Lego Rock Band24.11.2009, Mathias Oertel
Lego Rock Band

Im Test:

Das Rock Band-Prinzip erfreut sich großer Beliebtheit und hat zuletzt auch den Beatles ein neues Publikum beschert. Und dass die Lego-Lizenz enormes Potenzial birgt, haben die humorvollen Umsetzungen der Star Wars- und Indiana Jones-Sagas bewiesen. Wenn man diese beiden Elemente vereint und sie mit Mechanismen anreichert, die die gesamte Familie unterhalten sollen, dürfte doch nichts mehr schief gehen, oder?

Rock Band bleibt Rock Band bleibt Rock Band

Einem Außenstehenden das Phänomen Rhythmus-Spiele zu erklären, ist nicht einfach. Denn auf den ersten Blick ist das nur ein Fingerfertigkeits-Test. Es gilt im Prinzip "nur" im richtigen Moment die Taste mit der richtigen Farbe bzw. dem richtigen Symbol zu aktivieren. Das hat schon auf der PSone in PaRappa the Rapper funktioniert, wurde dann im Westen mit der Guitar Hero-Serie auf Instrumente ausgeweitet und erlebte mit Rock Band den kreativen Höhepunkt, als die Band samt Gesang eingeführt wurde. Und auf einmal avancierten Plastikklampfen und Drumsets zum Partykracher schlechthin. Das ebenso einfache wie motivierende Prinzip, die von oben nach unten laufenden Noten auf einem Highway im richtigen Moment zu spielen, nimmt einen ungeachtet des Alters schnell gefangen.

Die Bauklotz-Musiker unterhalten mit bewährter Rock Band-Mechanik, lassen es aber an Umfang vermissen.
Allerdings muss man sagen, dass dieses Jahr auch eine gewisse Übersättigung stattgefunden hat: Konami kam mit Rock Revolution; Activision ließ mit Guitar Hero Metallica, Guitar Hero Greatest Hits, Guitar Hero 5 und Band Hero (morgen bei uns im Test) gleich vier Kandidaten auf die Musikfans los; Harmonix hatte sich neben Trackpacks vor allem auf The Beatles Rock Band konzentriert. Nach Meinung von Warner Interactive ist aber immer noch Platz für eine Zugabe. Zumal sich Lego Rock Band (ab 5,05€ bei kaufen) nicht nur visuell an ein vornehmlich jüngeres Publikum zu richten scheint.

Doch man sollte jetzt nicht dem Irrglauben verfallen, dass Lego Rock Band (LRB) nur eine abgeschwächte Kindergarten-Version mit Bauklotz-Kulisse darstellt. Sicher: Die gelbköpfigen Kult-Figuren haben auf den ersten Blick nur wenig mit ihren deutlich realistischeren Ebenbildern der "großen" Rock Bands gemeinsam, zumal sie auch nicht so filigran und akkurat auf die Musik spielen wie ihre Gegenstücke. Und auch die zahlreichen neuen Hilfen vom superleichten Schwierigkeitsgrad bis hin zum automatisierten Basspedal bei den Drums deuten darauf hin, dass es eher darum geht, neue Spieler ins Boot zu holen als die Musiker anzusprechen, denen RB 1 und 2 bereits aus den Ohren hängen.

Aber der Schein trügt. Denn da Harmonix für das so genannte "Track Authoring" verantwortlich zeichnet, also für die Aufteilung der Songs in ihre einzelnen Notenspuren, bekommt man hier ein vollwertiges Musik-Erlebnis, das  größtenteils zwar etwas leichter zu spielen ist, wie man es aus Rock Band 2 gewohnt war, aber mit Fire von Jimi Hendrix oder Europes Final Countdown auch einige Songs bietet, die selbst eingefleischten Rockern die Finger verknoten.

Knackpunkt Umfang

Apropos Songs: Mit gerade mal 45 Liedern ist der Grundumfang eher bescheiden ausgefallen. Die Auswahl ist wie immer bei Spielen dieser Art enorm streitbar, aber die Mischung aus Pop (David Bowie: Lets Dance, Ray Parker Jr.: Ghostbusters), Classic-Rock (Bon Jovi: You give love a bad name oder Queen: We will rock you) und halbwegs aktuellen Titeln (Kaiser Chiefs: Ruby, All American Rejects: Swing, Swing) hat für mich keine auffälligen Schwächen - außer der geringen Anzahl.

Lassen mit Gastauftritten die Lego-Bühne beben: Die Lego-Version von Queen!
Wer bereits Download-Titel oder die exportierten Rock Band 1-Songs auf der Festplatte hat, wird dieses Manko zwar deutlich abgemildert spüren, doch das ganze System hat mit Haken und Ösen zu kämpfen.

Denn zum einen werden die über 80 Rock Band 2-Songs überhaupt nicht genutzt. Und zum anderen ist der Import der Download-Tracks familiären Richtlinien unterworfen. Soll heißen: Bestimmte Songs sind aus LRB heraus nicht wählbar. Weil der Text nicht "jugendfrei" genug ist oder was auch immer. Dass dabei z.B. die Kings of Leon mit "Sex on Fire" auf der Strecke blieben, lässt sich sogar noch bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Dass aber auch Green Days "21 Guns" zu den "familienfeindlichen" Songs zählen, ist ungewöhnlich. Zumal Tracks von z.B. Iron Maiden unbehelligt bleiben.

Auch der Export der LRB-Songs, um sie dann in RB1 oder 2 zu verwenden, hat mit einem Problem zu kämpfen: Er ist kostenpflichtig! Knapp zehn Dollar (800 Punkte) müssen jenseits des Atlantiks aufgewendet werden, um die 45 Tracks außerhalb des Lego-Universums spielen zu können. Zu viel, wie ich finde, wenn man bedenkt, dass man für das Spiel gut 60 Euro über die Theke schiebt. Hierzulande dürfte die Preisgestaltung ähnlich liegen, wobei wir noch nicht auf die Server zugreifen konnten, um die endgültigen deutschen Preise zu verifizieren.

        

Der Spaß ist da

Doch obwohl der vergleichsweise geringe Umfang auch hier und da in die Gestaltung der Setlists reinspielt bzw. zu unnötig häufigen Songwiederholungen auch in den vorgegebenen Auftritten führt, kann man eines Lego Rock Band nicht absprechen: Den Spaß. Spaß, der sich jetzt dank der angesprochenen Hilfen auch auf eine jüngere Generation ausdehnt, die bislang Berührungsängste mit der Materie hatte - auch wenn viele der älteren Songs trotz Kult-Charakter an diesen Spielern eher vorbeigehen werden.

Im Rock Shop lassen sich haufenweise Figuren, Instrumente und weitere Gimmicks erwerben.
Denn die geheimnisvolle Rock Band-Formel, die uns seit mittlerweile gut zwei Jahren begeistert, greift auch hier - spätestens wenn mindestens zwei Musiker zusammen kommen: Coole Songs (größtenteils), eine umfangreiche Karriere (die sich am offenen Ablauf in Rock Band 2 orientiert), ein ordentlicher Schwierigkeitsgrad (ab hart aufwärts), auch wenn das Level insgesamt bis auf wenige Ausnahmen eher niedrig anzusetzen ist und vor allem eine coole Akustik. Und damit meine ich nicht die saubere Abmischung der original Master Tracks, sondern vor allem wieder einmal das Publikum, das trotz aller Fortschritte von Neversoft auf "Hero"-Seite immer noch den Standard in Titeln dieser Art setzt. Wenn die Zuschauer bei Bon Jovi, Tom Petty oder Queen mitgröhlen, perlt immer noch eine Gänsehaut meine Wirbelsäule hinab - und das trotz aller Musikspiele, die sich dieses Jahr schon im Laufwerk aufgehalten haben.

In einem Lego-Spiel dürfen natürlich zwei Sachen nicht fehlen: Humor sowie Personalisierung. Was den ersten Punkt betrifft, kann man sich zwar nicht wie in Star Wars oder Indiana Jones auf bekannte Figuren verlassen, um diese zu parodieren. Doch mit zahlreichen Anspielungen auf das Musik-Business sowie charmanter Mimik und nicht zuletzt den Gastauftritten nicht nur von bekannten Rock Band-Figuren, sondern auch Stars wie Iggy Pop, David Bowie oder Queen, kommt der Witz nicht zu kurz.

Wie auch in den "Bosskämpfen", die mit der rudimentären Geschichte vom Aufstieg einer Bauklotz-Band verknüpft wurden und die ein Novum in der Rock Band-Welt sind. Mal geht es darum, mit der "Macht des Rock" ein Hochhaus zum Einsturz zu bringen, wo Baumaschinen oder Dynamit scheitern. Ein anderes Mal muss in der Piratenwelt eine Riesenkrake besiegt werden, die ihren trommelnden Sohn verteidigt, der beim Casting für die Band durchgefallen ist. Klingt verrückt? Ist es auch! Aber im Zusammenhang ist es wiederum vollkommen logisch und nachvollziehbar. Im Lego-Universum tickt eben alles ein wenig anders.

Meine Band, meine Rockhöhle, mein Offline-Spiel

Was die Personalisierung betrifft, greift man ebenfalls in die Vollen: Mit beinahe jedem Auftritt können neue Gegenstände, Figuren oder sonstige Gimmicks freigespielt werden, die man dann im Rock Shop erstehen kann.

Das beginnt bei gut einhundert Figuren, die aus nahezu allen bekannten Lego-Themenbereichen kommen und die man nach Belieben neu kombinieren kann, um seine ganz individuelle Band zusammenzustellen. Und das hört erst beim Einrichten

Auch im Lego-Universum gibt es aufwändige Bühnenshows!
seiner Rock-Unterkunft auf, von der aus man zu seinen Tourneen durch die bekannte und unbekannte Welt startet, Statistiken einsieht oder seine Entourage engagiert und einkleidet.

Doch so nett diese ganzen Optionen auch sind, können sie nicht darüber hinweg täuschen, dass sich der Lego-Ausflug ins Rock Band-Universum nur auf den Kern verlässt und inhaltlich keine Weiterentwicklung stattfindet. Die Einbindung einer Geschichte und Bosskämpfe sind zwar ein Anfang, doch da sich die Bosse spielerisch vom Rest nicht unterscheiden, verpufft die Wirkung schnell und wird auf ein rein visuelles Erlebnis reduziert.

Auch die neue Mechanik, die das Scheitern versüßen und erschweren soll, ist eher dem Ansatz zuzuschreiben, auch die Jungspieler und Anfänger frustfrei bei der Stange zu halten - wie auch die bereits erwähnte Option, das Basspedal der Drums automatisieren zu können.

Und wo die Beatles wenigstens Harmoniegesang als neues Element in die Welt der Musikspiele brachten, bleibt LRB hoch konventionell. Bekannt gut. Aber eben bekannt. Und in einem Punkt findet sogar ein viele Punkte kostender Rückschritt statt: Denn man kann zwar im Rock Band-Store einkaufen, doch damit ist die Online-Anbindung bereits erschöpft.

Eine Möglichkeit, online seine Band zusammenzustellen und das Lego-Universum zu rocken, wurde nicht eingebaut. Überhaupt zeigt sich LRB abseits der Karriere, die natürlich kooperativ gespielt werden kann, hinsichtlich der Mehrspielermodi eher spartanisch und bietet nur noch das "schnelle Spiel" an. Keinerlei Wettkampf-Modi, keine besonderen Herausforderungen wie in Rock Band 2 und schon gar kein Partymodus wie in Guitar Hero 5 oder Band Hero, wo man jederzeit ein- und aussteigen bzw. "on-the-fly" den Schwierigkeitsgrad oder Instrument wechseln kann.   

Fazit

Auf der einen Seite ist die Symbiose zweier großer Lizenzen aufgegangen - obwohl man anfangs Angst haben musste, dass diese Verbindung nur eine Zweck- oder im schlimmsten Falle sogar Scheinehe sei. Das Zusammenspiel von Ungereimtheiten beim "familienfreundlichen" Song-Import, kostenpflichtigem Song-Export und nicht zuletzt der geringen Songauswahl sorgt für Falten auf der Musikerstirn. Auch der Wegfall von Wettbewerbsmodi und vor allem die Streichung von Online-Bands drücken langfristig sowohl Stimmung als auch Spaß und zeigen, dass Lego Rock Band in dieser Hinsicht nur das Nötigste tut. Doch Lego und Traveller's Tales bieten im Gegenzug ein charmantes Design, umfangreiche Personalisierung sowie den typischen Humor der besseren Bauklotz-Spiele wie Star Wars oder Indiana Jones in die Beziehung. Und Harmonix steuert einen überzeugenden Sound samt grandioser Zuschauerakustik, die inhaltliche Grundlage für die an Rock Band 2 erinnernde Karriere, das motivierende Band-Konzept sowie die generelle Bearbeitung der 45 Tracks bei. Doch auch die coolen Gastauftritte von Queen, David Bowie oder Iggy Pop können nicht verhindern, dass der Rock Band-Stern am Lego-Himmel nicht ganz so hell erstrahlt wie ich erwartet hatte und damit nicht nur der Konkurrenz von Activision, sondern auch den Liverpooler Pilzköpfen den Vortritt lassen muss. Unterm Strich bleiben die musizierenden Klötzchen aber ein gelungener Einstieg nicht nur für jüngere Rocker.

Pro

gute Songauswahl...
Download-Bibliothek kann verwendet werden
umfangreiche Karriere
klassischer Lego-Humor
abwechslungsreiche Schauplätze
Publikum geht klasse mit

Kontra

- ... die aber leider nicht umfangreich genug ist
keine Rock Band 2-Songs importierbar
kein Online-Spiel
Songs werden unnötig oft wiederholt
inhaltlicher Stillstand
spartanischer Mehrspieler-Modus

Wertung

360

Song-Auswahl, charmante Figuren und das bekannt gute Rock Band-Prinzip können überzeugen, der Umfang und der fehlende Online-Modus weniger.

PlayStation3

Das bekannt gute Rock Band-Prinzip zündet bis auf den fehlenden Online-Modus auch hier, doch der Umfang hätte durchaus üppiger ausfallen dürfen.

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