Im Test:
Tödlicher Hinterhalt
Die Ghosts sind nicht nur eine Spezialeinheit. Sie sind die Besten und kämpfen mit modernsten Waffensystemen. Das macht sie zwar zu einer enorm schlagkräftigen Truppe, doch schnell wird mir bewusst, dass in den Uniformen immer noch Menschen und keine Superhelden stecken. Denn was als Routine-Einsatz zur Sicherstellung einer illegalen Waffenlieferung beginnt, endet für das Team in einer tödlichen Falle: Zwar sind die ersten Feinde im Tutorial schnell beseitigt und man bekommt erste Einblicke in Spielmechanik sowie Ausrüstung, doch setzt ein versteckter Sprengsatz der Mission vorzeitig ein blutiges Ende. Team vernichtet – und nun?
Ein neues Geister-Quartett muss ran! Nicht nur, um die gefallenen Kameraden zu rächen, sondern auch ein gefährliches Komplott aufzudecken, das bis in die höchsten Kreise reicht und einen neuen Weltkrieg auslösen könnte. Es ist wieder der typische Tom Clancy-Stoff, der vor allem die Klischees serviert, die von Waffenhändlern in Afrika über Putschisten in Russland bis hin zu einer mysteriösen Terrorgruppe im Hintergrund reichen. Die Geschichte bleibt trotz ihres Potenzials recht flach und bietet kaum Überraschungen. Immerhin verstrickt sie die Ghosts in abwechslungsreiche Missionen, die ihre Präsenz in Einsatzgebieten rund um den Erdball erfordern.
Bleihaltige Weltreise
Zudem befindet sich die Bildrate in großen Außenbezirken mit vielen Zivilisten teilweise hart am Limit. Klasse ist dagegen der Sound, auch wenn die Wucht eines Battlefield 3 nicht erreicht wird. Trotzdem kann sich die Abmischung hören lassen und auch die deutschen Synchronsprecher leisten überwiegend überzeugende Arbeit. Allerdings hätten die Sprachaufnahmen insgesamt die Dramatik besser einfangen müssen, wenn es heiß hergeht. Die meiste Zeit verbringt man übrigens in Russland und angrenzenden Regionen wie Dagestan oder dem Kaukasus. Selbst durch die Straßen und Gebäude Moskaus muss man sich später mit den Ghosts kämpfen, um Scharfschützen daran zu hindern, einen Politiker im Stile von John F. Kennedy zu töten.
Unsichtbare Operationen
Insgesamt habe ich so weit wie möglich die unauffällige Variante bevorzugt, denn wer hauptsächlich vorsichtig vorgeht, wird schnell feststellen, dass der Tarnanzug ein mächtiges Instrument ist – für mich ist er sogar ein zu großer Vorteil! Vor allem in Kombination mit der transformierbaren Drone, die man sowohl in der Luft als auch am Boden einsetzen kann, fällt der Schwierigkeitsgrad auf der mittleren der drei Stufen recht lasch aus. Kein Wunder: Aus der Luft lassen sich die Schergen kinderleicht für die KI-Mitstreiter markieren, die ihre Ziele meist blitzschnell ausschalten. Teilweise hat man dadurch fast das Gefühl, in einem Echtzeitstrategiespiel gelandet zu sein. Muss man im Stealth-Modus noch manuell den Feuerbefehl erteilen, ballern die Teammitglieder bei Alarm die markierten Bösewichter sofort über den Haufen. Nur selten verrennen sie sich in unglückliche Positionen – meist agieren die Begleiter fast schon zu souverän und nehmen mir einen Großteil der Arbeit ab. Schön ist, dass sie umgehend erste Hilfe leisten, falls ich zu Boden gehe, bevor mich das regenerative Heilsystem rettet. Auf der anderen Seite machen sie gerne ihr eigenes Ding und suchen sich unabhängig von meinem gewählten Weg ihre Routen oder preschen auch mal unaufgefordert nach vorne. Schade,
Hatte man in der Vergangenheit noch einen Hauch von Befehlsgewalt und konnte das Team manuell positionieren sowie Einsatzregeln (Rules of Engagement) festlegen, läuft hier nahezu alles automatisch ab. Ja, das gestaltet den Spielablauf komfortabel, raubt ihm gleichzeitig aber auch die taktischen Möglichkeiten. Waren die Ghost Recon-Titel früher noch etwas Besonderes, wirkt Future Soldier austauschbar und zu deutlich auf ein Shooter-Erlebnis für die Masse getrimmt. Mir wird hier einfach zu viel abgenommen oder durch Automatismen vereinfacht. Selbst eine leichte Zielhilfe greift mir ungewollt unter die Arme – abschalten lässt sie sich nicht.
Sicherer Treffer
Es fehlt einfach dieses gewisse Kribbeln – das Risiko, auch mal eine falsche Entscheidung zu treffen, die man anschließend wieder ausbügeln muss. Das gilt auch für den Synchronschuss, bei dem man bis zu vier Ziele markiert. Schieße ich, drücken auch die Kameraden mit tödlicher Präzision ab – Fehlerquote: null Prozent! Wo ist der Unsicherheitsfaktor, den man generell in diesem Kampfeinsatz vermisst? Sind Gegner in der Nähe, bekommt man schon im Vorfeld eine Meldung. Ist das Gebiet gesichert, wird es mir ebenfalls umgehend in einem Schriftzug mitgeteilt – auf Kosten der Spannung. Denn sobald die Einblendung erscheint, weiß ich, dass mir nichts mehr passieren kann.
Dramatische Momente
Bei der seltenen Erstürmung von Räumen verschenkt Ubisoft dagegen Potenzial: Anstatt wie bei Rainbow Six: Vegas zumindest ein paar taktische Optionen anzubieten, erfolgt das Eindringen erneut automatisch und es gilt im Anschluss lediglich, die Feinde in der typischen Call of Duty-Zeitlupeneinstellung auszuschalten. Überhaupt habe ich teilweise das Gefühl, dass sich die Entwickler an Activisions Erfolgsshooter orientieren, wenn es im Sekundentakt kracht und heftige Explosionen die Schauplätze erschüttern. In diesem Zusammenhang bin ich enttäuscht, dass die Ghosts einfach durch diese Hölle durchmarschieren – selbst wenn zwei Meter neben ihnen etwas detoniert, zeigen sie keine Reaktion oder werden verletzt. In der Vergangenheit stand die Reihe eher für Realismus und Anspruch, heute ist davon nicht mehr allzu viel übrig.
Abwechslungsreiche Missionen
Scheinbar haben sich die Entwickler von Spec Ops: The Line und Mission Impossible: Phantom Protokoll inspirieren lassen, denn auch sie schicken die Ghosts durch einen heftigen Sandsturm, bei dem man nur dank der Magnetsicht den Überblick behält. Nachteinsätze runden die gelungene Auswahl an Missionen ab, bei denen man teilweise sogar zum Schleicheinsatz gezwungen wird: Manchmal führt das Auslösen eines Alarms unmittelbar zum Abbruch und es geht zurück zu einem der meist fair verteilten Checkpunkte. Dabei helfen nicht nur Schalldämpfer für lautloses Töten, denn alternativ kann man sich auch von hinten an Feinde heranschleichen und sie mit einem Würgegriff erledigen.
Spielplatz für Waffennarren
Neben einer Primär- und Sekundärwaffe, die man auf Wunsch bei getöteten Feinden oder an Nachschubkisten austauschen kann, finden auch Blend-, Brand-, Rauch- und Splittergranaten den Weg ins Arsenal. Mit am nützlichsten sind jedoch die Sensorgranaten: Einmal geworfen, verraten sie die aktuellen Feindpositionen innerhalb eines großzügigen Radius. Leider hat man nicht immer Zugriff auf das komplette Arsenal, sondern muss sich bei den Granaten auf zwei Varianten festlegen. Zudem wird vor jeder Mission automatisch ein Ausrüstungspaket geschnürt, das festlegt, ob man z.B. Dronen oder ein Nachtsichtgerät mitnehmen darf oder nicht. Bei den Schusswaffen hat man dagegen meist freie Wahl, obwohl man sich an die vorgegebenen Empfehlungen halten sollte.
Konnte man bei Advanced Warfighter die Feuerrate einiger Gewehre noch während der Mission durchschalten, muss man sich hier im Vorfeld festlegen und im Gunsmith entscheiden, ob der Abzug z.B. auf Voll- oder Semi-Automatik ausgerichtet werden soll.
Achtung: Zivilisten!
Die andere Seite
Die Kampagne lässt sich auch kooperativ mit bis zu vier Spielern bestreiten – und das sowohl online als auch im lokalen Netzwerk. Und so macht Future Soldier sehr viel mehr Spaß als der Solo-Einsatz: Endlich bekommen die Synchronschüsse einen kleinen Unsicherheitsfaktor, endlich reicht es nicht mehr aus, Ziele nur zu markieren und automatisch erledigen zu lassen. Nein, hier muss man sich absprechen und gegenseitig unterstützen, kann sinnvolle Pläne zum Flankieren schmieden, taktieren und einen Hauch der Faszination von damals erleben. Zudem wird es anspruchsvoller, denn stirbt einer der Mitstreiter, heißt es für das komplette Team zurück zum letzten Checkpunkt. Ankreiden könnte man höchstens, dass man nicht auch einen geteilten Bildschirm anbietet – immerhin steht eine solche Funktion im Guerilla-Modus zur Verfügung. Für den Onlinemodus benötigt man übrigens wie nicht anders zu erwarten den U-Play Passport, der neuen Versionen beiliegt. Gebrauchtkäufer müssen dagegen extra investieren.
Aufregende Online-Partien
Den aufregenden Gefechten tut dies jedoch keinen Abbruch: Im Spielmodus Konflikt stehen sich die beiden Parteien auf dem Schlachtfeld gegenüber und sich dynamischen Missionszielen stellen - Killzone lässt grüßen. Etwas komplexer geht es beim „Köder“ zu: Hier muss jedes Team drei Punkte auf der Karte erobern - zwei von ihnen sind allerdings nur Ablenkungsziele. Erst wenn man den „Schlüssel“ gefunden und gesichert hat, wird das Hauptziel enthüllt. Eine tolle Variation, die auf jeden Fall Laune macht. Das gilt auch für den Modus „Saboteur“, bei dem eine Bombe zunächst gesichert und anschließend in das Lager des Feindes geschleppt werden muss, um sie dort detonieren zu lassen. Wird im Laufe der Zeit die Bombe nicht explodieren, weil sie ständig den Besitzer wechselt, entscheiden wie auch in den anderen Modi bei Gleichstand die Teamaktionen über Sieg oder Niederlage.
Wenige Anpassungen möglich
Aber warum beschränkt Ubisoft das Respawn-Verbot nur auf diesen Modus? Wenn ich eine eigene Session anlege, dann erwarte ich gewisse Freiheiten, doch bis auf das Zeitlimit darf ich hier keine Anpassungen vornehmen. Dabei hätte es für mehr Abwechslung gesorgt, wenn man z.B. den Droneneinsatz manuell verbieten oder zumindest einschränken dürfte - das Gleiche gilt für den Tarnanzug oder das Waffensortiment. Hinsichtlich individueller Anpassungen sind die Mitbewerber schon deutlich weiter.
Auch auf das Erscheinungsbild seiner Figur hat man kaum Einfluss: Zwar lassen sich diverse Helm-Layouts freischalten, doch bleibt man hinter den Möglichkeiten zurück. Immerhin darf man im Handumdrehen eigene Squads erstellen, was besonders Clan-Spieler freuen wird. Auch das Einladen von Freunden funktioniert schnell und problemlos. Ein so genannter „Ghost Feed“ informiert zudem im Ticker-Style, was die Leute auf der Freundesliste gerade im Spiel erreicht haben. Teilweise werden die Errungenschaften sogar mit Herausforderungen verknüpft: Schafft ein Bekannter z.B. fünf Kopfschüsse innerhalb einer bestimmten Zeit, kann man versuchen, ihn gezielt zu überbieten und im Gegenzug ebenfalls eine „Challenge“ anbieten.
Guerilla-Kampf
PS3- oder 360-Uniform?
Ist Kinect angeschlossen, können Bereiche wie Gunsmith oder Figurenanpassungen auch mit der Gestensteuerung vorgenommen werden - auch in Kombination mit Sprachbefehlen. Einen echten Mehrwehrt bietet die Integration für mich nicht: Mit dem Controller in der Hand lässt sich der Waffenbaukasten nicht nur präziser bedienen als mit dem Umherwedeln, sondern es geht auch wesentlich schneller. Im Gegenzug bekommen auch PS3-Spieler eine optionale Bewegungssteuerung, denn genau wie bei Killzone 3, Resistance 3 & Co wird auch hier Move als alternative Steuerung unterstützt.
Fazit
Was waren das für Zeiten, als Ubisoft mit Ghost Recon: Advanced Warfighter ein Ausrufezeichen auf der damals brandneuen Xbox 360 setzen konnte. Auch der letzte Auftritt der Truppe vor fünf Jahren bot eine gelungene Mischung aus Taktik und Action. Future Soldier wurde dagegen auf eine neue Spielergeneration abgestimmt: Der schon damals gestutzte Taktik-Anteil wurde jetzt endgültig auf ein Minimum reduziert und durch Automatismen ersetzt. Stattdessen stehen Action in Kombination mit Schleichelementen im Fokus - nicht schlecht, aber auch nicht das, was die Serie ausmacht. Ich könnte mich sogar halbwegs mit der neuen Ausrichtungen anfreunden, denn was Tempowechsel, Schauplätze, Missionsdesign und stellenweise auch die Inszenierung angeht, weiß der Titel durchaus zu gefallen. Aber hätte es nicht etwas anspruchsvoller sein können? Spätestens mit Equipment wie Dronen oder Kampfmech wird das Quartett schnell übermächtig - auch weil die KI-Begleiter fast schon zu zielsicher auftreten und mir dadurch zu viel Arbeit abnehmen. Als ob das nicht genug wäre, greift mir auch noch eine Zielhilfe unter die Arme, die sich nicht deaktivieren lässt. Zu selten spüre ich die Bedrohung, das Kribbeln, die Spannung. Würde ich mich nur auf das Solospiel beschränken, wäre die Wertung eher Anfang 70 angesiedelt. Erst wenn man sich kooperativ durch die Kampagne schlägt, gewinnt sie an Reiz und macht dank des Absprechens und Taktierens im Team deutlich mehr Spaß. Überhaupt gewinnt Future Soldier vor allem durch die Mehrspielerkomponente an Faszination, denn neben den Koop-Einsätzen überzeugen auch abwechslungsreiche Versus-Modi und der saubere Netzcode. Allerdings hätte ich mir mehr individuelle Möglichkeiten zur Anpassung gewünscht - sei es bei den Figuren oder Spielsessions. Die findet man lediglich im Baukasten Gunsmith, der vor allem Waffennarren begeistern dürfte - ob mit oder ohne Kinect. Insgesamt ist Future Soldier ein gelungener Action-Titel, der vor allem im Multiplayer überzeugt, im Solo-Einsatz jedoch einen gewissen Anspruch vermissen lässt. Wer sich hier die Rückkehr zur Taktik oder zumindest eine Fortsetzung des Tugenden eines Advanced Warfighter erhofft hat, wird zwangsläufig enttäuscht!
Wertung
360
Dieses Ghost Recon ist mehr Action als Taktik und in der Kampagne meist zu simpel gestrickt. Erst in den Mehrspielerpartien - sei es im Koop oder Versus - zeigt Future Soldier seine Klasse.
PlayStation3
Dieses Ghost Recon ist mehr Action als Taktik und in der Kampagne meist zu simpel gestrickt. Erst in den Mehrspielerpartien - sei es im Koop oder Versus - zeigt Future Soldier seine Klasse.
Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.