Im Test:
Das blutigste Spiel der Welt
Flatsch! Flatsch, flatschflatsch, fladderadatsch! Eine ganze Armee bluttriefender Mettklumpen wuselt von links nach rechts zum rettenden Ausgang. Dazwischen rattert ein ganzer Park rotierender Sägeblätter und anderer Folterinstrumente aus der Fleisch verarbeitenden Industrie. Die ersten drei Blöcke werden fachgerecht zersägt,
die nächsten zehn Exemplare zersplatzen klatschend auf einer Reihe tödlicher Stacheln. Nur das letzte blutrote Kerlchen hat sich im Turm zu seiner Angebeteten empor gekämpft, welche prompt vom Bösewicht ins nächste Level verschleppt wird. Das beschriebene Massaker ist eines der typischen Replays, die es in Super Meatboy nach jedem Level zu sehen gibt. Dort kann ich mir ganz in Ruhe anschauen, wie dumm ich mich angestellt habe: Alle verunglückten Versuche werden gleichzeitig abgespielt, was ein herrlich chaotisches Gewusel voller Blutspritzer ergibt, bis mein erfolgreiches Alter Ego schließlich die pinkfarbene Geliebte erreicht. Blut rettet Leben: Dank seiner klebrigen Beschaffenheit kann der grinsende Fleischklumpen senkrechte Wände erklimmen.
Die Entwickler haben alles dafür getan, dass trotz des knackigen Schwierigkeitsgrades kein Controller an die Wand fliegt: Ein Durchgang dauert nur wenige Sekunden, darf unendlich oft wiederholt oder zur Not auf der Karte ausgelassen werden. Außerdem entspannen die putzigen Animationen die Nerven: Überall dort, wo der knallrote Held über den Boden wetzt, verteilt er mit einem herzhaften Schmatzen eine glitschige Blutspur. Klingt makaber, wird aber niedlich umgesetzt. Das Ziel ist stets die Angebetete, welche wie einst bei Donkey Kong am Ende des Levels auf ihren Retter wartet. Schon das Intro nimmt die erzählerische Vielschichtigkeit von Retro-Klassikern auf die Schippe: »Das ist Bandage Girl. Sie ist verliebt in Super Meat Boy. Und Meat Boy liebt sie. Das ist Dr. Fetus. Niemand liebt Dr. Fetus. Deshalb hasst Dr. Fetus dich!« Grund genug also für den von Komplexen geplagten Doktor, das Mädel entführen.
Neue alte Schule
Auf spielerischer Ebene geht es ähnlich klassisch zu: In den rund 130 kurzen Levels gibt es zwar einige versteckte Bänder und Warpzones sowie ein paar Schalterrätsel zu lösen, doch Super Meat Boy setzt seinen Schwerpunkt ganz klar auf das Hüpfen. Hier kommen Plattform-Fetischisten ähnlich gut auf ihre Kosten wie in N+ : Die finstere Welt wirkt wie ein aus Metzgerwerkzeugen gebautes Gruselkabinett. Unter schmalen Plattformen warten tödliche Stacheln, rotierende Sägen und ekelhafte
Die dicken Sägen verwandeln Super Meat Boy blitzschnell in Hackfleisch. |
Wer fleißig sammelt, kann einige Extra-Charaktere freischalten. Dazu gehören z.B. der noch klebrigere Gish oder Commander Video, welcher dank einer Art Doppelsprung ein Stückchen weiter gleitet und dabei einen coolen Pixel-Regenbogen hinter sich her zieht. Für etwas Abwechslung sorgen außerdem die kostenlosen Extra-Levels, in welchen sich zahlreiche Zitate aus klassikern wie Dig Dug finden. Wer die Nerven mitbringt, kann sich auch an den extraharten düsteren Levels versuchen.
Fazit
Super Meat Boy ist ideal für ausgehungerte Plattform-Fans! Hier kann sich wirklich niemand beschweren, dass er weder Fisch noch Fleisch vorgesetzt bekommt: Ähnlich wie in N+ dreht sich fast alles um das Bezwingen knackiger Jump'n'Run-Passagen. Zu Beginn wirkt das pausenlose Hüpfen noch ein wenig ermüdend. Das Spiel fordert schließlich in jeder Sekunde volle Konzentration und wird nur sporadisch durch Rätsel oder Sammelaufgaben aufgelockert. Als ich mich an diese Dauer-Action gewöhnt hatte, schlug die Sucht zu. An den eigenwilligen Stilmix aus putzigen Figuren, makaberen Todesfallen und dicken Retro-Pixeln musste ich mich zwar erst einmal gewöhnen, aber er verleiht dem Spiel aber eine eigene Note. Die größten Pluspunkte sind die direkte Steuerung und die prima ausbalancierten Levels: Motivierend knackig, aber nicht unfair - also genau so, wie man es sich als Arcade-Freund wünscht. Für einen Gold-Award wäre aber etwas mehr Abwechslung nötig gewesen - schließlich ändert sich im Laufe des Spiels nicht all zu viel. Ein Multiplayer-Part und etwas mehr frische Ideen als Retro-Nostalgie hätten ebenfalls nicht geschadet. Spiele wie Braid , LostWinds , P.B. Winterbottom oder Lazy Raiders haben mehr frischen Wind ins Plattform-Genre gebracht.
Update zur Steam-Version vom 3.12.2010
Seit Dienstag Abend dürfen auch Steam-User durch knackige Levels hüpfen. Bis auf Kleinigkeiten ähnelt die PC-Version ihrem Konsolen-Vorbild. Eines dieser Details ist der Umstand, dass statt dem Extra-Charakter Gish nun Headcrab freigeschaltet werden kann. Der trippelnde Alien-Parasit aus Half-Life rutscht dank seiner spitzen Klauen nur langsam an der Wand herunter. Ebenfalls dabei ist seit dem zweiten Patch außerdem Tofu Boy. Mit seinem Einbau haben die Entwickler spontan auf die von der Tierschutzorganisation PETA veröffentlichte Parodie namens Super Tofu Boy reagiert. Das vegane Gegenstück zur Hauptfigur ist allerdings reichlich schwach auf der Brust und dient eher als Gag statt als ernstzunehmende Alternative. Leider läuft die Steam-Version nicht immer so rund wie die Fassung für die Xbox 360, obwohl »Team Meat« bereits zwei Patches nachgeschoben hat. Sowohl auf einem aktuellen Spielerechner mit Windows 7 64 als auch einem älteren XP-PC traten Probleme auf. Ab und zu ließ sich das Spiel nicht starten oder wir landeten auf dem Desktop. Letzteres ist aber kein Beinbruch, da man schnell wieder im Spiel ist und die Levels nur wenige Sekunden dauern. Des Weiteren gestaltete sich der erste Bosskampf durch leichte Slowdowns schwerer. Nur auf einem Vista-Laptop läuft seit dem aktuellen Patch alles perfekt. Von den technischen Macken abgesehen sorgt die Steam-Umsetzung aber für genau so viel Hüpfspaß wie auf der Konsole. Es soll übrigens auch noch ein Level-Editor und eine Steam-lose Version des Spiels kommen. In Letzterer sind statt Valves Headcrab die klebrigen Teerbälle aus World of Goo dabei.
Pro
Kontra
Wertung
360
Dieser Retroplattformer ist ein ebenso fleischiges wie anspruchsvolles Festmahl - es fehlt nur etwas kreative Würze!
PC
Trotz gelegentlicher Crashes und technischer Macken ist die Steam-Version des Hardcore-Hüpfers fast genau so motivierend wie auf der Xbox 360.
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