Bolt - Ein Hund für alle Fälle20.01.2009, Mathias Oertel
Bolt - Ein Hund für alle Fälle

Im Test:

Auch im letzten Jahr konnte man sich über die Anzahl an Lizenztiteln, die den Weg von der Leinwand auf die Konsole schafften, nicht beschweren. Die Qualität schwankte jedoch stark. Von Jumper (15%) über Madagascar 2 (40%) bis Kung Fu Panda (77%) wurde nahezu alles ausgeschöpft, was das Spektrum hergibt. Mit Disney’s Bolt macht sich ein weiterer Animationsheld auf, die Herzen der Spieler zu erobern. Mission geglückt?

Etwas anders

Der Erfolg von Spielen zu Filmen hing zumeist mit der Fähigkeit der Entwickler zusammen, das angestrebte Spieldesign in der von der Filmhandlung vorgegeben Grenze zu realisieren. Schließlich soll die Software ja all jene ansprechen, die den

Ein Superhund muss tun, was ein Superhund tun muss... Und dazu gehört u.a. auch der Husaren-Ritt auf eine fliegenden Rakete!
Film bereits im Kino gesehen haben. Man muss das Gesehene nachspielen und sich möglichst sofort an diese oder jene Location erinnern können. Und genau hier scheitern viele wie zuletzt Madagascar 2. Schauplätze, Helden, Inhalte: Eigentlich alles da, aber anstatt den Spielfluss zu fördern, waren die durch den Film gelieferten Vorgaben hinderlich.

Das Team von Avalanche geht mit Bolt einen etwas anderen Weg, der auf den ersten Blick verwirrt, auf den zweiten Blick aber logisch ist. Denn anstatt sich auf den puren Filminhalt zu konzentrieren und diesen umzusetzen, konzentrieren sie sich auf einen Aspekt des Kinostreifens und bauen darauf auf.

Anstatt originalgetreu die Geschichte des Filmstars Bolt zu erzählen, der im Glauben, wirklich Superkräfte zu haben, auf seiner Rettungstour durch die "reale" Welt von einem Missgeschick ins nächste stolpert, konzentriert sich das Spiel auf den Superhund Bolt und seine Fernsehshow. Durch diesen Kniff hat sich das Team nicht nur äußerst clever die Möglichkeit offen gehalten, die Superkräfte des Vierbeiners einzusetzen. Zusätzlich bringt man mit Bolts Besitzerin Penny als Detetktivin auf der Suche nach ihrem vom typischen Obermotz entführten Vater eine weitere spielbare Figur hinzu, die in den auf fünf Kapitel verstreuten 25 Missionen immer wieder für Abwechslung sorgt.

Spielemix light

Für mich ist bei Lizenztiteln immer ein ausschlaggebender Punkt, ob das Spiel auch ohne den Namen im Rücken bestehen könnte. Wenn obendrauf noch die Lizenz gut umgesetzt und eingepflegt wurde, umso besser.

In dieser Hinsicht zeigt sich Bolt als ambitioniert, aber unter dem Strich leider etwas zu zahm. Es wird gekämpft, gesprungen und geschlichen, es werden Kisten verschoben, Bosse bekämpft sowie Quicktime-Reaktionen bewältigt - allerdings alles nur auf durchschnittlichem Niveau ohne Tiefe und nur selten mit Anspruch.

Sprich: Avalanche bedient sich bekannter Elemente, sei es nun von God of War, Tomb Raider, Splinter Cell oder Prince of Persia, baut sie um und reichert das alles mit einem einsteigerfreundlichen Schwierigkeitsgrad an. Das funktioniert auch über weite Strecken, ist für die vermutlich in erster Linie angepeilten Zocker-Kids deutlich interessanter als z.B. Madagascar 2, bleibt aber letztlich nur eine Light-Version einschlägiger Versatzstücke, die im jeweiligen Bereich nicht an die Vorbilder heranreicht.

Nehmen wir z.B. das auf zwei Knöpfen basierende Kampfsystem, das bei den Vierbeiner-Missionen zum Einsatz kommt: Leicht zu erlernen und trotz der vermeintlichen Eingeschränktheit mit einigen Kombo-Möglichkeiten ausgestattet, hat man nach den ersten Tutorial-Missionen bereits alle wesentlichen Angriffs-Schemata gesehen.

Dieses Manko wird zwar im Verlauf mit zunehmenden Gegnermassen abgemildert, bei denen man von Feind zu Feind hüpfen und seinen Kombozähler in die Höhe treiben kann, doch erweiterte Kombos hätten zumindest für die etwas Erfahreneren den Spielfluss aufgewertet.

In etwa der Hälfte der über 20 Missionen seid ihr mit Bolts bester Freundin Penny unterwegs, die sich im Spielelement-Mix um Schleichen, Springen und Rätseln kümmert.
Dafür gibt es allerdings Spezialangriffe wie Bolts "Superwuff", einen Bodenstampfer sowie eine Laserattacke, die im Laufe der fünf Kapitel zunehmend wichtiger werden, um die unterschiedliche Taktiken erfordernde Gegnerauswahl in Schach zu halten. Dennoch hat das Kampfsystem sein Potenzial nicht ausgeschöpft.

Wie leicht ist zu leicht?

Auch die Schleichsequenzen, die sich mit Penny und ihrem Tarnanzug anbieten und die um teils gelungene Hüpfereien und Rätsel aufgelockert werden, bleiben zu anspruchslos. Zwar ist es möglich, sich in einem speziellen "Anzeigemodus" z.B. den Blickkegel der zu umschiffenden Wachen anzeigen zu lassen. Doch gibt es eigentlich keine Situation, in der man von dieser Möglichkeit Gebrauch machen muss. So wird Spannung zwar gut aufgebaut und ein Hauch Splinter Cell weht durch das Abenteuer, doch unter dem Strich verpufft diese Spannung schnell.

Denn auch wenn man entdeckt wird, ist noch lange nichts verloren. Zwar gibt es mehr "Energiepunkte", wenn man die Gegner versteckt ausschaltet (wahlweise auch über Betäubungsbomben), doch da Pennys Kämpfe sehr einfach zu bewältigen sind (meist über einen Tastendruck), kommen hier sowohl Spannung als auch Action etwas zu kurz.

Erst als Penny partout nicht entdeckt werden darf und sowohl Laserfallen als auch patrouillierenden Feinden ausweichen muss, setzt die Spannung ein - und das, ohne unfair zu werden.

  

Bei den Schalter- und Kistenschieberätseln ihren vor allem gegen Ende anspruchsvolleren Sprungpassagen blühen die "Penny-Abschnitte" auf. Und auch die an einschlägige "Zweistick-Shooter" à la Geometry Wars angelehnten Computer-Hack-Sequenzen, die mit der Protagonistin initiiert werden, können sich sehen lassen. Dieser Mix ist durchaus unterhaltsam und vor allem familientauglich - was auf den HD-Systemen ja eher selten vorkommt.

Mit Laserattacken, Superbellen und Bodenstampfern als Spezialangriffen kann Bolt den actionreichen Kämpfen gelassen ins Auge schauen.
Insgesamt ist allerdings bedauerlich, dass Avalanche die einzelnen Versatzstücke bis zum Letzten auszureizen versucht und damit an einer gefährlichen Grenzen entlang schrammt. Es gibt nicht nur einen Kampfabschnitt, sondern mehrere hintereinander. Analog gibt es mehrere aneinander gereihte Hüpfsequenzen usw.

Besonders deutlich wird dies bei den Laser-Ausweichsequenzen. Beim ersten Mal ist es noch spannend, beim zweiten Mal  auch noch, doch wenn man innerhalb kurzer Zeit zum dritten Mal durch das Prozedere (wenngleich mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad) geschleift wird, wird die Linie, die Frust von Lust trennt, bereits angekratzt.

Interessanter und vor allem weniger vorhersehbar wäre es hier gewesen, wenn ein Schleichabschnitt sich z.B. mit einem Rätselabschnitt abwechseln würde, bevor es wieder zurück zum Laser-Ausweichen geht.

Doch trotz dieser Mankos zeigt sich Bolts Abenteuer inhaltlich abwechslungsreich genug, um jüngere Spieler bis zum spannenden Finale über gut acht bis zehn Stunden zu unterhalten.

Ansehnlich mit Hindernissen

Anteil daran hat auch die Kulisse, die in ihren besten Momenten mit ansehnlichen Landschaften und stimmungsvollen Lichteffekten punktet, aber auf der anderen Seite immer wieder im Detail schwache Texturen offenbart.

Auch die Animationsbibliotheken zeigen sich mit Licht und Schatten. Auf der einen Seite bewegen sich sowohl Bolt als auch Penny sowie die variantenreichen Gegner, die bei Auseinandersetzungen unterschiedliche Herangehensweisen fordern, im Schnitt durchaus ansehnlich.

Doch immer wieder kann es passieren, dass im Kampf die Übergänge vollkommen vernachlässigt werden und Bolt z.B. einen am Boden liegenden Gegner angreift und dieser auf einmal stehend die nächste Kombo bzw. den nächsten "Wurf" verpasst bekommt.

Und in diesem Bereich macht sich auch das auf Dauer eingeschränkte Kombo-Repertoire sowohl auf Bolts als auch auf Pennys Seite bemerkbar - irgendwann hat man alles gesehen, was die beiden zu bieten haben.

Immer wieder ein Hingucker sind jedoch die Umgebungsinteraktionen bei den Kämpfen in den Bolt-Sequenzen. Beim Einsatz von Würfen oder den Spezialfähigkeiten wie Lasern etc. zerlegt es die Umgebung sehr ansehnlich in ihre Einzelteile, Partikeleffekte werden ausgereizt bis zum Gehtnichtmehr und nicht zuletzt lässt sich so auch das eine oder andere versteckte Gimmick finden, das euch entweder einen Zuwachs der Lebens- bzw. Energieleiste spendiert oder gar einen neuen Level für die auch separat anwählbaren Zweistick-Shooter-Minigames freischaltet.

Weniger schön anzusehen sind die für HD-Systeme zu grob aufgelösten Videos, die die ohnehin stark magersüchtige Story antreiben sollen.

Die Kulisse ist insgesamt ansehnlich, krankt aber an Texturschwächen im Detail sowie systembezogenen Problemen wie Tearing (PC) oder Bildraten-Einbrüchen (PS3/360).
Dafür allerdings gibt es nur minimale Kameraprobleme, da das Programm euch wie seinerzeit bei Pandemonium immer eine vorgegebene Perspektive präsentiert und automatisch bei den Sprungsequenzen scrollt oder schwenkt sowie bei den Kämpfen die Figur dynamisch in den Mittelpunkt stellt.

Einheits-Hund?

Während sich die vorliegenden Xbox 360-, PlayStation 3- und PC-Versionen inhaltlich identisch zeigen, sind technisch einige Unterschiede auszumachen. Das betrifft weniger die Konsolen, die sich bis auf stärkeren Hang zu Bildrateneinbrüchen auf der PS3, von denen allerdings auch die 360 nicht verschont bleibt, sowie der schlechteren Wasserdarstellung auf der Sony-Konsole als Zwillinge präsentieren.

Doch die PC-Variante fällt in einiger Hinsicht aus dem technischen Rahmen und trägt am deutlichsten das Kreuz des Multiplattform-Titels. Das beginnt bei der nicht zu empfehlenden Tastatur-/Maus-Steuerung (das 360-Pad wird nativ unterstützt) und hört erst bei den rudimentären Grafikoptionen auf, bei der sich nicht einmal eine genaue Auflösung einstellen lässt. Es stehen nur die Werte Niedrig, Mittel und Hoch zur Verfügung, gleiches gilt für die grafischen Details. Dass zudem die PC-Version zwar keinerlei Einbrüche in der Bildrate zu verzeichnen, dafür aber im Gegenzug mit Tearing zu kämpfen hat, macht den Rechenknecht-Superhund nur dann interessant, wenn keines der anderen Systeme vorhanden ist.

Auf englische Sprachausgabe muss man leider in allen Varianten verzichten - neben Deutsch warten Französisch und Niederländisch. Die deutsche Version kann sich mit ihren gut ausgewählten Sprechern allerdings hören lassen, während die Musikuntermalung sowie die Soundeffekte insgesamt eher unauffällig und in einigen Ausnahmefällen sogar erschreckend blass bleiben.   

Fazit

Angesichts von Lizenz-Totalaussetzern wie Jumper oder halbgaren Umsetzungen wie Madagascar 2 ist Bolt als "Filmspiel" gelungen. Die Mixtur aus bekannten Elementen in ihrer familienfreundlichen "Light-Version", angefangen von Splinter Cell bis hin zu God of War und Geometry Wars weiß bis zum spannenden Ende zu unterhalten. Allerdings findet sich für jede gute Idee auch ein Element, das weniger gut gelöst wurde, so dass sich der Superhund auf dem Weg zu einer höheren Wertung immer wieder selber im Weg steht. Schön ist, dass man den Film nicht kennen muss, um das Spiel genießen zu können, da die Entwickler sich nicht verzweifelt am Zelluloid-Plot entlang hangeln, sondern sich mit einem kreativen Kniff viel Freiraum in dieser Hinsicht geschaffen haben. Dafür muss man allerdings im Gegenzug auf eine Geschichte weitestgehend verzichten. Die Steuerung ist bis auf die Tastatur-/Maus-Variante am PC eingängig, die einzelnen Spieldesign-Elemente wurden gut eingepasst, werden aber bis zum Letzten wiederholt und damit schließlich überstrapaziert. Die Kulisse schwankt mit teils systemspezifischen Problemen wie Tearing oder Bildraten-Einbrüchen zwischen ansehnlich und passabel - quasi nach dem Motto "Passt schon, aber seien wir doch mal ehrlich – wir haben bei einer Lizenzumsetzung ohnehin nichts Besonderes erwartet." Kurzum: Jüngere Spieler (und Jung gebliebene) werden für acht bis zehn Stunden ansprechend unterhalten.

Pro

abwechslungsreicher Genremix...
vorgegebene Kamera sorgt für gute Übersicht
zerstörbare Umgebungen in Bolts Kämpfen
inkl. Geometry Wars light-Klon
ansehnliche Kulisse
zwei spielbare Figuren
Zwei-Stick-Shooter auch als separate Minispiele verfügbar
gute Steuerung (PS3/360/PC mit Pad)

Kontra

- ... dem allerdings Anspruch größtenteils fehlt
Story? Fehlanzeige
Maus-Tastatur-Steuerung unzureichend (PC)
nur rudimentäre Grafik-Optionen (PC)
Tearing (PC)
Einbrüche in der Bildrate (360/PS3)
Wiederholungsanfälligkeit einzelner Spielelemente

Wertung

360

Charmanter Genremix, der sowohl spielerisch als auch inhaltlich selten Tiefgang zeigt, aber von Anfang bis Ende zu unterhalten versteht.

PC

Gleichermaßen charmanter wie unterhaltsamer Genremix, der aber hinsichtlich Erzählung und Spielinhalten Tiefe vermissen lässt.

PlayStation3

Hüpfen, kämpfen, schleichen: Der charmante Mix bekannter Elemente in ihrer "Light"-Version versteht es, vor allem jüngere Spieler zu unterhalten.

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