Wolfenstein27.08.2009, Paul Kautz
Wolfenstein

Im Test:

Einer der großen Lieblinge aller deutschen Jugendschützer ist wieder da: Wolfenstein. Dieses Mal kein »Return to« im Namen, sondern einfach eine höchst pragmatische Rückkehr zu den Wurzeln der Reihe. Bedeutet das in Käfigen hängende Skelette, Mecha-Hitler und wankelmütige Vierecks-Räume voller Glitzerbeute? Nicht ganz, aber das Ergebnis ist auch so überraschend ansprechend.

Shoot ze Nazis, ja!

Mit den Wolfensteins hatte es kein Entwickler bislang eilig: Das Original von Silas Warner war noch ein Schleich-Puzzler auf dem Apple 2, C64 und frühen Atari-Computern - 1981. Der berühmte »Nachfolger« von id Software erschien satte elf Jahre danach, und blieb, von einem Add-On mal abgesehen, auch neun Jahre lang der einzige seiner Art.

Video: Wenn's grün wird, ist's der Schleier: Ihr dürft jederzeit das Medaillon aktivieren, was viele Vorteile mit sich bringt.Bis die Marke 2001 in Return to Castle Wolfenstein wiederbelebt wurde, was auch den Startschuss für das zwei Jahre später veröffentlichte Mehrspielerfest »Enemy Territory« lieferte. Verfolgt man die Konsequenz der Erscheinungsdaten, dürfen wir uns im Jahre 2015 auf den nächsten offiziellen Vertreter der ruhmreichen Marke freuen. Mehr als genug Zeit also, sich mit dem aktuellen Abenteuer von William »B.J.« Blazkowicz, dem Waffenträger aller bisherigen Wolfenstein-Spiele, zu beschäftigen. Obwohl die Action für heutige Shooter-Maßstäbe bemerkenswert lange währt: Zehn Stunden sollte man locker im Hinterkopf haben, um die Kampagne durchzurennen, danach warten noch diverse Geheimnisse sowie der Mehrspielermodus.

Käufer der PC-Version dürften sich wundern, dass sie zu Beginn der Installation nicht wie gewohnt nach ihrer Lieblingssprache gefragt werden. Das hat schon seinen Grund, denn die hierzulande verkaufte Version ist in jedem Fall komplett Deutsch. Das bedeutet nicht nur von allen Hakenkreuzen bereinigt, sondern auch ohne Mut zur »Shoot ze Nazis, ja!«-Sprachausgabe. Obwohl: In »unserer« Fassung kämpft man ja gar nicht gegen Hitlers Schergen, sondern gegen ominöse »Wölfe«. Immerhin sind auch die deutschen Sprecher kein Reichsuntergang, auch wenn sie keine Chance gegen die akzentbeladenen Stimmen des englischen Originals haben - zo viele Zs zahbzt ihr garanziert noch nie gezehen und gezöhrt, jaa! Super. Genau wie die Schilder mit Beschriftungen wie »Achtung! Plünderer werden durchgeführt!«, »Der Fiend ist hier!« oder »Du bist Front!«, die ebenso fantastischer Tarantino-Pulp wie die Namen einiger

Die deutsche Fassung wurde wie gewohnt entnazifiziert, was auch den Feind an sich angeht: BJ kämpft jetzt nicht gegen die Wehrmacht, sondern gegen die »Wölfe«.
Beteiligter sind - freut euch auf General Shosshund, Dr. Bohren oder Major Vorsichtig. Noch schnell ein Wort zur hiesigen Fassung: Die wurde so komplett entnazifiziert, dass Erinnerungen an die deutsche Version von Command & Conquer wach werden. Die Gegner schreien nicht mehr so viele martialische Sprüche (in der englischen Fassung bekommt man ab und zu das gute alte »Mein Läybän!« zu hören) , dafür bekommt man im Hintergrund immer ein ominöses Wolfsgeheul zu hören. Aus General Zetta wird Alphawolf Zetta, der »Kreisauer Kreis« ist dezent doof betitelt, außerdem ist es nicht mehr möglich, bereits getötete Gegner im Nachhinein noch mit der einen oder anderen Kugel zu verunstalten. Alle Bluteffekte des Originals sind allerdings enthalten, und hier wie da lösen sich ausgeknipste Feinde nach kurzer Zeit in Wohlgefallen auf.

Der Schleier steht dir gut!

Spielerisch präsentiert sich Wolfenstein so klassisch, wie es heute gerade noch zumutbar ist, ohne den Verachtungsstempel eines Handygames aufgedrückt zu bekommen: Den größten Teil der Zeit verbringt man in Missionen, die linearer sind als ein stramm stehender Wehrmachtler - Bahnhof, Krankenhaus, Kirche, bedrohliche Höhlen, nicht ganz so verlassene Farm oder Waffenfabrik geben den acht Waffen kaum Gelegenheit für eine Feuerpause. Die präsentieren sich anfangs mit Krachmachern wie der MP40 oder dem Kar98-Gewehr noch konservativ, springen aber dankbarerweise schnell auf eine verspieltere Schiene über: Mit der Partikelkanone kann man Feinde fachgerecht in grün leuchtende Pünktchen zerbröseln, mit der Tesla-Waffe herrlich bratzende Elektroschocks an mehrere Gegner gleichzeitig verteilen - dazu gesellen sich noch Nahkampfwaffen die Hämmer oder Äxte sowie stationäre Geschütze vom festen MG bis hin zum dicken Plasmapanzer. Findige Naturen halten die Augen nach Nazi-Gold offen, das zusätzlich zum Abschluss der Missionen Geld bringt.

Zwischen Missionen tummelt man sich in dem fiktiven Dorf Isenstadt, wo man mit Leuten reden und seine Waffen aufmotzen darf - und viel mehr auch nicht. Diese Abschnitte hätte man sich auch sparen oder wenigstens deutlich straffen können.
Das kann auf dem erstaunlich gut sortierten Schwarzmarkt gegen Waffenupgrades getauscht werden, was dickere Magazine, Scharfschützenteleskope, höhere Durchschlagskraft oder Schalldämpfer bedeutet. Das Aufmotzen ergibt zwar in manchen Fällen nicht viel Sinn, aber es lohnt sich, in verschiedene Waffen zu investieren. Denn die Widersacher reagieren deutlich unterschiedlich auf die Wummen: Die Standard-»Wölfe« haut man noch problemlos mit einem Schuss aus einer beliebigen Knarre aus den Stiefeln, schon nach kurzer Zeit wird's deutlich ominöser. Die einen flitzen irre schnell herum und verteilen Energieschilde an ihre Kameraden, andere sind elend dick gepanzert und werfen mit Plasmastrahlen oder Flammen um sich, gut proportionierte Nahkämpferinnen verteilen mächtige Hiebe - und unsichtbare Lichtschwertfuchtler wecken unangenehme Erinnerungen an F.E.A.R. 2 . Genau wie die Soundkulisse, deren kernig-krachende Explosionen und Feuergefechte die Boxen ebenso gut zum Rumpeln bringen wie der mächtig wummernde Orchester-Soundtrack. Zwar sind die Feinde durch die Bank doof und lassen sich auf immer gleiche Weise besiegen, trotzdem kann man froh sein, neben den handelsüblichen Argumentationsverstärkern auch etwas Mystik auf seiner Seite zu haben - den im Deutschen unglücklich direkt übersetzten »Schleier« (im Original »The Veil«). Das gute Teil verwandelt die Umgebung auf Knopfdruck in einem beeindruckenden Effekt in eine windumwehte, grün wabernde Hülle und stellt den Übergang zwischen unserer und der »Black Sun«-Dimension dar.

             

Nicht immer muss es düster sein: Hin und wieder tummelt sich BJ auch an der frischen Luft. Die Technik von Wolfenstein mag nicht mehr die aktuellste sein, das Ergebnis kann sich jedoch noch problemlos sehen lassen.
Die genauen Story-Details sind unwichtig, wichtig ist, dass der Schleier einige sehr nützliche Zusatzkräfte birgt: In der Standardversion läuft man schneller und sieht Gegner deutlich leuchten, außerdem werden Schwachpunkte dickerer Widersacher idiotensicher hervorgehoben. Darüber hinaus werden hier auch verborgene Türen sichtbar gemacht; wenn's mal nicht weitergeht, lohnt es sich, das Ding anzuknipsen. Der Gebrauch kostet zwar Energie, aber die ist derart großzügig verteilt (man sieht überall kleine Luftverzerrungen, die wie Hitzeflimmern aussehen - draufstellen und abwarten!), dass Energiemangel nie ein Problem sein dürfte. Im Laufe des Spiels wird das Veil-Medaillon außerdem über »Nachtsonne-Kristalle« erweitert: Dann kann man die Zeit verlangsamen, einen stabilen Schild um sich errichten oder durch gegnerische Deckung feuern. Auch im Falle des Schleiers ist der Schwarzmarkt bemerkenswert gut bestückt, kann man dort doch einen größeren Energievorrat, die Möglichkeit, Feinde durch Wände zu sehen oder einen stärkeren Schild kaufen, der Gegner schon bei Berührung vaporisiert. Falls man ein Upgrade aus irgendeinem Grund nicht mehr leiden kann, darf man es auch wieder verkaufen - kriegt dafür aber nur die Hälfte des ursprünglichen Preises.

Nazibusters!

Zwischen den Missionen läuft man einigermaßen frei in dem Dorf Isenstadt herum, immer auf der Suche nach neuen Missionen, die überdeutlich markiert sind. Außerdem kann man auch hier nach verstecktem Kram suchen, herumlaufende Gegner abknallen oder mit Widerständlern reden, auch wenn die nach ein paar Standardzeilen meist nur ein 

Mit der richtigen Waffe ist auch der dickste Feind schnelles Kanonenfutter. Im Zweifesfall hilft es außerdem, schnell den Schleier anzuknipsen, der idiotensicher die Schwachstellen leuchten lässt.
knurriges »Sorry, kann jetzt nicht mit dir reden!« für einen übrig haben. Sehr viel mehr gibt es nicht zu tun: Es gibt nicht einen Zivilisten in der Stadt, was sie erstaunlich leblos macht. Außerdem wird man sehr oft von A nach B und von dort zurück nach A geschickt, was viele Ladebalken mit sich bringt - die einzelnen Stadtteile sind nicht durchgehend begehbar, sondern werden separat geladen. Kurz gesagt: Da man sich ohnehin immer in denselben paar Aufenthaltsorten tummelt, hätte man diese auch deutlich näher zusammenlegen können, um unnötige Laufarbeit zu verhindern.

Neben den Hauptmissionen gibt es immer wieder auch Nebenaufträge, die man nicht annehmen muss, aber kann - die bringen hauptsächlich Dankbarkeit, mehr Geld sowie frische Ausrüstungsteile für die Waffen. In unregelmäßigen Abständen läuft man auch einem Bossgegner über den Weg, die dankbarerweise nicht einfach per blindem Draufhalten zu erledigen sind; die sinnvolle Nutzung des Schleiers ist hier überlebenswichtig. Ab und zu stehen Schleier-Störgeräte in den Levels herum, was man nicht nur daran merkt, dass er nicht mehr aktivierbar ist, sondern dass sich auch die Umgebung düstergrau färbt - das gilt es natürlich schnellstmöglich zu ändern, indem der grundsätzlich schwer bewachte Störsender zerballert wird. Falls man dabei ein paar Treffer zuviel abbekommt und sich der Bildschirm bedrohlich rot färbt, ist es sinnvoll, mal eben ein paar Sekunden in Deckung zu verweilen - B.J. heilt sich währenddessen selbst. Und falls man doch mal draufgeht, landet man beim letzten automatisch angelegten Checkpunkt; manuelles Speichern ist leider nicht erlaubt.

Ach, mein Geduldsfaden...

Neben der Kampagne gibt es auch den (am PC separat zu startenden) Mehrspielermodus, an den man nach dem glorreichen Original hohe Erwartungen haben dürfte und sollte.  Aber tja, wie das so oft ist - hohe Erwartungen fallen umso tiefer. Und so ist es schade, dass der Multiplayermodus bei Wolfenstein so 

Die wenigen Bossfights sind gut inszeniert und fordern im Gegensatz zu den Standard-Gegnern sogar etwas Taktik und cleveren Einsatz des Schleiers.
spartanisch daher kommt: Drei Klassen, drei Spielmodi, acht Karten, das war's. Zwei der drei Spielvarianten (nämlich »Objective« und »Stopwatch«) sind mit Ausnahme des  Zeitdrucks identisch - in beiden muss man bestimmte Verteidigungs- und Zerstörungs-Aufgaben erledigen, bei Stopwatch muss man das lediglich schneller schaffen, als das gegnerische Team es vorgelegt hat. Und zu Team Deathmatch muss wohl kein Wort mehr verloren werden. Auch hier sammelt man Geld ein, mit dem man seine Waffen aufpimpen kann. Neben diesem unspektakulären Inhalt ist es vor allem die Technik, die enttäuscht: Das geht bei der elend umständlichen und unverständlich lange ladenden Serverliste los, die Erinnerungen an das frühe Gamespy weckt. Es geht über Grafikfehler bei Spezialeffekten weiter und endet bei Partien, die komplett unspielbar waren: Ich sehe meiner Figur von hinten unten auf die Hacken, kann sie nur ruckelig bewegen und sonst nichts machen außer mich abknallen zu lassen. Bäh. Wenn alles funktioniert, gehen die Partien angenehm schnell und unterhaltsam zur Sache, aber insgesamt ist der Mehrspielermodus nur ein kostenloser Bonus, der sich auf das Nötigste beschränkt.

Technisch ist Wolfenstein solide - kein Grafikwunder, aber auch kein Absturz. Das Figurendesign ist etwas kantig, und so manche Textur winkt aus den 90ern rüber, aber alles in allem macht es Spaß, das Spiel anzuschauen: Es ist sehr flott, besonders die Veil-Effekte sind sehr beeindruckend, die abwechslungsreichen Levels sind clever designt - die olle Doom 3-Engine wird hier nochmal bis an ihre Grenzen ausgereizt.        

Fazit

Hach, das tut mal gut! Keine Schleicheinlagen, keine Deckung, keine Lüftungsschächte und keine wehenden Stars and Stripes bei traurigen Trompeten-Soli. Wolfenstein ist erfrischend simple Shooteraction mit viel Offensiv-Krawumms im Stile von Serious Sam: Scheiß auf die Ballistik, Standardegner gehen auch nach einem Treffer aus gefühlten zwei Kilometern zuverlässig zu Boden - ja, es ist hohl, aber auf fröhliche Weise hohl. Jedenfalls hätte ich nach dem Probespiel vor drei Monaten nicht damit gerechnet, dass ich jetzt zum Test so breit grinsen würde. Aber dieser Segen ist natürlich auch gleichzeitig Fluch: Wolfenstein ist ein reiner Shooter ohne weitere Ansprüche, mit dumpfer Gegner-KI und einer Story, die bestenfalls nicht der Rede wert ist - das mag mittlerweile vielleicht zu wenig sein. Davon abgesehen haben es die Entwickler meiner Meinung nach auch mit der Schleier-Stärke übertrieben: Das Ding zu verlassen ist eigentlich kaum mal nötig, es bietet viel zu viele offensichtliche Vorteile. Doch wenn man bereit ist, das Gehirn gegen das Gamepad bzw. die Tastatur zu tauschen, dann erwartet einen ein Spiel wie ein guter B-Film: Sieht nicht besonders doll aus, ist irgendwie doof und veraltet - macht aber Spaß und ist eine schöne Abwechslung zu all den Hochglanzprodukten.

Pro

unkomplizierte Shooter-Action
ansehnliche Grafik
exzellenter Soundtrack
kernige Soundeffekte
ordentlicher Umfang
verspieltes Waffenarsenal
abwechslungsreiches Leveldesign

Kontra

simple Spielmechanik
zu mächtiger Schleier
verbuggter, unaufregender Mehrspielermodus
hohle Story
dumpfe Gegner-KI

Wertung

360

Unterhaltsamer Shooter im B-Movie-Stil, der aber sonst nicht sehr viel zu bieten hat.

PC

Unterhaltsamer Shooter im B-Movie-Stil, der aber sonst nicht sehr viel zu bieten hat.

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