blur28.05.2010, Michael Krosta
blur

Im Test:

Gute Zeiten für Freunde von Arcade-Racern: Neben den unterhaltsamen Ausflügen mit Split/Second und ModNation Racers steht mit Blur (ab 6,39€ bei kaufen) innerhalb von wenigen Wochen bereits der nächste Vertreter an der Startlinie. Dabei gehen die PGR-Macher von Bizarre Creations ein gewagtes Experiment ein: Kann man lizenzierte Boliden von Audi bis VW mit der Spielmechanik eines Mario Kart kreuzen?

Power-Up Rennen

Ja, man kann: Schon Rockstar zeigte bei den Mehrspieler-Duellen der letzten Teile von Midnight Club , dass die Kombination aufgehen kann. Doch während die Power-Up-Rennen dort nur zur Nebensache wurden, sind sie bei Blur die Hauptattraktion! Ähnlich wie bei Need for Speed gilt es, insgesamt neun Rivalen zu schlagen und ihnen ihre Wagen samt Mods abzuknöpfen. Mods? Nein, da sitzen keine kleinen Figuren aus der ModNation auf dem Beifahrersitz. Vielmehr handelt es sich dabei um eine nützliche Extra-Austattung, mit der man aufgesammelte Power-Ups noch weiter verstärken oder mehr Leistung aus

Video: Mario Kart trifft auf Forza: In lizenzierten Boliden schmeißt man mit Power-Ups um sich.seinem Boliden herauskitzeln kann. Bevor man die Champions aber zu einem Duell herausfordern kann, muss man sich erst als würdig erweisen und bestimmte Zielvoraussetzungen erfüllen. Diese umfassen z.B. eine bestimmte Trefferquote mit vorgegebenen Waffen oder zusätzliche Levelziele in diversen Veranstaltungen.

Suche nach Erleuchtung

Die Struktur des Karrieremodus ist dem von Project Gotham Racing recht ähnlich: Statt Sternen warten hier bis zu sieben Lichter als Belohnung für Rennsiege. Ein weiteres Extra Lämpchen kann man sich verdienen, indem man während des Rennens den so genannten Fan-Sprint absolviert und unter Zeitdruck alle Lichttore durchfährt. Zusätzlich wird man mit einem Licht belohnt, wenn man eine vorgegebene Anzahl an Fans gewinnt. Im Prinzip sind Fans die neuen Kudos: Landet man häufig Treffer, weicht Attacken gekonnt aus und rast mit lässigen Drifts durch die Kurven oder nutzt Sprungschanzen, wächst die Fangemeinde und damit die Chance auf Zuwachs in der Garage. Insgesamt umfasst der Fuhrpark 55 lizenzierte Boliden, die in Klassen von A bis D eingeteilt werden. Dabei trifft man sowohl auf traumhafte Sportwagen wie den Audi R8 als auch Muscle Cars wie den Dodge Challenger SRT8 und Import-Flitzer vom Schlag eines Nissan 350Z. Selbst einige Offroad-Vehikel wie der Ford F150

Glück für den, der das Power-Up vor seinem Konkurrenten einsammeln kann.
Raptor R und Buggys stehen zur Auswahl.

Qual der Wahl

Jeder Bolide hat individuelle Werte in den Bereichen Beschleunigung, Geschwindigkeit, Grip und Schwierigkeit. Um sich einen schnellen Überblick zu verschaffen, findet sich auch noch ein Schlagwort wie "Ausgewogen", "Kontrolliert", "Driftend" oder "Offroad" in der Beschreibung, das die Stärken zusammenfasst. Ein wichtiger Punkt ist außerdem der Energiewert, der quasi die Lebensanzeige des Autos darstellt. Wer unter Dauerbeschuss steht und es nicht schafft, rechtzeitig das rettende Reparatur-Symbol einzusammeln, muss hilflos mitansehen, wie der einstige Neuwagen in eine Schrottkarre verwandelt wird und nach dem letzten Treffer schließlich mit einem lauten Knall explodiert. Zwar ist man danach nicht zum ewigen Schrottplatz-Dasein verurteilt, doch muss man geduldig warten, wieder auf die Strecke zurückgesetzt zu werden - und das kostet in der Welt der schnellen Arcade-Rennen wertvolle Zeit. Übrigens wartet Blur mit einem vollständigen, wenn auch nicht unbedingt realistischen Schadensmodell auf: Es zerbersten nicht nur Scheiben und Teile verabschieden sich von der Karosserie, sondern auch die Leistung lässt nach zu vielen Treffern spürbar nach, während es sich mit fehlenden Vorderrändern auch nicht mehr so gut lenken lässt.       

Volle Breitseite

Und wer hat Schuld daran? Richtig: die Power-Ups. Genau wie bei Mario Kart & Co steht eine herrliche Auswahl an kleinen Gemeinheiten zur Verfügung, mit deren Hilfe man den Mitstreiter eins auswischen und gleichzeitig seine Schadenfreude in ungeahnte Höhen treiben kann. Eine der wirkungsvollsten Waffen ist der Stoß: Genau wie bei einer zielsuchenden Rakete verfolgt die rot glühende Kugel ihr anvisiertes Opfer und ein Treffer ist nahezu vorprogrammiert. Allerdings hat man die Möglichkeit zu Gegenmaßnahmen, u.a. in Form eines Schutzschildes, dessen Icon aber ebenfalls zunächst durch Drüberfahren aufgesammelt werden muss. Insgesamt darf man bis zu drei Power-Ups gleichzeitig besitzen und zwischen ihnen wechseln, weshalb die Rennen hier taktischer angehaucht sind als bei Mario Kart , Split/Second & Co. Die Mine eignet sich vor allem für den defensiven Einsatz, mit dem man sich Verfolger von der Stoßstange hält. Alternativ kann sie aber auch nach vorne geschleudert werden. Überhaupt ist es lobenswert, dass die meisten Waffensysteme sowohl nach vorne als auch nach hinten abgeschossen werden können. So auch der Blitz, mit dem man standardmäßig drei Lichtstrahlen in Richtung Gegner schicken kann. Der Abräumer ist dagegen vornehmlich für den Nahkampf konzipiert und sendet eine kreisförmige Druckwelle

Wenn es Blitze vom Himmel regnet, sollte man besser nicht in der Nähe sein.
in alle Richtungen aus, mit deren Hilfe man sich etwas Platz im engen Feld verschaffen kann. Auf den Shock-Angriff sollte man als Führender dagegen tunlichst verzichten: Hier regnet es Blitzfelder vom Himmel, die in erster Linie die Führenden ausbremsen sollen. Last but not least gibt es den obligatorischen Nitro, mit dem man einen kurzzeitigen Geschwindigkeitsschub bekommt.

Perfektes Balancing?

Abgesehen von den Items stellen aber auch die Autos selbst Waffen dar, denn gerade mit den schweren Geländewagen pflügt man sich durch das Feld und rempelt kleinere Widersacher lässig von der Piste oder in die Streckenbegrenzung. Dafür gleichen die "Kleinen", wie etwa der klassische VW Käfer, den Mangel an Robustheit durch eine höhere Geschwindigkeit aus. Insgesamt hinterlässt das Balancing der Waffen und Fahrzeuge einen hervorragenden Eindruck. Allerdings sollte man sich die Streckenbeschaffenheit merken, denn ansonsten kann es passieren, dass man mit einer tiefer gelegten Tuning-Karre auf einer Offroad-Piste landet und den Anschluss an die Geländewagen verliert. Leider erfährt man im Vorfeld nichts über den dominierenden Bodenbelag der jeweiligen Strecke. Gravierender ist jedoch das Fehlen eines Windschattens, mit dem man sich an den Vordermann heransaugen könnte - selbst Arcade-Racer wie Mario Kart, Outrun 2006 oder ModNation Racers bieten dieses Feature, das den Spielablauf auch hier sicher noch spannender gestaltet hätte. Ansonsten gibt die Spielmechanik kaum Grund zur Klage: Die Autos steuern sich allesamt prima und bieten im Gegensatz zu Konkurrenten wie Burnout oder Split/Second zumindest einen brauchbaren Ansatz einer Fahrphysik - hier macht sich die jahrelange

Rempeln ist ausdrücklich erlaubt.
Erfahrung von Bizarre Creations im Rennspielbereich deutlich bemerkbar. Nur das Driften geht leider nicht so leicht und intuitiv von der Hand, wie es noch bei PGR der Fall war.

"Mach das Licht an"

Es hört sich ja schon irgendwie doof an, wenn man nach dem grundlegenden Ziel des Karrieremodus gefragt wird und so etwas antwortet wie "Ich muss Lichter sammeln, um neue Veranstaltungen freizuschalten". Man wird die Faszination erst dann verstehen können, wenn man sich selbst den Herausforderungen stellt und erkennt, wie motivierend und abwechslungsreich sich die Jagd nach Licht und Fans entwickelt. Zwar bilden die packenden Power-Up-Rennen den Kern der Karriere, doch muss man zwischendurch auch in anderen Rennmodi bestehen. Bei der "Zerstörung" gilt es z.B. vorausfahrende Fahrzeuge mit Blitzattacken abzuschießen, um sich einen Zeitbonus zu sichern. Schickt man die ersten Wellen noch problemlos auf den Schrottplatz, gesellen sich bald weitere motorisierte Gegnertypen hinzu, die als Abschiedgeschenk noch eine Mine zurücklassen. Daneben stehen Checkpunktfahrten auf dem Programm, die aber noch das gewisse Extra mitbringen. Zwar läuft auch bei Blur die Zeit gnadenlos dem Nullpunkt entgegen, doch hat man hier die Möglichkeit, den Countdown durch das Aufsammeln von Uhr-Symbolen kurzzeitig zu stoppen. Zusätzlich findet man die üblichen Nitros für Geschwindigkeitsschübe. Im späteren Verlauf werden die Power-Up-Rennen zusätzlich mit Fan-Herausforderungen aufgepeppt. Dabei handelt es sich um Mini-Missionen, bei denen man z.B. innerhalb weniger Sekunden einen sauberen Drift zeigen, Gegner mit bestimmten Waffen treffen oder einen Nitro-Sprung ausführen muss. Nützlicher Nebeneffekt: Löst man die Fan-Herausforderung durch Überfahren des Icons aus, wird man in der Regel mit den Power-Ups ausgestattet, die man zur Erfüllung der Aufgabe benötigt.  

Hoher Motivationsfaktor

Schon auf dem mittleren der drei Schwierigkeitsgrade sind die Rennen fordernd. Vor allem das Erreichen der Fan-Ziele, für das man mit einem Extra-Licht belohnt wird, gestaltet sich oft schwieriger als gedacht. Gleichzeitig fördert es aber die Motivation, das Event erneut in Angriff zu nehmen, da man wie schon bei PGR ständig das Bedürfnis hat, das Maximum heraus zu holen. Nötig ist es allerdings nicht: Auch mit weniger Lichtern schaltet man schnell neue Stufen und Veranstaltungen frei - selbst die Rivalen müssen nicht zwingend geschlagen werden, um sich in der Karriere weiter nach vorne zu kämpfen. So genießt man eine große Freiheit, wie und in welcher Reihenfolge man vorgehen möchte.

Ein besonders genialer Einfall sind die Freundes-Herausforderungen: Glaubt man, in einem Rennen eine extrem gute Leistung gebracht zu haben, kann man bis zu drei Spielern seiner Freundesliste mit wenigen Klicks eine Herausforderung schicken, bei der das eigene Ergebnis erreicht oder übertroffen werden muss. Abgesehen von der Platzierung und dem Fan-Status lassen sich dabei weitere Ziele manuell festlegen, so z.B. die Trefferquote. Selbst wenn man irgendwann alles in der Karriere erreicht hat, wird sie durch die Freundes-Herausforderungen am Leben erhalten und man lässt sich immer wieder gerne auf die reizvollen Duelle ein.

Wenig Offline-Auswahl

Abgesehen von der herrlichen Karriere fällt die Auswahl an Modi für Solisten allerdings mau aus: Im Gegensatz zu den Mehrspieler-Optionen ist es hier nicht möglich, ein schnelles Rennen nach eigenen Regeln aufzusetzen. Will man also auf einer bestimmten Strecke in einer bestimmten Fahrzeugklasse antreten, muss man erst mühsam den Karrieremodus nach seinem Wunsch-Event durchwühlen. Das ist ärgerlich, zumal man sich auch nicht das Türchen über den Mehrspielermodus aufgelassen hat, wie es z.B. Forza 3 gemacht hat. Dort kann man eine Mehrspieler-Session nach eigenen Vorlieben aufsetzen, anschließend das Feld mit KI-Fahrern füllen und bekommt so auf Umwegen sein individualisiertes Einzelrennen. Macht man

Vor allem im Pulk kann das Renngeschehen chaotisch werden.
den gleichen Versuch bei Blur, ist dagegen ein zweiter Mitspieler zwingend erforderlich, bevor man das Rennen starten kann. So bleibt für Solo-Fahrer trotz der motivierenden Karriere ein etwas fader Beigeschmack zurück.

Mehrspieler-Knaller

Anders sieht es an der Mehrspieler-Front aus, an der Bizarre Creations nahezu alles richtig macht. Zwar war ich anfangs etwas enttäuscht, dass man diesen Teil völlig von der Karriere trennt und folglich auch seine erspielten Fahrzeuge sowie Mods nicht in die Multiplayer-Schlachten mitnehmen darf. Doch schnell kam die Erkenntnis, dass diese Maßnahme eine der besten Entscheidungen war, die man treffen konnte. Warum? Weil die separate Online-Karriere den Motivationsfaktor quasi verdoppelt, wenn man erneut um die Gunst der Fans buhlt und neue Wagen freischaltet. Außerdem steigt man online nicht nur im Fahrer-Rang, sondern verbessert auch sein Fahrzeug nach und nach mit einem Fan-Boost, einem weiteren Energie-Block, mehr Leistung und schaltet Lackierungen frei - das Erstellen eigener Aufkleber ist aber leider nicht möglich. Bevor man Zugriff auf die Upgrades erhält, muss man mit dem jeweiligen Wagen allerdings diverse Herausforderungen meistern, die ähnlich angelegt sind wie die Qualifikation zu den Boss-Kämpfen in der Karriere. Von Anfang an kann man sich jedoch zwischen verschiedenen Setups entscheiden, die entweder einer aggressiven oder defensiven Spielweise entgegenkommen. Je nach Konfiguration kann man z.B. seinen Schutzschild verstärken oder den Stoß-Angriffen mehr Kraft verleihen.    

Die freie Auswahl

Bei den Online-Rennen hat man die Wahl, ob man sich in vorgefertigte Events stürzen will oder eine eigene Session erstellen will. Entscheidet man sich für Letzteres, bekommt man den Zugriff auf alle Optionen, die man sich nur wünschen kann. Angefangen bei der Wahl der Strecke, Fahrzeugklasse und Rundenzahl darf man sogar jedes einzelne Power-Up manuell deaktivieren, KI-Fahrer hinzuschalten und eine Aufholfunktion (Gummiband) in drei Stufen für spannende Rennen benutzen. Etwas Geduld muss man jedoch bei den Spielmodi mitbringen, denn viele von ihnen können erst im Laufe der Online-Karriere freigespielt werden. So kommt man z.B. erst ab einem bestimmten Rang in den Genuss

Neben Asphalt-Pisten warten auch Offroad-Kurse.
von Team-Rennen. Der Motorensalat steht dagegen von Anfang an zur Wahl und ist eine Variation von Destruction Derby, bei dem sich die Fahrer gegenseitig mit Waffen in einer Arena eliminieren.

Die vorgefertigten Events bieten eine breite Auswahl an den genannten Spielmodi, doch wird die Kombination zwischen Strecke und Fahrzeugklasse automatisch festgelegt. Allerdings hat man immer die Möglichkeit, zwischen zwei Angeboten zu wählen und abzustimmen. Anschließend hat man etwa 30 Sekunden Zeit, sich für ein Auto zu entscheiden, bevor das Rennen automatisch gestartet wird. Auf das Okay eines schläfrigen Host braucht man hier zum Glück nicht zu warten - das Format ist ideal für alle, die schnelle Online-Rennen suchen. Damit Anfänger unter den Profi-Fahrern nicht untergehen und schnell die Lust am Rasen verlieren, ist eines der Events auf Teilnehmer beschränkt, die maximal den Fahrerrang zehn erreicht haben. Wer mit Power-Ups nichts anfangen kann, wird sich auch darüber freuen, dass es auch für normale Rennen ein vorgefertigtes Online-Event gibt, bei dem Blitze, Minen & Co tabu sind - den entsprechenden Fahrerrang vorausgesetzt, den man zur Freischaltung der Modi benötigt.

Lag lass nach

Die Mehrspieler-Action bringt also die besten Voraussetzungen für spaßige Rennen mit, doch es gibt ein kleines Problem: Lags! Befinden sich viele Spieler verschiedener Nationen auf der Piste, kann es öfters zu diesem unangenehmen Phänomen kommen, bei dem die Autos der Gegner über die Strecke zuckeln, plötzlich abheben oder sich sprunghaft von einem Fleck zum nächsten bewegen. Während des Tests kam es sogar vor, dass alle Fahrzeuge schon beim Start in der Luft schwebten und das Rennen kurz nach dem Start mit einem Verbindungsfehler abgebrochen wurde. Um dem entgegen zu wirken, kann man die Suche nach offenen Sessions allerdings regional beschränken. Waren z.B. nur Ben, Paul und ich in einer Lobby, liefen die Rennen zumindest technisch reibungslos ab. Geht es im Splitscreen zur Sache, spielen Lags keine Rolle mehr, doch muss man dafür leichte grafische Abstriche wie stärkeres Pop-up sowie eine niedrigere Framerate in Kauf nehmen, die aber gerade noch so im grünen Bereich bleibt. Gerade mit der maximalen Anzahl von vier Spielern sind die Splitscreen-Duelle trotz des kleinen Bildschirmausschnitts ein ganz großer Spaß! Im Gegensatz zu den Online-Rennen steht hier übrigens schon der komplette Fuhrpark zur Auswahl. Nur eine Verbindung aus Splitscreen- und Onlinerennen,

Stilvolles Rasen erfreut die Fans.
wie es z.B. Mario Kart Wii bietet, ist hier leider nicht möglich. Dafür dürfen sich auf allen Plattformen bis zu 20 Fahrer auch via System-Link im lokalen Netzwerk (LAN) gegenseitig mit Power-Ups die Hölle heiß machen.

Großes Fahrerfeld

Obwohl die Lags ein Kritikpunkt sind, darf man nicht vergessen, wie groß das Fahrerfeld ausfällt: Gestatten die meisten Konsolen-Racer gerade mal acht Teilnehmer, tummeln sich hier auch bei den Online-Scharmützeln bis zu 20 Pisten-Rowdys auf der Strecke, die aus allen Rohren feuern. Dass es dabei oft chaotisch zugeht, liegt in der Natur der Sache - manchmal scheint die Action aber auch etwas außer Kontrolle zu geraten, wenn im Sekundentakt Stöße und Minen einschlagen, während man gleichzeitig auch noch mit einem Abräumer oder Remplern vom Asphalt gedrängt wird. Trotzdem Hut ab vor der Leistung, so viele Fahrzeuge zuzulassen und trotzdem einen überwiegend störungsfreien Ablauf zu garantieren. 

   

Außen pfui, innen hui?

Allerdings fordert die große Anzahl an Boliden ihren Tribut: Verglichen mit den Kulissen eines Split Second mit ihren einkrachenden Gebäuden und Explosionen wirkt die Darstellung von Schauplätzen wie Los Angeles, Barcelona, New York oder Brighton in Blur grafisch etwas altbacken. Auch bei den Kamerapositionen fährt man auf Sparflamme: Gerade mal eine Innen- sowie eine Außenansicht wird geboten - Motorhauben- und Cockpitperspektive fallen unter den Tisch. Während Blur auf PS3 und 360 nahezu identisch aussieht, sehen die Texturen auf dem PC einen Tick detaillierter aus - auch Funktionen wie Anti-Aliasing und V-Sync sorgen dafür, dass die Städte hier am besten aussehen. Technisch läuft der Motor dank einer soliden Bildrate auf allen Plattformen rund, während die Entwickler ihren Faible für Neon-Farben nach Geometry Wars und Boom Boom Rocket mit Feuerwerk und grellen Lichteffekten erneut ausleben.

Die Umgebung lässt sich teilweise sogar zerstören, doch geht man leider nicht so weit wie bei Need for Speed, wo man sie in Form der Pursuit Breaker an bestimmten Stellen als Waffe einsetzen kann, indem man z.B. einen Turm zum Einsturz bringt oder Stützpfeiler umfährt, wodurch Geröll auf der Straße landet. Trotzdem kracht es auch so genug, denn die wuchtige Soundabmischung sorgt vor allem an einer 5.1-Anlage für druckvolle Effekte - es scheppert, kracht und rumst aus allen Kanälen! Vorbildlich sind auch die Audioeinstellungen, bei denen man sogar den Winkel im Spiel einstellen kann, wie die Boxen im Zimmer angeordnet sind, um ein optimales Audioerlebnis zu bekommen. Im Gegensatz dazu steht der unscheinbare Soundtrack, der nicht ohne Grund standardmäßig in den Optionen deaktiviert ist.

Nicht ohne meinen Twitter

Mittlerweile hält der Twitter- und Facebook-Wahnsinn immer mehr Einzug in die Videospielwelt. Mit Blur treibt man es derzeit allerdings auf die Spitze: Mit nur wenigen Klicks kann man das Spiel mit dem sozialen Netzwerk oder dem in meinem Augen völlig überflüssigen Zwitscher-Dienst verknüften und seine Event-Erfolge sowie die erreichten Sticker posten. Auch die Bilder, die im Fotomodus gemacht und mit diversen Effekten versehen wurden, lassen sich mit der Welt teilen. Zudem dürfen Kontakte der besagten Seiten direkt ins Spiel integriert werden, so dass die virtuellen Gesellschaften immer mehr ineinander verschmelzen. Das Social Gaming kann und soll wohl in Schwung kommen... Aber zum Glück wird man ja (noch) nicht dazu gezwungen, sich bei den Diensten anzumelden. So lange die Features optional genutzt werden können, ist meine Videospiel-Welt noch in Ordnung, obwohl beim derzeitigen Trend das Läuten meiner Alarmglocken stetig lauter wird.   

Fazit

Ich stand Blur von Anfang an äußerst skeptisch gegenüber! Als Bonusspiel in Midnight Club: Los Angeles hat die Mischung aus lizenzierten Boliden und Power-Ups ja funktioniert und war auch ganz spaßig - aber würde mir nicht etwas fehlen, wenn man sich nur auf dieses eine Konzept beschränkt hätte? Ja, definitiv! Hätte man mich vor drei Wochen gefragt, für welchen Arcade-Racer ich mich bei der Wahl zwischen Split/Second und Blur entscheiden würde, wäre die Wahl eindeutig auf die virtuelle TV-Show von Disney gefallen. Die Demo und auch das Anspielen auf diversen Messen haben mich darin bestärkt, dass Blur zwar solide, aber nichts Besonderes werden würde. Jetzt ist es der Beweis dafür, wie sehr sich der erste Eindruck nach einem ausgiebigen Test verändern kann. Ich finde Blur fantastisch! Obwohl man für Solo-Raser leider einige Modi vergessen hat, ist der abwechslungsreiche Karrieremodus samt Freundes-Herausforderungen ein wahres Motivations-Monster. Man bleibt am Bildschirm kleben, startet das Event immer wieder neu und hält irgendwann verkrampft den Controller, bis man endlich alle Ziele erfüllt und sämtliche Lichter gewonnen hat. Mindestens genau so gut präsentiert sich die separate Online-Karriere, auch wenn die Lags beim internationalen Starterfeld der teilweise zu chaotischen Action einen kleinen Dämpfer verpassen. Trotz stylischer (Neon-)Präsentation schafft man es außerdem nicht, visuell an Split/Second oder auch PGR heran zu reichen, denn dafür wirken die Nachbildungen von L.A., San Francisco & Co zu altbacken und detailarm. Dafür punktet Blur vor allem auf der spielerischen Seite: Die Power-Ups und Autos sind hervorragend ausbalanciert und die Fahrphysik ist trotz gewöhnungsbedürftiger Drifts mit einer guten Mischung aus Anspruch und Spaß insgesamt gelungen. Würde man mich heute zwischen Blur und Split/Second wählen lassen, wäre die Antwort genau so eindeutig wie vor drei Wochen - mit dem Unterschied, dass ich der TV-Show absagen und mich stattdessen lieber hier in die Power-Up-Party stürzen würde. Blur ist das Mario Kart für Erwachsene - ein WipEout auf vier Rädern!   

Für mich ist es wie diese neue CD einer Lieblingsband, die einem partout nicht gefallen will. Erst nachdem man sie zehnmal gehört hat, wird einem langsam klar, dass man diesen neuen Stil richtig klasse findet. Für mich ist das wie Blur: Es sieht nicht spektakulär aus, es fährt sich auch nicht spektakulär und irgendwie wollte die Waffengewalt aus Mario Kart einfach nicht zu PGR passen. Ich wagte trotzdem einen zweiten Blick und beim genauen Hinsehen entpuppte sich Blur eben immer mehr als eine verdammt fesselnde Actionhatz. Denn so wenig Umgebung und Boliden im Detail überzeugen, so rasant preschen sie in den höheren Rennklassen durch verschwommenes Neonlicht und spiegelnde Pfützen. So gedankenlos die Action auf das Rennspiel gepappt scheint, so detailversessen haben die Entwickler das Waffensystem durchdacht: Fast alle Extras lassen sich sowohl defensiv als auch offensiv einsetzen und obwohl man dem Führenden jederzeit Steine in den Weg legen kann, werden fahrerische Klasse und taktisches Geschick stets mit einem vorderen Platz belohnt. Selbst WipEout - immerhin mein Spiel aller Spiele - kann sich davon eine dicke Scheibe abschneiden! Umso bedauerlicher, dass ich in der Solokarriere ausschließlich die Herausforderungen der Kampagne abklappern darf. Einzelrennen, weitere Rennvarianten wie Zeitfahren und ein damit verbundenes Prahlen vor den Online-Kumpels fallen also flach. Auf der Zielgeraden macht Blur leider schlapp... Trotzdem: Am Ende ist es mal wieder diese unerwartet gute Scheibe, die sich schon viel zu lange in meinem Laufwerk dreht.

Zum Video-Fazit    

Pro

gelungene Mischung aus Action & Rennen
gut ausbalancierte Power-Ups
flüssige Darstellung
motivierende Karriere
Schadensmodell
druckvolle Soundabmischung
lizenzierter Fuhrpark
viele Anpassungsmöglichkeiten (online)
präzise Steuerung
getrennte Online- und Offline-Karriere
Onlinemodus für bis zu 20 Fahrer
abwechslungsreiche Strecken (reale Schauplätze)
Splitscreen-Modus (bis zu vier Spieler)
eigene Herausforderungen für Freunde (online)
übersichtlicher Rückspiegel
nützliche Mods
harte, aber faire KI ohne Gummiband
fordernder Schwierigkeitsgrad (drei Stufen)
fast alle Waffen nach hinten abfeuerbar
optionale Aufhol-Funktion (Mehrspieler)
große Auswahl an Mehrspieler-Modi
Upgrades für Autos freischaltbar

Kontra

kein Windschatten
z.T. spürbare Lags (online)
keine Cockpitansicht
Rennen sind z.T. sehr chaotisch
zu wenige Offline-Spielmodi

Wertung

360

Forza trifft auf Mario Kart - und die ungewöhnliche Mischung geht erstaunlich gut auf!

PC

Forza trifft auf Mario Kart - und die ungewöhnliche Mischung geht erstaunlich gut auf! Technisch ist der PC leicht vor den Konsolen.

PlayStation3

Forza trifft auf Mario Kart - und die ungewöhnliche Mischung geht erstaunlich gut auf!

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