Hinterland09.10.2008, Marcel Kleffmann
Hinterland

Im Test:

Es war einmal in einem namen- und storylosen Fantasy-Reich: Der König möchte das "Hinterland" vollständig erschließen und schickt euch sowohl als Städtebauer als auch Scout hinaus in die unbekannte Welt der Grenzregion. Gesagt, getan und so baut man fleißig auf und vernichtet gleichzeitig Monster, was sich erstaunlicherweise wunderbar ergänzt. Doch dafür hapert es im Hinterland an anderer Stelle...

City-Builder + Diablo = Love?

Mit "Hinterland" versucht sich Tilted Mill Entertainment (SimCity: Societies Kinder des Nils und Caesar IV ) an einer gewagten Mischung aus Stadtaufbau und Monster-Totklicken à la Diablo. Doch bevor ihr eine Siedlung gründen könnt, braucht ihr einen Helden, den ihr aus mehreren Klassen

"Hinterland" könnt ihr derzeit nur über Steam erwerben. Bei dem Kauf der 20 Dollar teuren Vollversion fallen außerdem vier Dollar Steuern an (Gesamtpreis: ca. 17-18 Euro).
 (Ritter, Architekt etc.) mit den üblichen Vor- und Nachteilen auswählen könnt. Danach stellt der Zufallsgenerator die Welt zusammen.

Beim ersten Level-Up auf Stufe 1 dürft ihr einen Punkt in "Angriff", "Defensive" oder "Lebensenergie" verteilen und im Anschluss aussuchen, ob ihr die Stadt passiv mit Nahrung unterstützen wollt oder lieber besser im Kampf sein möchtet. Fertig, das war's mit der Charakter-Erstellung und genau so oberflächlich sieht es im späteren Spiel aus: Es gibt keine Spezialfähigkeiten, Talentbäume oder Charakter-Attribute und wie viele Erfahrungspunkte bis zum nächsten Level-Up fehlen, wird nirgends angezeigt. Kann das Spiel dennoch unterhalten?

Ein beschauliches Dörfchen

Der unlängst erstellte Protagonist startet auf einer freien Fläche mit einem Hauptgebäude und ohne Einwohner. Mit der Zeit kommen automatisch Besucher vorbei und ihr müsst überlegen, ob ihr diese Leute in eure Stadt einladen wollt oder nicht. Dazu solltet ihr euch den Beruf genau anschauen und auch, ob eure Stadt den Erwartungen der Besucher gerecht wird, da sie gewisse Ansprüche haben. So ist es am Anfang sinnvoll einige Bauern anzuwerben, da sie erstens niedrige Ansprüche stellen und zweitens Nahrung produzieren, schließlich verbraucht jeder Einwohner pro Tag einen Happen "Futter". Entscheidet ihr euch einen Bauern in die Siedlung aufzunehmen, müsst ihr mit ihm Reden, gebt ihm ein einmaliges Begrüßungsgeld und dürft dann seine Farm platzieren. Ihr zieht die Bauwerke also nicht frei als Stadtbauer hoch, sondern werbt die Besucher anhand ihres Berufes an, die ihr eigenes Haus mit eurem Gold bauen und dort ihrer Arbeit nachgehen

Auf der linken Bildschirmseite werden alle Besucher aufgelistet und im Gespräch könnt ihr sie in euer Dorf einladen. Diesem Totenbeschwörer fehlt allerdings ein "Temple of Evil" und ein "Keep" (ausgebautes Hauptgebäude).
können.

In der Anfangsphase solltet ihr vorrangig auf die Nahrungsproduktion achten und mehrere Farmer, Jäger und/oder Tier-Züchter anwerben. Anschließend darf ein Kneipenbesitzer nicht fehlen, der die Anzahl der möglichen Besucher erhöht und zudem pro Tag etwas Gold abwirft. Händler vermehren ebenfalls das Gold und mit Schmieden, Alchimisten, Wahrsagern und Co. kommen weitere illustere Gestalten in eure Stadt, die allesamt bestimmte Vorteile mit sich bringen: Schmiede können Waffen, Schilde, Rüstungen und Bögen herstellen, jedoch habt ihr keinen Einfluss darauf, was die Meister gerade schmieden - sehr schade. Sie produzieren einfach irgendetwas, das wie von Geisterhand ins Stadtlager wandert. Diese ohne fortlaufend benötigte Rohstoffe hergestellten Ausrüstungsgegenstände könnt ihr eurem Helden oder den Dorfbewohnern anlegen und ihre Angriffskraft bzw. Verteidigung verbessern. Gleiches gilt für die von Alchimisten hergestellten Heiltränke, während ein Priester zum Beispiel den Kriegsgott für mehr Kampfkraft anbeten kann. Zur Steigerung der Effektivität oder zur Spezialisierung lässt sich fast jedes Gebäude ausbauen (Schmied -> Armory -> Waffenschmied).

Da ihr in der Anfangsphase über beschränkte Goldreserven verfügt, nur wenige Personen anwerben könnt und meist keinen Händler habt, der es ermöglicht hergestellte oder gefundene Dinge zu verscherbeln, müsst ihr auf die Jagd gehen. 

Die Gegner totklicken

An Gold kommt ihr am einfachsten, indem ihr mit eurem Helden die Stadt verlasst und euch in den umgebenden Gebieten mit allerlei Fantasy-Viehzeug prügelt. Ihr lauft per Mausklick durch die Gegend und solltet ihr auf Gegner treffen, klickt ihr sie einfach tot bzw. haltet die Maustaste gedrückt, um eure einzige Standardattacke durchzuführen. Die Angriffs-/Verteidigungskraft setzt sich aus eurem Level, der verwendeten Waffe und eventuellen Bonus-Gegenständen zusammen, was mit Schwertern und Schildern im Charakter-Portrait symbolisiert wird. Sollte die Lebensenergie mal knapp werden, könnt ihr jederzeit einen Heiltrank einwerfen oder ihr lauft zurück zur Stadt und regeneriert. Damit ihr nicht zu starken Gegnern vor die Speerspitze lauft, zeigt die

In Sachen Grafik und Animationen kann Hinterland der Konkurrenz nicht das Wasser reichen.
"Region"-Karte alle Sektoren und den Schwierigkeitsgrad in Form einer Punkteskala an - sehr gelungen.

Zudem könnt ihr eure Dorfbewohner dazu auffordern euch bei dem Abenteuer zu begleiten, was sie auch machen und schwupps habt ihr eine Party aus maximal vier Mitstreitern. Die Kampfkollegen greifen automatisch an, folgen euch selbstständig und stürmen bei gesichteten Gegnern gerne voran - eine Option sie ihn Zaum zu halten gibt es nicht, dafür kann man ihnen manuell einen Heiltrank verabreichen.

Genau genommen ist der Kampfverlauf viel zu einfach und bietet kaum Abwechslung oder Tiefgang: Euer Held und all die Anderen haben nur eine Standard-Angriffsfähigkeit die sie ständig wiederholen und dank der Heiltränke sind die Kämpfe nicht allzu fordernd, wenn ihr ein bisschen aufpasst. Acht geben müsst ihr ebenfalls, wen ihr mit auf Abenteuer-Tour nehmt, da eure Begleiter ihren normalen Aufgaben nicht mehr nachgehen können: Ein Schmied produziert in der Kampfzeit keine Waffen und ein Bauer an der Front keine Nahrung.

Alles für die Beute

Habt ihr alle Gegner in einem Sektor ausgeschaltet, gehört euch das Areal und je nachdem was ihr angegriffen habt, gibt es einen Bonus für die Heimatstadt, zum Beispiel "Anschluss an eine Wasserquelle" oder "ein Reliquienschrein". So werden eure indirekten Bauoptionen erhöht, denn der Kneipenwirt lässt sich ohne Zugang zu einer Frischwasserquelle nicht bei euch nieder. Außerdem gewinnt ihr im Kampf "Ruf" und je höher die Stadtqualität durch Zugang zu mehr Ressourcenquellen gesteigert wird, umso "bessere Besucher" werden angezogen. Ein weiteres Management der

Die Karte zeigt den Schwierigkeitsgrad mit kleinen Punkten an sowie alle Ressourcen und bisher eroberten Gebiete.
Rohstoffe ist nicht nötig, da ihr die Ressourcen nur zum Anwerben neuer Leute braucht. Die Ressourcen werden nicht verbraucht.

Natürlich hinterlassen umgehauene Feinde auch Beute, die aus Gold und/oder Ausrüstungsgegenständen besteht. Manchmal findet ihr Kochbücher, Pflüge, Bärenfallen, Schmiedehammer, etc. die ihr euren verschiedenen Bewohnern in die Hand drücken könnt, um ihre Effizienz zu steigern - was ein bisschen Mikromanagement mit sich bringt, da jeder Einwohner sowie ihr insgesamt vier Inventarplätze hat: Waffe oder Arbeitsgerät, Schild oder Zweihänderwaffe, Rüstung und Tools. Beispielsweise erhöht eine Bärenfalle die Tagesproduktionsmenge eines Jägers.

Die Schattenseite

Die Idee Städtebau und Hack&Slay so dermaßen clever zu verknüpfen verdient ein Lob, aber so toll und funktional diese Kombination ist, es fehlt an Tiefgang. Warum hat man nur eine Angriffsfähigkeit? Warum darf man nicht bestimmen, was die Schmiede produziert und warum hat die Stufe der Einwohner keinen Einfluss auf die Produktion, schließlich gewinnen eure Mitstreiter im Kampf an Erfahrung. Und gerade wenn man sich über das Gedeihen der Siedlung freut, ist ein Großteil der Gebiete erobert und ihr habt alles auf die Maximalstufe ausgebaut. Nach rund drei bis vier Stunden hatte ich fast alles Gesehen und konnte nur darauf warten, dass meine Gebäude genug Gold für die teuren Totenbeschwörer oder Söldner abgeworfen haben und dies ist schlichtweg langweilig oder eure Abenteurer marschieren tiefer ins Land hinein, wo stärkere Gegner und das zu simple Kampfsystem lauern.

Wie ich schon vorhin erwähnte, fehlt es an Statistiken: Nicht nur mehr über die Attribute der Charaktere zu erfahren wäre schön, an Details zur Wirtschaft mangelt es ebenso. Ein globales Statistik-Fenster wäre zum Beispiel wünschenswert gewesen, das zugleich anzeigt wie viel Nahrung verbraucht bzw. produziert wird.

Fazit

In den ersten zwei Stunden war ich von Hinterland wirklich fasziniert. Die Mischung aus City-Builder und Hack&Slay funktioniert erstaunlich gut und es motiviert ungemein, nicht nur seinen Charakter zu verbessern, sondern zugleich die Stadt auszubauen. Als ich aber nach knapp drei Stunden so ziemlich jeden Sektor erobert hatte und sich die Ausbaumöglichkeiten erschöpft hatten, war ich enttäuscht über die fehlende Komplexität. Sowohl der Ausbau der Stadt als auch die Entwicklung der Charaktere und vor allem der Kampf hätten nicht so einfach gestrickt sein müssen – keine Spezialfähigkeiten, keine Statistiken und kaum Managementmöglichkeiten in der Stadt. Dem freudigen Auftakt folgte recht schnell die Ernüchterung über den fehlenden Umfang. Selbst Zufallselemente wie der Welt-Generator helfen kaum die Faszination wiederzuerwecken, die trotz der mageren Grafik am Anfang aufkeimt. Wirklich schade, aus Hinterland hätte viel mehr werden können...

Pro

tolle Mischung aus City-Builder und Hack&Slay
motivierender Ausbau der Siedlung kombiniert mit Beute und Level-Ups
Kämpfe mit der Party
Einwohner können mit Ausrüstung eingedeckt werden
Waffen und Gegenstände lassen sich selbst produzieren
sehr viele Zufallselemente (Welt, Charaktere, Gegner) fördern Wiederspielwert
sinnvolle Startoptionen
günstig

Kontra

man hat zu schnell alles gesehen und ausprobiert
Leerlauf/Wiederholungen im späteren Spiel
es fehlt an Feedback und Statistiken
Kampfsystem und Städtebau sind zu einfach gestrickt
keine Einstiegshilfe, die zumindest erklärt wie man eine Farm errichtet -> Sackgasse
Minimal-KI: Stürmen und Angreifen
betagte Grafik und unschöne Animationen

Wertung

PC

Tolle Mischung aus City-Builder und Hack&Slay, aber leider ohne Tiefgang.

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