Mach den Mario!
Was hat Kate Walker mit Nintendos Maskottchen gemeinsam? Auch sie tanzt gerne mal den Mario, wenn sie in den verschlafenen Kopfsteinpflastergassen Valsembors auf eine Treppe steigen will. „Ein Schritt vor – und noch einmal!“ beschreibt zeimlich genau das sich bietende Schauspiel, wenn sie wieder einmal rhythmisch zuckend an der ersten Stufe hängen bleibt. Manchmal hilft ein Schritt zurück und ein neuer Anlauf, gelegentlich prallt sie aber auch dann noch gegen eine unsichtbare Wand. Oder sie trippelt nach dem Erklimmen schnurstracks wieder herunter, weil sich die Kameraperspektive wie im uralten Resident Evil um 180 Grad gedreht hat und ich eigentlich die Richtung des Analogsticks hätte ändern müssen. Manchmal läuft sie auch im Kreis oder wird von anderen Charakteren umzingelt, welche sie einige Sekunden lang nicht aus dem Pulk heraus lassen. Als würden die unnötig langen Laufwege die Nerven nicht schon genug strapazieren.
Die weise aber alberne Ayawaska versucht, ihren bedächtig sprechenden jungen Stammesführer zurückzuholen.
Es mag seltsam erscheinen, einen Test zu
Syberia 3 mit solchen technischen Details zu beginnen, aber sie nehmen derart viel Einfluss aufs Spiel, dass ich mir erst einmal den Frust darüber von der Seele schreiben muss. Ich würde ja gerne dem verlockenden Ruf des wilden Ostens folgen mit all seinen idyllisch designten Naturschauplätzen und urigen Maschinen des Comicautors und Steampunk-Fans Benoit Sokal - doch leider funkt viel zu oft die Technik dazwischen. Am stärksten werden die Nerven von den häufigen, teils wirren Perspektivwechseln strapaziert. Immer wieder spazierte ich ahnungslos durch die geräumige Stadt, um nach Minuten doch noch einen kleinen Interaktionspunkt in einem versteckten Winkel zu entdecken.
Zähe Erkundungen
Auch die Lösung mechanischer Rätsel wird ungünstig in die Länge gezogen: Vor einem aufklappbaren Modellschiffchen oder einem Schlüssel-Duplikator muss ich immer wieder langsam und umständlich heran- und wegzoomen, bevor Rädchen, Stifte und Zahlenschlösser bewegt werden dürfen. Eigentlich hatte ich die in einem Text versteckte Kombination bereits entschlüsselt, doch die hakelige Steuerung und der ständige Wechsel der Sicht ließen mich noch eine ganze Weile durch die Werkstatt irren. Warum hat man nicht einfach komplette Maschinen auf einen Bildschirm ausgelagert wie in
Professor Layton? Sogar die vielschichtigen Mechanikpuzzles in
The Room steuern sich viel flüssiger und intuitiver!
Konstruktionsgenie und Uhrmacher Steiner erinnert sich im Notfall seltsamerweise nicht daran, wo seine lebenswichtige Medizin liegt.
Schade, dass sich die Technik derart negativ in den Vordergrund drängt, denn der Ausgangspunkt bietet genug Stoff für ein idyllisches Mystery-Adventure. Protagonistin Kate hat ihr altes Leben, ihren Freund und ihre Arbeit hinter sich gelassen. Die Geschichte knüpft an den abgeschlossenen Handlungsstrang der Vorgänger an: Nachdem die ehemalige Anwältin und Karrierefrau Kate Walker und Tüftler Hans Voralberg ihr Ziel erreicht haben, erwacht Kate mit einer Gedächtnislücke in einer obskuren psychologischen Station im sibirischen Ort Valsembor. Offenbar haben Mitglieder des kleinwüchsigen Youkol-Stammes sie nach einem Unfall von einem Boot gefischt und sie hierher gebracht. Geleitet wird die Anstalt von einem Militär-Regime, welches nicht allzu viel von den störenden Bräuchen eines Nomadenstammes wie den Youkol anfangen kann. Auch andere unbequeme Einwohner werden hier unter dem Vorwand psychischer Krankheiten weggesperrt.
Militärregime gegen Naturvolk
Aus Dankbarkeit für ihre Rettung versucht Kate, dem schwer verletzten Youkol Kurk eine wichtige spirituelle Reise zu ermöglichen. Zusammen mit ihren Schneestraußen wollen sich die Youkol zu einer Reise durch Sibirien aufmachen, um die Brutplätze der riesigen Vögel zu erreichen, die für den Stamm als heilige Stätte gelten. Obwohl das für die Youkol essenzielle Ereignis nur wenige Male in einem Jahrhundert stattfindet, versucht das neue Militär-Regime, es zu unterbinden. Zudem holen die ehemalige New-Yorkerin Kate auch Probleme aus ihrem alten Leben ein. Mehrmals kreuzt ein Detektiv ihren Weg, welcher sie zur Rückkehr bewegen will. Nachdem sie nicht in die Heimat und zu ihrer Rechtanwaltskanzlei zurückkehrte, hat sie mehrere Gerichtsverfahren am Hals, die mit dem Verkauf von Hans Voralbergs mechanischer Fabrik zusammenhängen - unter anderem wegen Veruntreuung.
Pittoresk aber umständlich: Bei den meisten Rätseln müssen allerlei Hebel, Schalter und mechanische Gerätschaften per Analogstick bewegt werden.
Nachdem sie der Zwangsunterbringung in der psychiatrischen Abteilung entkommen ist, erforscht sie den Ort Valsembor, dessen weitläufige Gassen ziemlich leer und verlassen wirken. Nur hier und da treiben sich vereinzelte Passanten herum, die billige Zigaretten loswerden wollen oder vor dem Rathaus gegen den länger als gewöhnlich dauernden Aufenthalt der als kriminell verschrienen Youkol demonstrieren. In einem der gelegentlichen Dialog-Rätsel kann Kate das Problem für sich nutzen. Auch der Bürgermeister will dem Nomadenstamm schließlich endlich seine Abreise genehmigen, befindet sich aber im Würgegriff der Militärregierung. Wählt man den passenden Dialogbaum, bietet sich Kate als Sündenbock an, der seinen Schützlingen angeblich zur Flucht verholfen hat. Der Bürgermeister muss dazu lediglich die Öffnung der Schleusentore genehmigen, damit das Boot mit ihnen und den heiligen Tieren ablegen kann.