Harry Potter und der Halbblutprinz06.07.2009, Paul Kautz
Harry Potter und der Halbblutprinz

Im Test:

Neuer Film, neues Spiel: Diese einfache Formel ist mittlerweile auf fast jeden Streifen anwendbar, der auch nur ansatzweise die Massen in die Kinosäle zu locken verspricht - für ein frisches Harry Potter-Abenteuer gilt das natürlich doppelt und dreifach. Und die Erwartungen daran sind gerade nach dem fabelhaften Vorgänger verhältnismäßig hoch.

600 Seiten in sechs Stunden

Eine der größten Schwächen jeder Buch- bzw. Filmumsetzung ist immer, dass die Story grundsätzlich verknappt werden muss. Das ist in manchen Fällen kein Problem; kaum einer dürfte angesichts der Vorlage den

Video: Das neue Harry Potter-Spiel bietet allerlei zu finden und zu erkunden - die Missionen sind aber sehr abwechslungsarm.Mangel an Geschichte bei Transformers 2 vermisst haben. In Harry Potter und der Halbblutprinz (ab 5,33€ bei kaufen) (HBP) ist das etwas anderes: Das Buch hat mehr als 600 Seiten, ist voller Nebengeschichten und komplexer Figuren - sowas in ein Spiel zu quetschen geht eigentlich nur, wenn man BioWare heißt und der Spieler kein Problem damit hat, eine dreistellige Stundenzahl in das Endresultat zu investieren. Nun ist das Potter-Spiel aber im Großen und Ganzen gerade mal sechs Stunden lang, entsprechend kurz kommt die Story. Obwohl das eigentlich auch schon übertrieben ist: Denn die paar Fetzen, die man in krude animierten Zwischensequenzen erkennt, dürften selbst Kenner des Buches vor Logikprobleme stellen. Akzeptiert einfach, dass Harry zurück in Hogwarts ist, ein mysteriöses Buch findet und das Böse bekämpfen muss.

Nach einem kurzen Prolog bei den Weasleys, in dem man sowohl das Besenfliegen als auch das Anheben von Objekten per Wingardium Leviosa lernt, tummelt sich Harry am Fuße der Zaubererschule. Auf dem Weg nach oben findet er Hogwarts-Wappen, von denen es 150 gibt, mehr oder weniger gut versteckt. Diese Dinger sind es auch, die die Spielzeit strecken können, wenn man es will. Allerdings haben Pfadfinder nicht viel davon, denn das Suchen der Wappen schaltet gerade mal neue Figuren für die Duellierclubs bzw. allerlei Achievements / Trophäen frei. Apropos Duelle: Man kann einem zweiten Zauberer lokal die Sprüche vor den Latz knallen, mehr Multiplayerspaß gibt es nicht.

Endlose Mischerei

War Hogwarts im letzten Spiel eine ziemlich umfangreiche Kiste, ist der Bereich, den man jetzt zu Fuß ablaufen kann, deutlich kompakter. Nichtsdestotrotz ist das Gelände nach wie vor ziemlich weitläufig, allerdings gibt es zwei Möglichkeiten, die virtuellen Sohlen vor dem Durscheuern zu bewahren: Zum einen sind da natürlich die lebenden Porträts, die als Abkürzung zwischen zwei weit auseinander liegenden Bereichen liegen - die werden allerdings erst nach und nach freigeschaltet. Die andere Variante ist der Fast Kopflose Nick, den man jederzeit herbeizaubern kann, und der einem sicher wie ein Hamburger Taxifahrer den idealen Weg zum aktuellen Missionsziel vorschwebt.

Und hier kommen wir zum größten Problem: Den Missionen. Denn im Großen und Ganzen gibt es nur drei Arten von Aufträgen - Duelle, Zaubertränke und Quidditch. Diese drei Formen ziehen sich durch das gesamte Spiel und später hin wie der größte

Das Mischen der Zaubertränke ist eine Geduldsprobe: Gerade zum Spielende hin ziehen sich diese Aufgaben in die Länge.
Kaugummi der Zaubererwelt. Das Problem dabei ist, dass sie nicht an Abwechslung, nur an Länge gewinnen: Bei den Duellen haben die Gegner mehr Lebensenergie, bei den Zaubertränken kommen mehr Zutaten dazu, beim Quidditch fliegt man länger herum - und trotzdem macht man die ganze Zeit das Gleiche! Besonders Letzteres ist eine Geduldsprobe sondergleichen, denn den Schnatz verfolgt man nicht direkt, sondern auf fest vorgegebenen Pfaden. Man gewinnt an Geschwindigkeit, indem man durch  leichte Steuerungseingaben durch sternförmige Ringe fliegt; man verliert sie, indem man gegen Hindernisse prallt. Das sind die einzigen Interaktionsmöglichkeiten, der Rest (inkl. Fangen des goldenen Flitzers) läuft automatisch.

Auch die anderen zwei »Minigames« folgen den zu Beginn definierten Regeln bis zum bitteren Ende: Zaubertränke werden zubereitet, indem man Zutaten, die um den Kessel herum aufgereiht sind, in vorgegebener Art und Weise zusammenmischt. Man wählt eine Ingredienz, schüttelt sie gegebenenfalls ein wenig und kippt so lange davon etwas in den Kessel, bis die gewünschte Farbe erreicht ist. Und dann das Ganze nochmal mit einer anderen Zutat. Und dann nochmal. Und dann nochmal. Und dann nochmal. Zwischendurch muss der Kessel auf eine bestimmte Farbe geheizt werden, danach folgen wieder Zutaten. Und dann noch ein paar. Gerade im letzten Drittel zieht sich dieser Vorgang wie ein Marathon durch einen Leimsee.            

Die Zauberer-Duelle sind prinzipiell unterhaltsam, lassen sich aber auf immergleiche Weise gewinnen.
 Bleiben noch die Duellierclubs, in denen man anderen Schülern bzw. Anhängern des dunklen Lords per Zauberstab die Frisur ankokelt: Verschiedene Zaubersprüche stehen zur Wahl, die per Druck auf die Analogstick (bzw. die Wiimote) abgefeuert werden, dazu kann man sich bewegen und teilweise Deckung nutzen. Das Problem ist, dass alle Duelle auf dieselbe stupide Art und Weise gewonnen werden können - unabhängig davon, ob man gegen einen Junior Champion, Bellatrix Lestrange oder Voldemort persönlich antritt. Die einzige Abwechslung in diesem Sektor ist kurz vor Spielende, wenn man in der Höhle Professor Dumbledore vor heran kriechenden Toten beschützen muss und dabei die ganze Zeit von links nach rechts und umgekehrt rennt.

Alle Sprachen dieser Welt!

Und das war es prinzipiell auch schon in Sachen Spieldesign. Zwischendurch übernimmt man auch kurzzeitig die liebestrunkene Haut von Ron Weasley, wobei der einzige Unterschied zum normalen Spiel ist, dass die Umgebung rosa gefärbt ist und sich kleine Hogwarts-Wappen in Herzchen verwandeln. Außerdem schlüpft man auch kurz in das Quidditch-Kostüm von

Die Figuren sehen ihren Film-Pendants zwar sehr ähnlich, sind aber sonst leblos in Szene gesetzt.
Ginny Weasley, wobei es da keinerlei spielerischen Unterschied zu Harry gibt. Ach ja, eine Mission darf nicht unerwähnt bleiben, ist sie doch die witzigste des ganzen Spiels: Harry Potter rennt im Glücksrausch automatisch und aus der Ego-Perspektive durch Hogwarts, während man selbst lediglich ein paar Zaubersprüche abfeuern darf. Klingt unspektakulär, ist aber nicht zuletzt durch die an dieser Stelle herrlich alberne Musik ein echter Lacher.

Apropos Musik: Die ist fantastisch! Hervorragende Kompositionen von James Hannigan, mächtig und druckvoll eingespielt, ein Ohrenschmeichler, der völlig zurecht bereits als separante Soundtrack-CD erhältlich ist! Auf akustischer Seite ist auch noch die Sprachausgabe bemerkenswert: Je nach Plattform hat man zwischen sieben und 15 (!) Sprachen zur Auswahl, wobei in der deutschen Variante immer ein Großteil der Original-Synchronsprecher der Filmcharaktere zu Wort kommt. In der englischen Fassung trat ein bemerkenswerter Teil der echten Schauspieler vors Mikro, u.a. Rupert Grint (Ron), Bonnie Wright (Ginny), Tom Felton (Draco) und Evanna Lynch (Luna) - wobei allerdings gerade Hauptfiguren wie Harry Potter, Hermione Granger oder Professor Snape nur von teils ähnlich, teils nicht mal ansatzweise wie das Original klingenden Sprechern ersetzt wurden. Beim Laufen durch Hogwarts bekommt man viele Sprüche zu hören, auf die man allerdings keinen Einfluss hat; ein kurzes Schwätzchen mit anderen Schülern ist nicht gestattet. Ebenfalls nervig die Kommentare beim Quidditch, die die meiste Zeit über gar nichts mit dem zu tun haben, was sich tatsächlich am Bildschirm abspielt.

Die große Gleichschaltung

Technisch ist HBP insofern bemerkenswert, als dass es auf allen fünf Plattformen (PC, 360, PS3, Wii, PS2) im Großen und Ganzen gleich aussieht. Klar, die HD-Fassungen haben die höhere Auflösung und die besseren Texturen, 

Die PS2- und Wii-Versionen bieten das identische Spiel und sind technisch nicht viel schlechter als die großen Fassungen. Die Wii-Variante bietet eine interessante Steuerung, ruckelt aber öfter..
das Spiel an sich ist aber identisch. Ob das nun für die kleinen oder gegen die großen Versionen spricht, sei jedem selbst überlassen. Allen Plattformen ist aber gleich, dass gerade die Figuren erschreckend leblos und ausdrucksarm designt sind - und ehrlich, Ginny Weasley macht mir Angst! Ich befürchte ernsthaft, dass mich diese starren Augen in meine Träume verfolgen. In Sachen Steuerung gibt es lediglich auf dem PC zu beklagen, dass die Zauberkontrolle per Maus sehr unpräzise ist - wir empfehlen ein Gamepad, damit geht's deutlich besser. Wii-Spieler haben in dieser Hinsicht das letzte Lachen, denn per Wiimote zaubert es sich tatsächlich am besten: Die Zaubertränke werden ratzfatz zusammengerührt (was nicht zuletzt daran liegt, dass hier die Behälter automatisch an den Kessel herangeführt werden), bei Duellen wird die Fernbedienung wie ein Zauberstab geschwungen - sehr schön und erstaunlich präzise. Dafür sind Wii-Blitzköppe aber die einzigen, die mit immer wieder auftretenden Rucklern leben müssen - selbst die PS2-Fassung hat nicht mit diesem Problem zu kämpfen.

           

Fazit

Auch wenn mich Chuck Norris für diese Offenbarung vermutlich aus der Bruderschaft der Männer verbannen wird: Ich mag Harry Potter. Die Bücher wurden mit jedem Teil besser, das sechste gehört für mich dabei zu den Favoriten der Reihe. Und auch die Spiele haben es im unvermeidlichen EA-Turnus geschafft, mit jedem Teil an Qualität zu gewinnen. Das vorletztjährige »Orden des Phönix« war sogar erstaunlich gut - so gut tatsächlich, dass der Halbblutprinz nicht mal ansatzweise an dessen Vorzüge heran kommt. Drei Probleme sind es, die dem Neuling im Weg stehen: Die im Zeitraffer und hässlichen Zwischensequenzen präsentierte Story, deren Gräben breiter sind als die im Grand Canyon. Die Abwechslungsarmut, die darauf basiert, dass man in erster Linie zwischen den drei Minigames herumwechselt, die sich gerade zum Ende hin elender in die Länge ziehen als die Berichterstattung über Michael Jacksons Tod. Und schließlich die Kürze des Abenteuers: Nach etwa sechs Stunden flimmert der (kurze) Abspann über den Fernseher, danach bleiben nur noch mehr Minigames sowie die Wappen-Suche. Schade um die solide Präsentation sowie die gerade im Wii-Fall sehr ordentliche Steuerung.

Pro

exzellenter Soundtrack
brauchbare Präsentation
einfache Steuerung (noch einfacher in der Wii-Version)
viele Sprachvarianten
ordentliche Sprachausgabe, teilweise Original-Sprecher

Kontra

kaum nachvollziehbare Story im Zeitraffer
leblose Figuren
fummelige 3D-Steuerung der Zaubersprüche
kaum nennenswerter Mehrspielermodus
kurze Story
Minigames ziehen sich teilweise arg in die Länge

Wertung

360

Ordentlich inszeniertes Zauberer-Abenteuer, das aber an erheblicher Abwechslungs-Armut und kaum nachvollziehbarer Story krankt.

PC

Ordentlich inszeniertes Zauberer-Abenteuer, das aber an erheblicher Abwechslungs-Armut und kaum nachvollziehbarer Story krankt.

PlayStation2

Spielerisch identisch zu den großen Fassungen ist die PS2-Version außerdem der Wii-Variante technisch leicht überlegen.

Wii

Spielerisch identisch zu den großen Fassungen, zusätzlich gibt es auf Wii eine interessante Steuerung sowie vermehrtes Ruckeln.

PlayStation3

Ordentlich inszeniertes Zauberer-Abenteuer, das aber an erheblicher Abwechslungs-Armut und kaum nachvollziehbarer Story krankt.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.