Ice Age 3: Die Dinosaurier sind los03.07.2009, Mathias Oertel
Ice Age 3: Die Dinosaurier sind los

Im Test:

Ich gehöre zu den Unbelehrbaren: Mit jedem neuen Animationsfilm sowie der dazugehörenden Versoftung hege ich die naive Hoffnung, dass irgendein Entwickler die magische Formel herausfindet, die Lizenz und Spielspaß vereint. Mit dem diesbezüglich erfahrenen Eurocom-Team entwickelten Ice Age 3 wurde ich überrascht - leider in jeder Hinsicht!

Das notwendige Übel?

"He slimed me!": Spätestens seit dem grandiosen Ghostbusters auf dem altehrwürdigen C-64 sind Filmumsetzungen nicht mehr aus der Spielewelt wegzudenken. Dass ausgerechnet eine Neuauflage der Geisterjäger trotz guter Ansätze vor kurzem an einer Lizenz scheiterte, ist mehr als nur Ironie des Schicksals. Es wird deutlich, dass ein großer Name nicht automatisch ein Garant für ein gutes Spiel ist. Und schauen wir die Filmumsetzungen der letzten Monate an, gibt es kaum Grund zur Freude: Madagascar 2 war wenig mehr als ein uninspiriertes Abenteuer. Was man auch von Der goldene Kompass oder

In einem Ice Age-Spiel darf natürlich auch das Säbelzahn-Eichhörnchen Scrat nicht fehlen.
Wall-E sagen kann. Und auch wenn die Versoftungen zu Bolt, zu Harry Potter oder Monsters vs. Aliens viele gute Ansätze boten: Durchweg zu überzeugen wussten seit Spider-Man 2 nur die über jeden Zweifel erhabenen Lego-Ausflüge von Luke Skywalker oder Indiana Jones. Das hält die Publisher freilich nicht davon ab, sich zu jedem halbwegs viel versprechenden Film die Lizenz zu angeln, einen Titeln rauszupressen und zu hoffen, dass die Kinogänger -bzw. bei Familienfilmen hauptsächlich die jüngeren Spieler- auf den Werbezug aufspringen. Schafft es Ice Age 3 (IA3), mit dem Vorurteil aufzuräumen, dass Lizenzspiele zumeist Fließbandarbeit darstellen?

Der erste schlechte Eindruck

Wer bereits mit der Demo ein Probespiel gewagt hat, wird vermutlich ohne zu zögern zustimmen, dass Eurocom als Entwickler mit der Umsetzung von Ice Age 3 einen Griff ins Klo gemacht hat.

Allerdings sollte man sich nicht all zu sehr von der Demo beeinflussen lassen - diese ist in keiner Form exemplarisch und zeigt nicht nur einen kleinen, sondern tatsächlich den schwächsten Teil des mit insgesamt zwischen sechs und acht Stunden unter dem Strich etwas kurz geratenen prähistorischen Ausflugs. Denn es ist wahrlich nicht spannend oder gar herausfordernd, mit Sid auf Dinoeiern balancierend einen verschneiten Berg herunterzurollen. Activision hätte mit nur wenigen Ausnahmen jedes andere Element nehmen können, um eine repräsentative Demo zusammenzubauen. Denn IA 3 hat mehr zu bieten, wobei vieles davon im klassischen Action-Adventure angesiedelt ist.

Sowohl mit Sid als auch mit dem Wiesel Buck hüpft, klettert, sammelt und kämpft man sich durch eine 3D-Welt, wie man es schon hunderte Male vorher gemacht hat. Doch diese Festlegung auf konservative Mechaniken zeigt bewährten Charme, da sich Eurocom handwerklich fast nichts zu schulden kommen lässt. Die Steuerung geht locker von der Hand, die Kamera zeigt bis auf wenige Ausnahmen zumeist einen guten Blickwinkel auf das Geschehen und die Kollisionsabfrage arbeitet genau - so wie man es erwarten kann.

Diegos Gastauftritt ist kurz und besteht aus einer Verfolgungsjagd.
Was man allerdings nicht erwartet, ist die Vielfalt:Nicht nur, dass man mit Säbelzahn-Eichhörnchen Scrat sowie seiner Gespielin in ein klassisches seitwärts scrollendes Jump&Run entführt wird. Mit Bucks actionhaltigen Pterodactylus-Ausritten bekommt man mal einen ebenso seitwärts scrollenden Baller-Klon im Stile von R-Type, mal einen aus allen Rohren feuernden Ausflug spendiert, bei dem man wie in Panzer Dragoon in den Bildschirm hinein fliegt, während man den Gegnern den Garaus bereitet.

Überhaupt halten die Abschnitte mit Buck einige Überraschungen parat. Mit diversen Projektilwaffen ausgerüstet, wird man mit ihm nicht nur erforschend, sondern auch hinsichtlich ballistischer Action gut bedient. Dann wiederum schwingt und klettert er an Wänden, dass der persische Prinz beinahe neidisch werden könnte, nur um dann schließlich der Schwerkraft sowie dem Orientierungssinn trotzend an Lianen herumzuklettern.

Da verzeiht man dann auch gerne, dass Sids mechanisch solide, aber inhaltlich schwache Ausflüge als Eibalancierer ebenso deplatziert wirken wie die Cameo-Auftritte von Diego (in einem Rennspiel light) oder Manni, dessen Baumstamm-Rupfaktion kurz und unnötig ist.

        

Familienfreundlich

Weniger verzeihbar ist hingegen der allgemeine Anspruch, der zu sehr auf das Durchkommen der (vorzugsweise jüngeren) Spieler fixiert ist. Als alter Hase wird man höchst selten gefordert. Auf der einen Seite wird dadurch wie auch durch die acht anfänglich kurzweiligen, aber letztlich unspektakulären Minispiele für vier Teilnehmer deutlich, dass sich Ice Age 3 vorzugsweise an die mittlerweile so wichtig gewordene Einsteiger-Zielgruppe richtet und als Unterhaltung für die ganze Familie geplant wird.

Sid wechselt sich als Hauptfigur mit dem Wiesel Buck ab. Beide ziehen zahlreiche Register bekannter, aber solide umgesetzter Hüpf-und-Lauf-Elemente.
Doch wäre es wirklich zu viel verlangt, für erfahrene Spieler einen anderen Schwierigkeitsgrad einzubauen, der einen abseits der mitunter gelungenen Bosskämpfe wie gegen den Triceratops fordert?

Klar: Man spielt sich alleine oder zusammen mit der Familie locker flockig durch das frostige Abenteuer, hat aber nach dem nach ca. sechs bis acht Stunden durchlaufenden Abspann nicht das Gefühl, das Spiel "bewältigt", sondern nur "beendet" zu haben.

Zumal man auch emotional kaum ins Spiel gezogen wird. Die vorgefertigten Sequenzen aus der Spielgrafik heraus sind grob aufgelöst und sorgen so kaum für das Bedürfnis, sie bis zum Ende anschauen zu wollen - immerhin kann man sie abbrechen. Und die einleitenden Szenen vor den jeweiligen Kapiteln bestehen aus (immerhin sauber) erzählten Texten, zu denen eine Kamera langsam an Höhlenmalereien vorbei zieht. Dass selbst jüngere Spieler, die es eigentlich interessieren sollte, gelangweilt weiterklicken, ist selbsterklärend und stellvertretend für die gesamte Erzählstruktur zu sehen, die sich sogar noch mehr unnötige Stolpersteine in den Weg legt als die Technik.

Der Multiplattform-Fluch

Dass IA3 über sämtliche Systeme hinweg identische Inhalte bietet, ist lobenswert. Die technisch unterlegenen Konsolen wurden nicht beschnitten, so dass Spieler mit PS2 oder Wii prinzipiell die gleiche Eiszeit erleben dürfen wie Besitzer von HD-Konsolen oder eines halbwegs potenten PCs. Doch hinsichtlich der Technik wird keiner richtig glücklich, da sich Sid & Co. zielsicher zwischen alle Stühle setzen. Vor allem die PS2-Version, aber hin und wieder auch die Wii-Variante kämpfen nicht nur bei Kameraschwenks mit Bildrateneinbrüchen, wobei die PS2 zudem noch die schwächsten Effekte z.B. bei Qualm etc. zeigt.

Davon bleiben die HD-Varianten (inkl. PC) zwar verschont und die Partikel- und Lichteffekte können sich hier durchaus sehen lassen, doch überzeugend ist die Engine auch hier nicht. Sie läuft zwar sauber, aber so wenig sich die Technik Patzer leistet, bietet sie ebenso wenig visuelle Highlights - und wenn, sind sie meist innerhalb der Umgebungstapeten zu finden. Sie ist sauber, aber mehr (leider) nicht. Vor allem bei den Felltexturen und dem Polygonaufwand der Hauptdarsteller ist der Kompromiss zwischen Arbeitsaufwand und optimiertem Ergebnis für alle am deutlichsten spürbar: Wo andere Fellwesen wie

Ice Age 3 technisch als "konservativ" zu bezeichnen wäre eine Übertreibung. Die Multiplattform-Entwicklung fordert ihren Tribut.
z.B. der Kung Fu Panda samt Anhang mit aufwändigen Fellstrukturen punkten, werden hier nur mal mehr, mal weniger hoch aufgelöste Texturen verwendet, die weit davon entfernt ist, plastisch zu wirken und nur aus der Ferne betrachtet einigermaßen gefallen können.

Hinsichtlich der Akustik gibt es wenig zu kritisieren: Alle Versionen sind multilingual, bieten Auszüge aus dem orchestralen Soundtrack und die Sprecher sind sowohl bei den vorrangig unter die Lupe genommenen deutschen sowie englischen Versionen gut ausgewählt. Allerdings scheinen die Stimmen der Originalversion unter dem Strich mit mehr Herzblut bei der Sache zu sein.

Ebenfalls wenig auszusetzen gibt es an der Steuerung, die mit Ausnahme der vor allem für Kids etwas hakeligen Maus-/Tastatur-Variante am PC gelungen ist. Und dieses Problem lässt sich mit Hilfe eines Pads leicht in den Griff kriegen, so dass man auch am PC die Eiszeit-Mannschaft gut unter Kontrolle hat.

Ein kleines Sonderlob geht an das Team, das für die Wii-Steuerung verantwortlich ist: Dezent, unauffällig und an den genau richtigen Stellen mit aktiver und gut funktionierender Gestenerkennung ausgestattet, wäre es zwar falsch, an dieser Stelle von einem Mehrwert zu sprechen. Doch in Zeiten, in denen viele Teams das Konzept von Wii als "Fuchtelkonsole" zu wörtlich nehmen, ist Ice Age 3 ein kleiner Lichtblick.

  

Fazit

Wer basierend auf der Demo beim bloßen Gedanken an Ice Age 3 schaudert und dankend abwinkt, sollte vielleicht umdenken. Denn der Auftritt von Buck, Sid & Co ist besser als sein Ruf, der durch den unglücklich ausgewählten Probeabschnitt geschaffen wird - auch wenn es dem prähistorischen Abenteuer nicht gelingen wird, die Meinung über Lizenzspiele zu verbessern. Inhaltlich bekommt man eine gelungene Mischung bekannter und beliebter Elemente, die handwerklich sehr solide zusammengefügt wurden. Technik und Schwierigkeitsgrad allerdings sind für Sorgenfalten verantwortlich - Letzteres, weil es nur jüngeren oder höchst selten spielenden Familienmitgliedern eine Herausforderung bietet und vorrangig auf "Durchkommen" angelegt ist; Ersteres, weil die fehlende Optimierung für die verschiedenen Systeme zu deutlich wird. Egal ob HD-Konsole, PC, Wii oder PS2: Nirgends reißt Ice Age 3 visuelle Bäume aus und wirkt in den schlimmsten Momenten sogar veraltet. Und während ich über den meist unterfordernden Schwierigkeitsgrad hinwegsehen, mich zurücklehnen und das Pad auch mal meiner Tochter in die Hand drücken kann, ist die Kulisse ein Weg, der vor allem hinsichtlich der Hauptfiguren immer wieder hart an der Grenze des Erträglichen entlang schrammt und den man zukünftig nicht mehr beschreiten sollte. Schade, denn hier beraubt man sich der Früchte, die in puncto Abwechslung sowie handwerklichen Geschicks zunächst eine reife Ernte versprochen haben.

Pro

sechs spielbare Figuren...
multilingual
acht Minispiele für bis zu vier Spieler
interessanter Mix bekannter Mechaniken
größtenteils gute Kameraführung
faire Kontrollpunkte
gelungene Einbindung der Wii-Kontrollmechanismen

Kontra

...von denen zwei überflüssig sind
technisch altbacken
Ruckler (Wii, vor allem aber PS2)
insgesamt zu kurz
kaum Herausforderung
reduzierte Effekte (PS2)
schwache Zwischensequenzen

Wertung

360

Familienfreundliche Lizenz-Unterhaltung, die von der biederen Technik nach unten gezogen wird.

PC

Familienfreundliche Unterhaltung, die allerdings hinsichtlich Schwierigkeitsgrad und visueller Qualität Platz nach oben hat.

Wii

Unterhaltsamer familienfreundlicher Genre-Mix mit gut umgesetzter Steuerung, der allerdings mit leichten technischen Problemen kämpft.

PlayStation2

Inhaltlich passable Lizenzumsetzung, die technisch aber viel Luft nach oben hat.

PlayStation3

Inhaltlich interessanter, aber zu leichter Genre-Mix, dem vor allem die altbackene Technik ein Bein stellt.

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