorgen.

Der spielerische Fortschritt

Doch auch wenn sich Tiburon dieses Jahr vornehmlich auf die Kulisse gestürzt hat, heißt dies nicht, dass die Inhalte vernachlässigt wurden. Im Hinblick auf Franchise- und Superstar-Modus hat sich zwar rein gar nix (Superstar) bzw. nur ein optisches Update (Franchise) getan, doch da diese umfangreichen Modi in der Vergangenheit bereits gute Dienste geleistet haben,

ist die Enttäuschung über den Stillstand in diesen Punkten zu verkraften. Allerdings muss sich EA bewusst sein, dass hier für nächstes Jahr noch einiges an Tuning zu erwarten ist.

   

Neu hingegen ist das virtuelle Training, in dem ihr in einer stilisierten Arena mit blauen und roten Männchen (alles erinnert leicht an den Filmklassiker Tron) Spielzüge einüben und euch an die Finessen der Steuerung gewöhnen könnt.

Angesichts der nochmals sowohl in der Defensive als auch in der Offensive verbesserten KI, die sich allerdings auch seltene Schnitzer erlaubt, die ich ihr nicht übel nehmen kann, ist das Training nicht nur gut umgesetzt, sondern auch sehr sinnvoll.

Ob der ebenfalls neue so genannte Madden IQ (das Gegenstück zu diversen TruSkill-Spielereien bei vergleichbaren Titeln) allerdings der Weisheit letzten Schluss darstellt, wage ich zu bezweifeln. Auf der einen Seite halte ich es für löblich, wenn von Entwicklerseite eine automatische Regulation stattfindet, die sich anschaut, wie gut und erfolgreich ihr auf den jeweiligen

Spektakuläre Spielzüge, brachiale Tackles: Dank guter Steuerung und dynamischen Kameraperspektiven zeigt sich Madden NFL 09 als überzeugendes Football-Erlebnis. (PS3)
Schwierigkeitsgraden spielt und daraus einen Quotienten errechnet, der fortan den allgemeinen Anforderungslevel für euch festlegt. So kann gewährleistet werden, dass der Spieler immer ansprechend gefordert wird - wenn es funktioniert. Hinter den Kulissen mag die Formel, nach der alles berechnet und angepasst wird, ja aufgehen. Auf dem Bildschirm und damit für den Spieler gefühlt, ergeben sich kaum Unterschiede. Insofern kann ich auf dieses Feature im nächsten Jahr durchaus wieder verzichten.

Coole Analyse

Nicht mehr missen möchte ich hingegen das so genannte "Backtracking". Dahinter verbirgt sich ein Analysetool, das bei Fehlern auf dem Platz schonungslos kommentiert und übersichtlich aufzeigt, was beim jeweiligen Spielzug falsch gelaufen ist.

So bekommen Anfänger schnell ein Gefühl für das Wesentliche und auch Könner dürfen sich auf die eine oder andere Finesse freuen, die sich hinter Hinweisen verbirgt, wie es beim nächsten Mal besser gehen kann.

Das Problem mit Backtracking: Es kommt zufällig. Vor allem für die Anfänger unter uns Zockern, die zudem schon beim eher spartanischen Handbuch verzweifeln dürften, wäre eine Option zum manuellen Backtracking wünschenswert.

Zusätzlich zu den bekannten Modi dürfen sich Madden-Spieler dieses Jahr erstmalig auf Herausforderungen aus der letzten Saison freuen - eine Mechanik die EA in diversen FIFA-Titeln schon erfolgreich eingesetzt hat und die auch hier einen zwar kleinen, aber feinen Anteil an der Gesamtmotivation bildet.

Der Online-Modus hingegen bleibt hinter den Erwartungen zurück. Zwar hat man dieses Jahr wieder nahezu lagfreie Partien vor sich, auf die man sich freuen kann, doch das Drumherum bleibt spartanisch wie eh und je. Und auch der neue Online-Ligamodus für bis zu 32 Spieler bleibt vieles schuldig. Allem voran eine Möglichkeit, fehlende Spieler mit CPU-Akteuren aufzufüllen. Nehmen wir mal an, im Freundeskreis spielen mit mir noch zwei weitere Spieler Madden. Nehmen wir weiter an, dass wir eine Liga 

Gleich knallt's: Wenn ihr jetzt zu lange zögert, ist der Quarterback geliefert. (360)
aufbauen möchten. Wenn wir jetzt abschließend annehmen, dass wir nur zu dritt spielen möchten, sind wir ziemlich verlassen. Entweder wir lassen uns auf 29 weitere Spieler ein oder aber wir haben eine unspannende Liga mit drei Mannschaften...

Dass darüber hinaus Statistiken Mangelware sind und man kaum Möglichkeiten hat, sich auf sein Gegenüber einzustellen, bleibt der komplette Online-Modus schmückendes Beiwerk. Ein Schritt in die richtige Richtung ist er zweifellos, doch in jeglicher Hinsicht hinter seinen Möglichkeiten zurück bleibend.

Jubel zum Jubiläum?

Ja: Online-Modus, Madden IQ und der zwischen grenzgenial und grenzdebil schwankende Kommentar sind verbesserungswürdig. Und auch die Stagnation bei vielen Spielmodi lässt bei mir die eine oder andere Alarmglocke schrillen.

Doch letztlich sind mir Erweiterungen bei den Spielmodi nicht so wichtig, so lange es auf dem Platz stimmt. Und dank der akkuraten Steuerung, die mir nicht nur bei der Kontrolle des Ball führenden Spielers haufenweise Optionen in die Hand gibt, ohne dass ich mir die Finger verknoten muss, stimmt es einfach. Spontane Spielzugänderungen lassen sich unproblematisch ansagen, Abweichungen von Laufrouten lassen sich ebenso einfach bewerkstelligen wie ein brachiales Tackling des gegnerischen Linebacks. Und die umfangreiche Spielzugauswahl mit ihren diversen, allesamt durchdachten und für nahezu jeden Spielertyp vom Anfänger bis zum Profi geeigneten Anzeigen (samt Fakeauswahl für Duelle vor einem Schirm) sucht ihresgleichen.

Und damit macht der Sport, der dank seiner taktischen Spielweise so nahe an den Begriff "aktives Rasenschach" herankommt, wie es nur möglich ist, so viel Spaß wie schon lange nicht mehr.   

Fazit

Das wurde ja auch Zeit: Pünktlich zum zwanzigjährigen Jubiläum der Vorzeige-American Football-Serie gibt EA Tiburon mir das Gefühl, dass die HD-Varianten nicht nur spielerisch, sondern auch visuell im Fokus stehen. Madden NFL 09 spielt sich nicht nur außerordentlich gut, sondern sieht auch endlich richtig gut aus. Doch auch wenn man hier das kompletteste HD-Football vor sich hat, das bislang vom Stapel lief, bleiben einige Mankos. Allen voran der nicht komplett scheinende, da sich nur auf das Wesentlichste konzentrierende Online-Liga-Modus, der allerdings mit weitestgehend lagfreien Matches punkten kann. Dass Superstar- und Franchise-Modus nahezu unverändert aus dem Vorgänger übernommen wurden, stört mich hingegen weniger, da die steuerungstechnische Unterschiede und Feinheiten sowie die unter dem Strich stark verbesserte KI (die sich allerdings ab und an böse Schnitzer leistet) diese "alten" Modi wieder interessant macht. Mit dem neuen virtuellen Training schafft es Madden in diesem Jahr zudem, auch Anfänger stärker anzusprechen als in den vergangenen Ausgaben. Dass über allem wie jedes Jahr weiterhin immer noch der nicht klein zu kriegende "Update"-Geist schwebt, ist nicht zu verhindern. Doch Xbox 360- und PS3-Spieler können sich sicher sein, dass sie ein extrem umfangreiches Update und somit das derzeit sowohl spielerisch aus auch optisch beeindruckendste American Football bekommen. Wenn Tiburon es jetzt noch schafft, den Spagat zwischen visuellen und inhaltlichen Fortschritten zu meistern, dürfte der Weg wieder Richtung Platin führen. Wir sind gespannt, ob es Midways Konkurrent "Blitz The League II" schafft, dem jubilierenden Branchenprimus gefährlich zu werden.

Pro

visueller Leckerbissen
schönes Analyse-Feature...
Online-Ligen für bis zu 32 Spieler...
Kommentar mit viel Licht (Analysen)...
passender Soundtrack
fordernde KI...
Schwierigkeitsgrad passt sich dem Spieler an
dynamische Kamera-Einstellungen
virtuelles Trainingscamp

Kontra

unergiebiges Handbuch- ... das leider per Zufall abgespult wird- ... die allerdings nur rudimentäre Inhalte bieten- ... und einigem Schatten (Play-by-Play)
Franchise
und Superstar-Modus nahezu unverändert- ... die sich allerdings ab und an haarsträubende Aussetzer leistet

Wertung

360

Spielerisch verfeinert, haben die Footballer endlich auch visuell den Sprung in die HD-Generation geschafft.

PlayStation3

Sowohl visuell als auch inhaltlich das bislang kompletteste Madden. Die Online-Ligen sind aber noch nicht der Weisheit letzter Schluss.

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