Lego Harry Potter: Die Jahre 1-401.07.2010, Paul Kautz
Lego Harry Potter: Die Jahre 1-4

Im Test:

Zu Harry Potter muss man nun wirklich nichts mehr sagen: Jeder kennt ihn, jeder findet ihn toll. Und wer ihn nicht toll findet, wird schnurstracks von Tollfindewellen überrollt - so einfach ist das. Die Kombination mit Lego, der anderen großartigen Marke dieses Planeten, war naheliegend. Wenn man toll und toll kombiniert - kollabiert dann das uns bekannte Universum?

Bleibt alles anders

Einmal Lego, immer Lego - diese Formel definiert nicht nur das Aussehen, sondern auch das Design der Spiele von Traveller's Tales. Genau wie bei Star Wars Batman oder Indiana Jones  läuft man auch in Lego Harry Potter in kleinen klotzigen Grüppchen durch Umgebungen, die direkt aus Lego-Baukästen stammen

Video: Der Name lässt nicht viel Interpretationsspielraum: Lego Harry Potter - Die Jahre 1-4 dreht sich um die ersten vier Schuljahre des berühmten Zauberlehrlings. Spielerisch bleibt alles beim Lego-Alten.könnten. Man kann vieles kaputt machen und in neue Form zusammensetzen, es gibt irre viel zu entdecken und freizuschalten - und natürlich dürfen die legendär albernen Zwischensequenzen nicht fehlen. Kurz gesagt: Spielerisch bleibt alles beim Alten. Und dennoch fühlt es sich frisch an.

Der Grund dafür ist die sehr deutliche Abkehr von den sehr actionlastigen Star Wars-Wurzeln: Wurde dort das Lichtschwert geschwungen, um die Gegner auseinander purzeln zu lassen, dient der hiesige Zauberstab in erster Linie der Lösung von kleinen und großen Puzzles. Klar wird noch hin und wieder gekämpft, natürlich muss man sich gelegentlich die eine oder andere aufdringliche Spinne oder Giganto-Wespe vom Zaubererhals halten. Und in jedem Schuljahr wartet natürlich auch ein dicker Bossgegner auf seine Extraportion Flipendo. Aber alles in allem spielt das Gefecht nur noch eine untergeordnete Rolle - hey, wir haben es hier mit Elfjährigen zu tun, da gehören Lego-Nailguns noch nicht zur Tagesordnung!

Folge dem Geist!

Zwar bietet das Spieldesign keine Überraschungen, aber doch genug Verbesserungen im Detail, um nicht zu langweilen. Simpel, aber so naheliegend, ist das Zusammensetzen von Lego-Blöcken: Statt den manuellen Baumeister zu mimen, wird jetzt einfach der Zauberstab ausgepackt und das Meisterwerk per magischem Wirbel zusammengesetzt. Hin und wieder darf man sogar selbst zum Klotzking werden und Treppen oder kleine Brücken aus größeren Lego-Steinen selbst zusammenbauen. Eine einfache Physik-Engine sorgt dafür, dass die Teile ordentlich ineinander klacken, wobei man bauliche Freiheit hat: Man kann sie zwar so anordnen wie man sollte (meist gibt es in der Nähe eine Grafik, die das Endergebnis verdeutlicht), aber man kann sich auch architektonisch austoben und hoffen, dass das Resultat hält. Albern, eigentlich unnötig, aber schön verspielt. Das gilt auch auch für die neue Flugsteuerung auf dem Zauberbesen, bei der man frei herum zischen und die Höhe variieren kann. Leider lassen sich Entfernungen zu in der Luft schwebenden Dingen sehr schlecht abschätzen, so dass man anfangs öfter als nötig an verlockenden blauen Steinchen vorbei fliegt.

Hogwarts ist groß, verdammt groß sogar. Einen großen Teil der Schule kann man von Anfang an erkunden, wobei man schnell an Grenzen stößt: An bestimmten Barrieren kann man einfach nicht vorbei, so lange man den entsprechenden Zauberspruch nicht beherrscht. Auch muss man hin und wieder zu einem Stärke- oder Verwandel-Zauber  greifen, die erst zusammengesetzt werden müssen. Die dafür benötigten Zutaten schweben als Hinweis über dem Topf, müssen in der näheren Umgebung gefunden und reingeworfen werden - dann wachsen z.B. Harry sagenhafte Muskeln und

Harry, Ron und Hermine sind die Hauptfiguren der Romane, der Filme - und natürlich auch des Spiels. Lego-typisch gesellen sich aber immer wieder zusätzliche Charaktere in den Kader.
er kann eine gewichtige Tür öffnen. Falls man gerade mal die Übersicht verloren hat und nicht mehr weiß, wo es zur nächsten Story-Mission geht, sind die Hausgeister eine große Hilfe: Die schweben einem zuverlässig den Weg vor, wobei sie eine Spur aus ektoplasmischen Lego-Klötzchen hinterlassen.

Da tanzt der Goblin

Die Welt von Harry Potter wäre ohne Zaubersprüche ziemlich ereignislos - und so gibt es davon jede Menge. Man beginnt als Jungharry allerdings komplett magielos, denn die okkulten Formeln müssen erst gelernt (oder falls genug Kleingeld vorhanden ist: gekauft) werden - nur in wenigen Ausnahmen wie mit Harrys Unsichtbarkeitsmantel bekommt man etwas geschenkt. Das Ganze wird als Mini-Level getarnt, in dem man den zu lernenden Spruch ein paar Mal anwenden muss, um ihn anschließend für immer ins Ringmenü gebannt zu bekommen. Das kann man danach jederzeit aufrufen und die gewünschte Magie auswählen, auf 360, PS3 und PC (sofern ein 360-Pad daran baumelt) kann man auch direkt über die Schultertasten durchschalten. Standardzauber wie Wingardium Leviosa werden auch kontextsensitiv auf Objekte angewendet, sofern man sie ins Visier nimmt, aber viele Puzzles setzen voraus, dass man die richtige Magie mit dem richtigen Objekt benutzt. Viele der Formeln sind aus dem Potterversum bekannt, ein paar sind allerdings speziell fürs Spiel entwickelt worden. Wie schon bei Lego Indy 2  gibt es zwei Möglichkeiten der Interaktion mit Objekten: Entweder stellt man sich vor sie und lässt sie von der Automatik erfassen (was nicht immer zuverlässig funktioniert) oder man hält den Angriffsknopf gedrückt und kann das darauf folgende Zielkreuz manuell bewegen - Letztere hat den Vorteil, dass man mehrere Objekte gleichzeitig anvisieren kann.        

Die Bosskämpfe machen einen großen Teil der Action-Aktivität aus - das Spiel ist sehr knobellastig.
Die Hauptfiguren des Spiels bleiben von Anfang bis Ende Harry, Ron und Hermine. Allerdings gesellen sich immer wieder mal zusätzliche Figuren in die Gruppe - von Hagrid und seinem Hund Fang über Professor Dumbledore bis zum Schlüssel schwingenden Goblin in der Gringotts-Bank. Jede Figur hat besondere Fähigkeiten, die zum Weiterkommen unerlässlich sind: Harry ist der beste Besenflieger (setzt sich Hermine auf das Gerät, torkelt sie wie besoffen durch die Lüfte), Ron kann seine Ratte Scabbers durch enge Schächte schicken, Hermine nutzt ihre Superschläue, um geheime Tafeln zu entziffern. Die Gruppe bleibt fast immer zusammen, wobei die KI ohne Verzögerungen einspringt, wenn mal eine Aufgabe von zwei Figuren erledigt werden muss - wenn sich z.B. ein Charakter auf eine Plattform stellt, die auf magische Weise nach oben befördert werden muss. Das kann natürlich auch ein Zauberkumpel aus Fleisch und Blut übernehmen, der, ein zweites Gamepad vorausgesetzt, jederzeit ein- und aussteigen darf. Das Ganze nutzt den dynamischen Splitscreen-Modus aus Lego Indy 2, der sich der Entfernungen der Figuren anpasst und funktioniert wunderbar - aber leider einmal mehr nur lokal, einen Online-Modus gibt es nicht.

Was es allerdings gibt, ist unendlich viel Aufsammelkram: Das beginnt mit den unvermeidlichen Lego-Steinchen, die es in drei Farben gibt (und die man immer noch allein aufsammeln muss - die KI schert sich leider nicht darum). Weiter geht's mit roten und goldenen Klötzen, die man für gelöste Nebenaufgaben erhält und mit denen man Boni freischalten 

Neu im Sortiment sind direkt verschiebbare Lego-Klötze, die man per Zauberstab beliebig platzieren kann. Das wird zwar nur für simple Objekte genutzt, macht aber nichtsdestotrotz Spaß.
kann. Hauswappen wollen gefunden, Studenten in Not befreit werden (u.a. muss man einen Mitschüler aus einem gefräßigen Sofa oder von lästigen Slytherines retten) - und natürlich warten jede Menge Figuren auf ihre Entdeckung. Mehr als 160 Klotz-Charaktere verstecken sich im Spiel, die meisten davon so unbedeutend, dass selbst Auswendiglerner der Bücher Schwierigkeiten haben dürften, sie genau zu benennen. Nichtsdestotrotz: Sie sind da, also haben sie gefälligst auch gefunden zu werden! Für Forschernaturen ist Lego Harry Potter einmal mehr der heilige Gral!

Mutanten-Quietscheente!

Wer die Lego-Spiele kennt, der weiß, dass sie auch durch ihre absurden Ideen brillieren: Die albernen Zwischensequenzen sind legendär. Auch hier wieder, mehr als je zuvor sogar! Aber das ist noch lange nicht alles, denn das ganze Spiel steckt voller bekloppter Einfälle: Mal muss man mit dem Trekker gigantische Karotten in den Orbit befördern, mal gibt es statt eines Ohrenschützers einen (natürlich harmlosen) Pfeil durch den Kopf, mal überrascht man einen Zauberer in der Umkleide, mal muss man eine Pferdeschwanz-Haube tragen, um auf das Mädchenklo zu kommen - und die berühmte Lego-Disco ist natürlich ebenfalls wieder im Spiel enthalten. Die in den Vorgängerspielen so gehäuft auftretenden Vehikel sind hier relativ rar gesät; neben dem Zauberbesen gibt es allerdings auch eine hyperaktive Kehrmaschine, einen riesigen rollenden Kürbis oder einen zappelnden Pömpel, auf denen man herumfahren oder -hopsen darf. Man merkt schon, das Spiel weicht minimal von der Buch- und Filmvorlage ab, was aber kein Problem ist, da die Story ohnehin nur sehr bruchstückhaft vermittelt wird und in erster Linie dazu dient, ein Grinsen auf das Spielergesicht zu zaubern - als Beispiel sei der Kampf gegen den dreiköpfigen Hund 

Die teilweise hochgradig albernen Zwischensequenzen sind einmal mehr das Highlight des Spiels.
Fluffy am Ende des ersten Jahres genannt, der weniger von Rons kakophonischem Trompetenspiel, als vielmehr von einer überdimensionierten Quietscheente in den Schlaf geschickt wird.

Technisch folgt der Lego-Harry den Fußspuren seiner Vorgänger: Die Figuren sehen zuckersüß aus und sind charmant animiert, die gesamte Umgebung besteht zwar aus Lego-Steinen, ist aber trotzdem teilweise wunderschön - die Treppe mit den lebenden Gemälden an der Wand sei als repräsentatives Beispiel genannt. Im Großen und Ganzen sehen alle Fassungen ähnlich aus, die Wii-Version ist natürlich niedriger aufgelöst, außerdem fehlt hier der tolle Unschärfeeffekt, der Objekte im Bildvorder- und -hintergrund verwischt, um eine Tiefenillusion zu erzeugen. Je nach Jahreszeit und Kapitel gibt es auch Besonderheiten zu sehen: Im Winter tragen alle Figuren rot-weiße Zipfelmützen, der eitle Pfau Gilderoy Lockhart zieht einen Schweif verliebter Mädchen hinter sich her. Was ebenfalls wieder an Bord ist, ist der Editor: Sehr einfach lässt sich die Landschaft heben und senken (dieses Mal vom Rücken eines Hippogreifs aus), man platziert Bäume, Häuser und Figuren, verkabelt alles über Logik-Befehle und kann das Kunstwerk direkt ausprobieren - aber mangels Online-Funktionalität leider mit niemandem teilen.

  

Fazit

Lego Harry Potter ist ein wunderbar entspannendes Spiel: Hogwarts ist ein gigantischer Spielplatz, den ich in Seelenruhe erkunden kann, ohne von einer Story oder einem Zeitlimit gegängelt zu werden. Überall gibt es etwas zu entdecken, zu gackern, hier mal hingezaubert, da mal was ausprobiert - und irgendwas passiert immer! Traveller's Tales hat es hier mehr als in jedem anderen Lego-Titel davor geschafft, das wilde Herumexperimentieren zu belohnen. Und damit wecken sie das fröhliche Kind in jedem, selbst im montagsgeschädigten Redakteur. Und die berühmten Zwischensequenzen sind einmal mehr hochklassig - vorbei die Zeiten des dumpfen Slapstick eines Lego Batman, hier orientiert man sich mehr an den großartigen Gags der Zucker/Abrahams/Zucker-Truppe - man sollte immer ein Auge auf die Aktivität im Hintergrund haben, sonst verpasst man die besten Szenen. Spielerisch bleiben die Entwickler der bewährten Lego-Formel treu, auch wenn es dieses Mal eine sehr deutliche Tendenz in Richtung Knobelei, fort von der Action gibt - aber auch das kommt der Entspannung zugute. Okay, ich vermisse einmal mehr einen Online-Modus, außerdem fehlt mir das clevere Hub-Prinzip aus Lego Indiana Jones 2 - auch wenn ich nachvollziehen kann, dass es im Rahmen von Hogwarts wohl nicht viel Sinn ergeben hätte. So bleibt ein bemerkenswert umfangreiches, teilweise wunderbar albernes, unkompliziert spielbares Abenteuer für Junge und Junggebliebene, das die Serie zwar nicht um neue Ideen bereichert, aber den Traditionen derselben in Bestform treu bleibt.

Pro

tolle Präsentation
sehr viel Aufsammelkram
großartiger Humor
teilweise herrlich alberne Zwischensequenzen
liebevolles Design
gigantischer Umfang

Kontra

fummeliges Automatik-Zielsystem
kein Online-Modus
etwas sehr einfach

Wertung

360

Großer Spaß für junge und jung gebliebene Klotzfreunde - teilweise hochgradig albern und mit starker Tendenz zur Knobelei.

Wii

Großer Spaß für junge und jung gebliebene Klotzfreunde - teilweise hochgradig albern und mit starker Tendenz zur Knobelei.

PC

Großer Spaß für junge und jung gebliebene Klotzfreunde - teilweise hochgradig albern und mit starker Tendenz zur Knobelei.

PlayStation3

Großer Spaß für junge und jung gebliebene Klotzfreunde - teilweise hochgradig albern und mit starker Tendenz zur Knobelei.

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