Moto GP 0820.10.2008, Michael Krosta
Moto GP 08

Im Test:

Im letzten Jahr konnte Capcom nur auf der PS2 mit der Königsklasse der Motorradrennen an den Start gehen, nachdem man die MotoGP-Lizenz von Namco übernommen hatte. Mittlerweile dürfen die Japaner alle Plattformen bedienen und lassen die Motoren in der Saison 2008 auch auf dem PC, der Xbox 360 und PS3 aufheulen. Legen sich die italienischen Bike-Spezialisten von Milestone hier etwas mehr ins Zeug oder erwartet uns ein ähnlich ernüchternder Einstand wie im vergangenen Jahr auf der PS2?

Superbike-Syndrom?

Als ich vor einigen Wochen das durchschnittliche SBK08 testen musste, hatte ich schon schlimme Befürchtungen, wie die Premiere der MotoGP-Serie auf den aktuellen Konsolen und dem PC ausfallen wird. Warum? Weil die Entwickler von Milestone in den letzten Jahren meist ihr kritikwürdiges Standardprogramm in Sachen Motorradrennen durchgezogen haben, ohne sich dabei um Verbesserungen zu kümmern. So schien es im letzten Jahr, als hätten die Italiener ihr SBK 07 genommen, schnell die Texturen der Zweiräder und ihrer Fahrer ausgetauscht, ein paar Werte in der Fahrphysik angepasst und das Ganze ohne viel Aufwand als MotoGP 07 für die PS2 wiederverwertet. Doch Raser mit Biker-Herz können aufatmen: Anstatt

Nicht nur in der Formel 1, sondern auch in der MotoGP-Serie findet sich neuerdings ein Nachtrennen im Kalender.
 das peinliche Kopier-Programm erneut durchzuziehen, hat man sich auf den drei neuen Plattformen mehr Mühe gegeben, einen eigenständigen Motorrad-Racer auf die Beine zu stellen, der sich nicht nur durch die Lizenz von SBK unterscheidet.

Entschärfte Fahrphysik

Vor allem die Fahrphysik wurde deutlich entschärft: Zwar stehen euch auch hier drei Varianten zur Verfügung, doch lassen sich die Vehikel im Gegensatz zu den SBK-Kollegen auch unter Simulationsbedinungen noch auf der Strecke halten - obwohl der Anspruch dabei nicht zu kurz kommt und ihr schon sehr feinfühlig mit Gas und Bremse umgehen müsst. Unter Arcade-Bedingungen fährt es sich dagegen fast wie auf Schienen, da euch ständig Fahrhilfen unter die Arme greifen, die sogar so weit gehen, dass die Maschine automatisch in und vor Kurven abgebremst wird. Hattet ihr in der Vergangenheit noch die Möglichkeit, die Fahrhilfen mehrstufig zu regeln und euch so nach und nach an das realistische Handling heran zu tasten, müsst ihr hier mit den drei Vorgaben der Entwickler leben, wobei die mittlere Einstellung einen sehr guten Kompromiss aus Fahrspaß und Anspruch darstellt. Trotzdem wäre es nicht schlecht gewesen, zumindest die Bremshilfe manuell aus- und einzuschalten, denn diese greift doch sehr stark ins Renngeschehen ein und dürfte für einige Spieler das Arcade-Fahrmodell gänzlich uninteressant machen. Von überflüssigen Details wie Fahrer- und Motorradschaden hat man sich bei MotoGP völlig verabschiedet, wobei unter Simulationsbedingungen zumindest die Maschinen mit einem optionalen Schadensmodell hätten ausgestattet werden können. Überhaupt kommen Hardcore-Simulationsfans insgesamt etwas zu kurz, denn auch das Setup, in dem ihr z.B. die Getriebeübersetzung, Reifenmischung und die Federung regeln könnt, fällt hier längst nicht so detailliert aus wie bei SBK 08. Warum lässt man nicht auch MotoGP-Fans die Wahl zwischen einem oberflächlichen Standard-Setup und Profi-Einstellungen oder gibt ihnen wenigstens die Möglichkeit, sich vom eigenen Renn-Ingenieur beraten zu lassen? Richtig schwach präsentiert sich das Tutorial: Anstatt in verschiedenen Lektionen an das Motorradfahren heran geführt zu werden, werdet ihr sofort ins kalte Wasser geworfen und müsst eine komplette Runde drehen. Bei Ferrari Challenge hat dieses Prinzip recht gut funktioniert, da es umgehend Feedback eures Beifahrers gab, was ihr kurz davor gut oder schlecht gemacht habt. Bei MotoGP erwarten euch

In den ersten beiden Stufen lassen es die KI-Konkurrenten noch recht gemächlich angehen und fahren mit angezogener Bremse weiter, falls ihr hinten liegt.
dagegen nur vereinzelte Texteinblendungen, die man im Fahrstress eh nicht mitbekommt, sowie eine abschließende Einstufung am Ende der Runde, die eine der drei Fahrphysik-Stufen für euch vorschlägt.

Schwankende KI

Die Herausforderung liegt nicht nur im Meistern der jeweiligen Fahrphysik, sondern auch darin, die KI-Konkurrenz in Schach zu halten. Da endlich auch wieder die 125cc- und 250cc-Klassen neben den "großen" MotoGP-Bikes ihr Comeback feiern, tummeln sich immerhin bis zu 34 Maschinen auf den gut 15 lizenzierten Pisten. Dabei dürft ihr zwischen vier Stufen entscheiden, wie stark die anderen Fahrer auftreten sollen, wobei in den ersten beiden das Siegen kein großes Problem darstellt, da das Feld von einem recht starken Gummibandeffekt dicht beisammen gehalten wird und ihr nach einem Sturz schnell den Anschluss wieder findet. Deutlich heftiger geht es in den höheren Stufen zur Sache, in denen ihr nahezu perfekt fahren müsst, um auf dem Siegertreppchen zu landen. Erwartet euch dann bei Schmuddelwetter auch noch nasser und damit rutschiger Asphalt, macht es den Weg zum Sieg nicht gerade einfacher.

       

Der Schnellste auf zwei Rädern

Neben einem schnellen Rennen zwischendurch und Zeitfahren steht vor allem die Meisterschaft im Mittelpunkt, in der ihr alle Läufe der aktuellen Saison absolviert und am Ende hoffentlich genug Punkte auf eurem Konto habt, um als frisch gebackener Weltmeister über die Ziellinie zu brettern. Um euch auf die Strecke vorzubereiten und eine gute Startposition zu sichern, dürft ihr vor dem eigentlichen Rennen auch noch an einer Übungs- sowie der Qualifying-Session teilnehmen. Wer auch gerne zwischendurch ein Rennwochenende auf einem beliebigen Kurs erleben möchte, wird allerdings enttäuscht, denn bei Einzel-Events geht es umgehend in die Startaufstellung und ihr habt keine Möglichkeiten, euch vorher eure Grid-Position zu erarbeiten.

Fahrer und Motorräder sehen richtig gut aus. Die Kulissen wirken dagegen trist, fad und leblos.
 Neben der Meisterschaft habt ihr lediglich noch im neuen Karrieremodus die Möglichkeit, alle Sessions mitzumachen. Hier legt ihr euch einen eigenen Fahrer an, mit dem ihr euch angefangen in der 125ccm-Klasse bis hin zu den Top-Teams der MotoGP über mehrere Saisons hinweg vorarbeitet. Neben Pokalen und Meisterschaftszählern sammelt ihr außerdem Skill-Punkte, die ihr in verbesserte Fahreigenschaften eures Motorrads investiert. Außerdem schaltet ihr mit wachsendem Erfolg neue Outfits und Helm-Designs frei. Habt ihr mit der umfangreichen Karriere und der Meisterschaft immer noch nicht genug, erwarten euch zusätzlich 50 Herausforderungen, in denen ihr z.B. gegen bestimmte Fahrer antreten, Rundenzeiten unterbieten oder Checkpunkte abklappern müsst. Als Belohnung bekommt ihr meist irgendwelche Fotos von Fahrern und Maschinen - also Dinge, auf die man eigentlich auch gut und gerne verzichten kann.

Leblose Kulissen

Bei der Präsentation kommt MotoGP 08 nicht über das Mittelmaß hinaus: Während die Motorrad-Modelle und Animationen der Fahrer noch in Ordnung gehen, sind es vor allem die enorm tristen und leblosen Kulissen, bei denen sich trotz der hohen Geschwindigkeit schnell ein Gähnen breit macht. Warum hat man sich nicht ein wenig davon inspirieren lassen, was Namco und THQ vorher mit der Serie gemacht haben? Ich kann mich an Fahrten auf PS2 und Xbox erinnern, wo Leuchtraketen von den Zuschauertribünen abgefeuert und Fahnen geschwenkt wurden, während über meinem Kopf Hubschrauber kreisten

Auf nassen Pisten müsst ihr noch mehr Feingefühl beim Beschleunigen und Bremsen beweisen.
oder ein Zeppelin ruhig durch die Luft schwebte. Und was gibt es hier? Nichts! Die Pappkameraden sitzen völlig regungslos auf den Tribünen und hätten den Events auch genau so gut fern bleiben können. Daneben gibt es abseits der Piste nichts, was die tristen Kurse etwas lebendiger gestalten könnte. Auch das Drumherum wird vollkommen vernachlässigt: Anstatt nach dem Rennen eine Siegerehrung inklusive Champagnerdusche zu zeigen, springt das Geschehen nach der Platzierungstabelle umgehend zur nächsten Piste. Genau so öde präsentiert sich auch die Startaufstellung, in der attraktive Grid-Girls und aufgeregte Mechaniker durch Abwesenheit glänzen. So beschränkt sich die Rennatmosphäre einzig auf die Duelle auf der Strecke, doch hat Milestone das ganze Drumherum konsequent ignoriert. Zumindest auf dem PC gibt es mit dem durchweg flüssigen Spielablauf samt Anti Aliasing-Optionen technisch keinen Grund zur Klage - mal abgesehen von dem oft merkwürdigen Kollisionsverhalten bei Berührungen zwischen den Motorrädern. Die PS3-Version gibt diesbezüglich mit vereinzelten Slowdowns sowie hässlichen Kanten eine schlechtere Figur ab. Vor allem in Kurven und auf nassen Pisten geht das Geschehen gerne mal in die Knie. Die Xbox 360 belegt dagegen den zweiten Platz hinter dem PC, denn auch hier brettert ihr im Gegensatz zur PS3-Fassung ruckelfrei über den Asphalt, aber müsst mit einer etwas stärkeren Kantenbildung als auf dem PC leben, die aber zumindest noch geringer ausfällt als auf der PS3.

Exklusive Rangliste

In Sachen Online-Rennen fährt die Xbox 360-Version einen ungefährdeten Sieg gegenüber den anderen Plattformen ein. Warum? Weil es nur auf der Microsoft-Konsole möglich ist, neben schnellen Spaß-Sessions mit bis zu zwölf Fahrern auch an gewerteten Veranstaltungen für die Ranglisten teilzunehmen. Warum das nicht auch zumindest auf der PS3 ermöglicht wird, bleibt ein Rätsel. Allen gemeinsam ist jedoch das langweilige Lobby-Design: Zwar dürft ihr mit der Hilfe von Filtern gezielt nach euren Wunsch-Sessions suchen, doch läuft das Rennen bereits, habt ihr weder durch eine animierte Karte noch eine Live-Übertragung die Möglichkeit, das Geschehen direkt zu verfolgen. Stattdessen erwartet euch lediglich eine langweilige Liste mit den teilnehmenden Fahrer samt der Runde, in der sie sich gerade befinden. Das hat man schon besser gesehen... Worauf es aber hauptsächlich ankommt, ist die Performance: Hier macht MotoGP 08 eine gute Figur und der Netzcode sorgt für einen überwiegend lagfreien Rennablauf. Schade nur, dass ihr nirgends einen Indikator findet, mit dem euch schon im Vorfeld die Verbindungsqualität zu den einzelnen Spielern bzw. den verfügbaren Session angezeigt wird.    

Fazit

Nach dem Schnellschuss im vergangenen Jahr auf der PS2 geht es mit der MotoGP-Serie endlich wieder aufwärts! Trotzdem ist Milestone noch weit davon entfernt, sowohl an die actionreichen PS2-Rasereien unter Namco-Regie als auch die Climax-Titel für PC und 360 heran zu reichen, die vor allem grafisch einiges mehr hermachen konnten als das, was uns die Italiener hier servieren. Gerade auf der PS3, auf der die Serie zum ersten Mal erscheint, hätte ich technisch mehr erwartet: Mit den Kanten kann ich ja leben, aber wenn ein Rennspiel eines nicht darf, dann ist es ruckeln! Gerade angesichts der enorm tristen und leblosen Kulissen ist es ein Unding, wenn der Grafikmotor nicht rund läuft. Wenigstens ist das auf dem PC und der 360 der Fall. Schade ist zudem, dass die Entwickler das Drumherum mit Startaufstellung und Siegerehrung völig außer Acht gelassen haben und es keine Möglichkeit gibt, ein komplettes Rennwochenende inklusive Qualifying zwischendurch auszutragen. Zumindest bei der Fahrphysik hat man aber einen Schritt nach vorne gemacht, indem man die PS-starken Geschosse jetzt auch unter Simulationsbedingungen mit etwas Feingefühl auf der Straße halten kann. Trotzdem hätte ich mir gerade bei den Fahrhilfen mehr manuelle Einstellungsmöglichkeiten gewünscht, anstatt nur drei vorgefertigte Abstufungen bei der Physik zu bekommen. Auch hätte das Setup für Profis optional mit einer ähnlichen Detailfreudigkeit daher kommen können wie bei SBK 08, anstatt nur oberflächliche Standardeinstellungen zu bieten. Bei den Online-Duellen macht MotoGP 08 mit überwiegend lagfreien Positionskämpfen einen guten Eindruck, auch wenn ich es nicht ganz nachvollziehen kann, dass nur auf der 360 Ranglisten-Rennen möglich sind. Insgesamt bekommt ihr mit MotoGP ein gutes Motorrad-Rennspiel, das aber wesentlich mehr sein könnte. Noch hat es Capcom nicht geschafft, mich davon zu überzeugen, dass sich die Lizenz bei ihnen in besseren Händen befindet als bei Namco und THQ. Aber zumindest geht es bergauf...

Pro

offizielle Lizenz
alle drei Rennklassen
verschiedene Witterungsverhältnisse
drei Fahrphysik-Stufen
Karrieremodus mit eigenem Fahrer
großer Umfang
Bike-Setup möglich
flüssige Darstellung (PC)
viele Kameraperspektiven
gute Steuerung
bis zu 34 Fahrer auf der Strecke
vier KI-Stufen
Ranglisten-Rennen möglich (Xbox 360)
überwiegend saubere Online-Performance

Kontra

Bildraten-Einbrüche (PS3)
starke Kantenbildung (PS3)
schwaches Tutorial
Setup nur sehr oberflächlich
kein Drumherum (Siegerehrung, Startaufstellung etc.)
kein einzelnes Renn-Wochenende möglich
detailarme, sterile Pisten
durchschnittliche Motorenklänge
Fahrhilfen nicht einzeln anpassbar
z.T. starker Gummibandeffekt
manchmal seltsame Kollisionsabfrage
KI manchmal zu rabiat
keine Ranglisten-Rennen (PC, PS3)

Wertung

360

Inhaltlich & technisch vergleichbar mit der PC-Fassung. Dazu bekommt ihr nur hier Ranglisten-Rennen über Xbox Live.

PC

Gutes Motorrad-Rennspiel mit großem Umfang und anspruchsvoller Fahrphysik. Technisch fährt man aber nur im Mittelmaß!

PlayStation3

Inhaltsgleich zur PC-Fassung, aber technisch muss die PS3 einen Gang zurück schalten.

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