Tod durch Steckenpferd!
|
Das abgefahrene Artdesign des Spiels ist seine größte Stärke: Die fünf langen Kapitel sind höchst abwechslungsreich und teilweise sehr inspiriert gestaltet. |
AMR bietet fünf sehr lange Kapitel, die von einem Ausflug in die britische Realität eingeleitet werden - diese Echtwelt-Abschnitte bereiten den thematischen Weg für den danach folgenden Wunderland-Besuch. Das Ganze resultiert in einem ungewöhnlich langen Spielerlebnis: Zwischen 15 und 20 Stunden sollte man je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad einplanen. Los geht's im paradiesischen Wunderland, das sich schnell in eine Art Steampunk-Welt verändert - danach tummelt sich die Heldin u.a. unter Wasser, besucht eine Art surreales Japan, eine Himmelswelt voller Kartenhäuser sowie in der Zwangsjacke und mit rasiertem Schädel ein Irrenhaus. Überall gibt es etwas zu finden: Leuchtende Erinnerungsfragmente aus ihrer Vergangenheit, Flaschen (die Artworks freischalten), Zähne (mit denen sich Waffen-Upgrades bezahlen lassen) sowie schwebende Schweineschnauzen, die, sofern angeschossen, den Weg zu Geheimnissen weisen. Das Problem mit diesen versteckten Dingen: Sie sind zum größten Teil viel zu einfach zu finden, liegen meist auf dem direkten Weg. Und da es nur einen gibt, das Spiel ist komplett linear, sind sie kaum zu übersehen.
Schon nach kurzer Zeit lernt Alice den Schrumpf-Trick, den sie danach jederzeit auf Knopfdruck ausführen kann. In diesem Zustand kann sie nicht nur kleine Türen betreten, sondern hickst auch zwerchfellzermürbend und sieht Dinge, die sie vorher nicht sah - Hinweise auf Fundsachen oder Wegweiser. Das ist damit eine Art eingebautes Cheat-Tool, das das Spiel nochmals einfacher macht, denn auch die Kämpfe sind nicht der Weisheit letzter Schluss: Anfangs hat man nur ein gut schlitzendes Messer, später gesellen sich noch eine Pfeffermühle (ein würziges MG), ein Steckenpferd (quasi ein großer Vorschlaghammer) sowie eine langsam feuernde Teekanne unter Alices Rock. Alle Waffen lassen sich, genügend gefundene Zähne vorausgesetzt, jeweils vierfach aufrüsten, was nicht nur ihr Design, sondern auch die Durchschlagskraft leicht verändert. Zusätzlich gibt es noch Hilfsmittel: Eine Hasikopf-Zeitbombe, die sich fernbedienen lässt sowie ein Schirm, mit dem man gegnerische Geschosse reflektieren kann. Ist Alices Lebensenergie niedrig, kann man per Klick auf den linken Analogstick (bzw. Tastendruck) den »Hysterie«-Modus aktivieren, in dem die gute Frau für kurze Zeit unverwundbar ist und weitaus mehr Schaden anrichtet.
Wiedersehen macht Freude?
Was die Kämpfe so uninteressant werden lässt, ist ihre Redundanz, ihre Belanglosigkeit: Anfangs macht es noch Spaß, einer spinnenbeinige Teekanne zuerst das Auge zu pfeffern und sie anschließend mit dem Messer zu zerlegen - nach dem 40ten Mal beginnt die Faszination zu bröckeln. Immergleiche Gegner, die sich auf immergleiche Weise fertig machen lassen, werden
|
Zu schade nur, dass das eigentliche Spiel da nicht mithalten kann: Belanglose Kämpfe, uninteressante Sprungpassagen, kaum Puzzles. Und in Sachen Technik von teilweise grausam niedrig aufgelösten Texturen gepeinigt. |
das ganze Spiel über genutzt - bissige Ölklumpen, beflügelte Schrauben oder Japano-Wespen. Selbst die dickeren Kaliber sind keine echte Herausforderung. Denn Alice kann jederzeit, auch mitten im Sprung, eine von blau flatternden Schmetterlingen begleitete Ausweich-Bewegung machen sowie sich auf einzelne Widersacher fokussieren. Später lernt sie dann noch den »Mach mich groß!«-Trick, mit dem ihre dann jämmerlich kleinen Feinde gleich in Massen fallen.
Den größten Teil seiner Zeit im Wunderland verbringt man mit Springen: Jede Menge Plattformen schweben hin und her oder müssen per Schalterumstellung dazu gebracht werden. Jede Menge Dampfgeneratoren katapultieren die junge Dame weit in die Luft, von wo aus sie gemütlich, dem großen Rock sei Dank, zur Erde schweben darf. Zwischendurch kann sie sich noch etwas mehr Airtime verschaffen, denn mitten in der Luft sind weitere Sprünge möglich, die für etwas mehr Höhe sorgen. Allerdings sind die Geschicklichkeitstests nie anspruchsvoll, und eine Bestrafung fürs Danebenlanden gibt es auch nicht - wer in der glühenden Lava oder der tiefen Schlucht endet, materialisiert eine Sekunde später wieder in der Nähe. Zusätzlich gibt es immer wieder mal kleinere Ablenkungen in Form von Minigames - wie einem Sidescroller, einem Bilderschieberätsel oder sogar einem kleinen Rhythmusspiel.
Akustisch entfernt sich AMR nie sehr weit von den Pfaden, die im Hauptmenü ausgetrampelt wurden: Einsame Klaviere und Violinen bestimmen die ruhigeren Momente des Spiels, gelegentlich flankiert von einem wagemutigen Glockenspiel - in den actionreicheren wird der Sound deutlich Perkussions-lastiger. Die Sprachausgabe ist auf 360 und PS3 über die Konsolensprache wählbar, auf dem PC entscheidet die Art des Downloads darüber - das Spiel läuft über EAs Origin-System. PC-Spieler, die AMR vorbestellt haben, erhalten (genau wie alle Konsolen-Erstkäufer) außerdem das erste Alice-Spiel kostenlos dazu. Wer das Spiel auf 360 und PS3 gebraucht erwirbt, kann sich einen entsprechenden Download-Schlüssel für zehn Euro dazukaufen. Lediglich Käufer der normalen PC-Ladenversion gehen komplett leer aus - in dieser Fassung ist das Original-Alice nicht enthalten. Das Spiel ist nach wie vor ein faszinierendes Abenteuer, sieht aber mittlerweile ziemlich alt aus - die Quake 3-Engine wird halt auch nicht jünger...