Indiana Jones und der Stab der Könige11.06.2009, Paul Kautz
Indiana Jones und der Stab der Könige

Im Test:

Der Mann, der heißt wie ein Hund, meldet sich mal wieder zurück - nicht im Kino, dafür aber mit einem frischen Abenteuer, das seinerseits nichts mit einem Zelluloid-Ausflug zu tun hat. »Der Stab der König« war lange und für alle Plattformen in Entwicklung, im Laufe der Zeit wurden die PS3- und 360-Fassungen Opfer von Kürzungen. Wenden wir unser kritisches Auge also den verbleibenden Exemplaren zu, zuerst den Fassungen für PS2 und Wii.

Der zappelnde Abenteurer

Herr Dr. Jones ist immer auf der Suche. Stets treibt ihn ein archäologisches Artefakt von unschätzbarem historischem Wert raus aus dem Klassenraum des Barnett College und rein in die Abenteurerkluft inkl. Schlapphut und Peitsche. Heiliger Gral hier, Kristallschädel da, Bundeslade dort - und dieses Mal ist es eben der Stab der Könige.

Video: Der Forscher mit der Peitsche ist wieder da! Und er hat eine unbefriedigende Steuerung im Gepäck.Jener Knüppel, den Moses fest in der Hand hielt, als er seinen Rotes Meer-Zaubertrick aufführte.  Und wie üblich ist nicht nur Indy, sondern auch das obligatorische Nazi-Heer hinter der Antiquität her - Tradition ist Tradition.

Die letzten Indy-Spiele waren durch die Bank prügellastige Action-Adventures, das neue ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Allerdings verfügt Indy mittlerweile über mehr Möglichkeiten denn je, seinen Widersachern sorgsam gezüchtete Veilchen zu verpassen: Er kann sie von links und rechts mit Haken und Uppercuts verprügeln, sie mit der Peitsche züchtigen, entwaffnen oder heranziehen, um ihnen im Nahkampf den Rest zu geben. Er kann sie schnappen und ihre Gesichter mit Teilen der Umgebung wie Tischen, Aquarien oder Statuen vertraut machen. Oder er kann einen bemerkenswerten Teil der herumliegenden Objekte aufsammeln und als Waffe nutzen: Besen, Schaufeln, Bilderrahmen, Flaschen, Mülldeckel, Äste oder Billardkugeln richten mehr Schaden an als ein einfacher Fausthieb. Außerdem lassen sich vereinzelte Objekte wie große Steine oder zerbrechlich wirkende Holzgerüste bewegen, um darunter stehende Widersacher auszuknipsen. Klingt alles wunderbar, funktioniert auch auf der PS2 dank einfachem Buttonmashing größtenteils wunderbar. Auf Wii ist das Ganze schon komplizierter, denn natürlich verfügt jedes Manöver über seine eigene Bewegung. Das Problem ist dabei nur, dass die Bewegungserfassung nicht mal ansatzweise so präzise funktioniert, wie es das Kampfsystem verlangt - schlussendlich laufen die Raufereien darauf hinaus, dass man wie wild Nunchuk und Wiimote durch die Gegend wirbelt und darauf hofft, dass die Gegner schneller am Boden liegen als Indy - was im Normalfall auch funktioniert. Geduldige Naturen mit solidem Reaktionsvermögen können auch auf Konterbewegungen setzen, die aber gutes Timing voraussetzen.

Wie von allein

Bei all den Raufereien kommen die obligatorischen Puzzles etwas zu kurz - und die wenigen bekommt man auch noch haarklein vorgekaut: Wo immer man die Peitsche benutzen muss, wird ein überdeutliches Symbol eingeblendet; setzt man die Peitsche ein, zeigt eine ebenso unübersehbare Animation, was man als nächstes zu tun hat. Bei den immer wieder auftauchenden Knöpfchendrück- und Controllerschüttel-Reaktionstests werden die benötigten Tasten ins Bild gedrückt, jedes noch so kleine Objekt wird auch noch deutlich markiert - kreatives Ausprobieren ist verpönt. Manuell springen ist nicht erlaubt, dafür klettert Indy an

Die Umgebung kann in den Kampf einbezogen werden: Auf dem Boden liegen jede Menge kleinerer Objekte herum, mit denen man um sich schlagen kann, außerdem kann man Gegner mit Levelteilen erschlagen.
entsprechenden Wänden automatisch hoch, sofern man den richtigen Punkt erwischt. Selbst bei den gelegentlichen Ballereien, bei denen Indy automatisch so lange in der Deckung verharrt, bis die Gefahr beseitigt ist, muss man nur das Fadenkreuz auf das Ziel richten: Leuchtet es grün auf, trifft man auf jeden Fall. Etwas anspruchsvoller sind da eigentlich nur die seltenen Flugeinlagen, bei denen man die Wiimote aufrecht wie einen alten Fliegerknüppel hält und nicht nur auf feindliche Flieger ballern, sondern auch durch enge Canyons manövrieren muss.

Der Spielstand wird an gehäuft auftretenden Checkpunkten automatisch gesichert, die darüber hinaus auch noch Indys Lebensenergie selbständig auffüllen. Gelegentlich jedoch sind diese selten dämlich platziert, gerade in Kombination mit den Tutorials: Denn die sind nicht nur elend lang, sondern auch nicht abbrechbar. Geht man kurz nach einem Tutorial drauf (es gibt kein Game Over, sondern nur ein »Zum letzten Checkpunkt zurück«), muss man es beim Neuladen in seiner Gänze noch einmal durchmachen. Das zieht die Spielzeit etwas in die Länge, die aber auch so recht großzügig bemessen ist: Bis sich Indy durch den Sudan, San Francisco, Panama oder Nepal geprügelt hat, vergehen locker sieben bis acht Stunden.                    

Technisch liefert Lucas Arts gute, wenn auch nicht überragende Arbeit ab: Indy und Co. sehen etwas grob gehauen aus, dafür sind die Levels ansehnlich designt und bemerkenswert effektreich - außerdem

Technisch ist das neue Spiel solide: Nicht überragend, aber auch nicht abstoßend.
läuft das Ganze meist wunderbar flüssig. Die per Systemeinstellung wählbare englische Sprachausgabe ist solide, auch wenn es schade ist, dass nicht Harrison Ford selbst seinem Alter Ego die Stimme verpasst hat. In der deutschen Version ist das anders, hier kommt der traditionelle Synchronsprecher zu Wort. Das ist aber auch das einzig Positive, das sich über die hiesige Fassung sagen lässt: Die Sprecher bewegen sich auf dem emotionalen Level eines Backsteins und die Übersetzung ist zum Teil schlampig - Schreibfehler wie »Gallerie« oder wortwörtliche Übersetzungen (wie »Stöcke und Steine«, das im Gegensatz zu seinem englischen Pendant »Sticks and Stones« nicht den geringsten Sinn ergibt) finden sich immer wieder.

Dem Atlantis sein Schicksal

Grundsätzlich gibt es auf Wii und PS2 das gleiche Spiel zu spielen, zwischen den Fassungen herrschen aber dennoch enorme Unterschiede. Das geht bei den bereits erwähnten Eingabeunterschieden los und hört bei den Extras noch lange nicht auf, denn der PS2-Version fehlen viele davon - wie die Koop-Levels, in denen zwei Spieler gleichzeitig an die Controller dürfen. Nicht dass man da viel verpassen würde: Z.B. als Henry und Indiana Jones gleichzeitig in einem Boot zu sitzen und einen Fluss runter zu rudern, wobei jeder Spieler ein Paddel kontrolliert, ist nicht gerade Spieldesign des neuen Jahrtausends - dennoch schade, dass das PS2-Spielern vorenthalten bleibt. Die PS2-Fassung ist auch technisch unterlegen; neben deutlichen Grafikfehlern ist hier auch das gehäufte Nachladen innerhalb der Levels auffällig. Und es gibt keine »Glory Moments«: Das sind kleine, jederzeit einsehbare Sonderaufgaben, für die es Extrapunkte gibt, die man in Boni investieren kann.

Indiana Jones and the Fate of Atlantis ist bis heute eines der besten Adventures aller Zeiten - und spielt sich auch auf Wii wunderbar, auch wenn die Umsetzung gelegentlich etwas lieblos wirkt.
Der wichtigste davon ist ebenfalls Wii-exklusiv: Das letzte große Indy-Abenteuer »Indiana Jones and the Fate of Atlantis« von 1992. Ein absoluter Klassiker, der auch heute noch genau so fesselt wie vor 17 Jahren und per Wiimote wunderbar spielbar ist. Allerdings wirkt die Umsetzung teilweise lieblos: Zwar kann man zwischen drei Grafikmodi umschalten, von denen aber keiner das Original-Format von 4:3 bietet - der moderne Indy nimmt  in jedem Fall etwas zu. Man kann vom Adventure aus nicht mehr zum Hauptspiel zurück, das geht nur, indem man das Spiel resettet oder ins Wii-Menü zurückkehrt. Es ist zwar super, dass hier die seltene »Talkie«-Version mit durchgehender englischer Sprachausgabe geliefert wird, aber die klingt dumpfer als beim Original - mal abgesehen davon, dass es keine Möglichkeit gibt, die Lautstärke von Sprachausgabe und Musik einzustellen. Der ärgerlichste Punkt ist allerdings, dass es keine Möglichkeit gibt, zwischen deutschen und englischen Texten zu wechseln: Zwar richtet sich auch Fate of Atlantis nach der Wii-Systemeinstellung, falls man es sich zwischendurch aber mal anders überlegt, darf man nicht wechseln - es sei denn, man ist aus irgendeinem Grund bereit, das Savegame löschen zu lassen und das Adventure von vorn zu beginnen! Ach ja, noch ein Hinweis an den übereifrigen Übersetzer: Fate of Atlantis hatte nie einen deutschen Untertitel - »Das Schicksal Atlantis'« klingt wirklich blöd.         

Fazit

Ich habe mich seit der ersten Präsentation auf der Games Convention 2006 sehr auf den neuen Indy gefreut: Die ersten Demos mit der damals brandneuen Euphoria-Animationsengine sahen heiß aus, die nächste Generation der Schlapphut-Adventures schien ein Klacks zu sein. Dass das Resultat jetzt nur auf PS2 und Wii erscheint ist zwar traurig, aber immerhin kommt das Spiel überhaupt. Und es hinterlässt fragende Falten auf der Stirn: Hatte in der Qualitätssicherung wirklich jemand Freude an der Bewegungs-Steuerung? So gut gemeint die verschiedenen Manöver sind und so toll sie im Tutorial auch funktionieren - im Prügelalltag ist alle Taktik vergebens. Denn hier kommt man durch stures Gewinke bzw. Nutzen der vielfältigen Klopper-Objekte viel weiter als durch gezielte Schläge - einfach, weil die Manöver nur aller Jubeljahre mal korrekt erkannt werden. Als Ausgleich dafür hat man den Rest des Spiels wohl bewusst idiotensicher gemacht; jedes noch so kleine Puzzle wird einem bis zur Bedeutungslosigkeit vorgekaut. Schade auch, dass die PS2-Fassung so abgespeckt daherkommt, funktioniert hier doch der Kampf etwas besser. Aber dass man hier auf das glorreiche Fate of Atlantis verzichten muss, ist mir ein Rätsel - als ob sich ein Cursor nicht auch mit Analogstick genau so gut steuern ließe! Die PS2-Version zu empfehlen fällt daher schwer, gibt es auf der alten Konsole doch mehr als genug hochklassige Action-Adventures. Wii-Spieler sollten ein Faible für gut geschwungene Eingabemöglichkeiten haben, bevor sie zugreifen - auch wenn das Bonusadventure ein verdammt gutes Pro-Argument ist.

Pro

ordentliche Präsentation
viele Kampf- und Interaktionsmöglichkeiten+ Fate of Atlantis  als Bonus freischaltbar (Wii)...
schönes Leveldesign

Kontra

ungenaue Bewegungserfassung (Wii)
ziemlich anspruchslos
...aber etwas lieblos umgesetzt
fummelige Prügeleien
stark abgespeckte PS2-Version
schlampige deutsche Version

Wertung

Wii

Die unzuverlässige Steuerung und das generell anspruchslose Design stehen dem Spielspaß unnötig im Wege - aber das Bonusgame ist super!

PlayStation2

Die PS2-Version verfügt über die bessere Kampfsteuerung, ist der Wii-Fassung aber technisch unterlegen - und ist inhaltlich abgespeckt.

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