Test: NieR (Rollenspiel)

von Mathias Oertel



NieR (Rollenspiel) von Square Enix
NieR
Entwickler:
Publisher: Square Enix
Release:
23.04.2010
23.04.2010
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ab 19,98€
Spielinfo Bilder Videos
Mehr oder weniger klammheimlich hat Square-Enix das Action-Rollenspiel Nier entwickeln lassen. Es gab kaum Informationen und nur wenige Präsentationen im Umfeld - und die hinterließen keinen guten Eindruck. Es schien, als ob das neue Spiel von Cavia (Bullet Witch) zum Untergang verdammt war. Und plötzlich war es einfach da. Was sich auf dem Bildschirm abspielt, ist ebenso entsetzlich wie überraschend.

Schön ist anders

"Herzliches Beileid!", "Ich dachte, wir testen keine PS2-Spiele mehr?", "Das sieht so scheiße aus!" Dies ist der wohlwollend zusammen geschnittene Tenor der Kollegen-Aussagen, nachdem sie kurz einen Blick auf den Bildschirm geworfen hatten, auf dem Nier lief.
Und auch, wenn immer ein gewisses Maß an Frotzelei und gespielter Abneigung gegen Action-Rollenspiele (aka "Kloppmist mit XP") in diesen Kommentaren steckt, fällt es mir in diesem Fall schwer, Gegenargumente zu finden, um die Kollegen zum Schweigen zu bringen. Zumal die Technik mir wahrlich keine versteckten Asse in die Ärmel zaubert, die ich anbringen könnte, um die Lästermäuler eines Besseren zu belehren.

Ein Mann und sein Buch: Die Stärken von Nier und Grimoire Weiss liegen nicht auf der technischen, sondern der erzählerischen Ebene.
Denn auch ich war in der Anfangsphase entsetzt. Nier vermittelt den Eindruck, als ob die Entwicklung auf den alten Systemen (Xbox, PS2) startete und dann irgendwann der Entschluss gefasst wurde, es auf die "großen" Konsolen zu bringen. Das Problem bei diesem Gedankengang ist allerdings, dass diese neuen Systeme mittlerweile auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben. Und selbst zum Start der spielerischen HD-Ära hätte Nier technisch einen maximal durchwachsenen Eindruck hinterlassen.

Das geht los bei den schrecklich schwachen Texturen, die auf die immerhin recht großen Gebietsmodule geklatscht wurden. Das geht weiter bei  dem vollkommen unglaubwürdigen Schattenwurf der Figuren, der unabhängig vom Lichteinfall in einer Position unter dem Charakter klebt. Und das endet erst bei dem leblos scheinenden Weltdesign.
Nier ist in dieser Hinsicht das klassische Beispiel für das sprichwörtliche hässliche Entlein - mit dem Unterschied, dass hier leider kein wunderschöner Schwan am Ende der Metamorphose steht, sondern allenfalls ein erwachsener, aber immer noch weitestgehend potthässlicher Vogel.

Schwacher Trost

Allerdings muss man auch Nier seine visuellen Highlights zugestehen. Diese liegen zwar eher im Einsatz von Filtern und Effekten als im Bereich von Animationen, aber wie Cavia beim Umherstreifen durch die Welt mit dem Einsatz von Licht spielt, ist durchaus faszinierend. Gleißender Sonneneinfall wechselt sich z.B. ab mit klinischen, nur von kaltem Neonlicht bestrahlten Gewölben und sorgt damit für atmosphärische Nuancen. Und auch der Schwarz-Weiß-Filter im Herrenhaus überrascht und sorgt zusammen mit den meist festen Kameraeinstellungen, die an diesem Ort die ansonsten frei positionierbare Sichtposition ersetzen, fast schon für ein Resident Evil-Gefühl. Bei den teils Bildschirm füllenden Bossen sowie dem Gegnerdesign an sich überrascht der Titel auch mehr, als man ihm anfänglich zutrauen möchte. Die Schatten in ihren zahlreichen Variationen erinnern z.B. an eine Mischung ihrer Kollegen aus Ico sowie Figuren aus Tron, da ständig eine Art gelbe Matrix über ihren Körper läuft.

Der vom Design vorgegebene Wechsel von der dritten in die zweite Dimension bietet ebenfalls eine angenehme Abweichung vom tristen Technik-Trott. Betritt man z.B. Gebäude oder Zimmer, wechselt die Kamera in die Seitenansicht und sorgt damit für ein heimeliges Retro-Gefühl. Dieses wird noch verstärkt, wenn man in dieser Ansicht mitunter fordernde Hüpfpassagen meistern muss. Ebenfalls gelungen ist der gleichsam vorgegebene Schwenk in die Vogelperspektive, der bei Kistenschiebereien hilft und bei manchen Auseinandersetzungen gegen zahlreiche Gegner Erinnerungen an klassische Topdown-Dungeoncrawler wie Gauntlet wach werden lässt.

Die imposanten Bosse sind einer der wenigen Glanzpunkte einer größtenteils veralteten Kulisse.
Aber weder eine einzige Schwalbe noch ein kleiner Schwarm macht einen Sommer. Und das bedeutet auf Nier übersetzt: Keines der ohnehin spärlichen Highlights kann es auch nur ansatzweise schaffen, die grundsätzlich schwache Technik auf ein insgesamt wenigstens passables Niveau zu hebeln. Selbst Resonance of Fate sieht dagegen richtig gut aus.

Nichts ist, wie es scheint

Und dennoch: Die über 30 Stunden, die ich bislang mit dem schwer bewaffneten, aber wortkargen Recken zugebracht habe, der über einen Großteil der Zeit von einem zynischen sprechenden Buch begleitet wird, bereue ich in keiner Form.
Ganz im Gegenteil. Ich habe in den letzten Jahren nahezu alles gespielt, was mir auf Konsolen im Bereich Kloppmist vors Pad kam. Und das meiste davon sah deutlich besser aus - genau genommen sah eigentlich alles besser aus. Dennoch möchte ich viele Momente in der Welt von Nier nicht missen und siedle sie innerhalb des Genres ganz weit oben an. Denn was technisch nicht vorhanden ist und einem damit die Lust am Spielen verleidet, wird durch innere Werte fast komplett wett gemacht. Die Charakterzeichnung ist mitunter ebenso minimal wie der rundum stimmige, manchmal sphärisch-ruhige, dann wieder rasant-dramatische Soundtrack - und das ist gut so. Man erfährt nämlich gerade so viel, wie nötig ist, um einerseits die Emotionen der Figuren oder ihre Beweggründe in den jeweiligen Situationen plausibel nachempfinden zu können und andererseits das Geheimnis sowohl der Geschichte als auch der einzelnen Charaktere bis zu den multiplen Enden zu bewahren, die man tunlichst alle erspielen sollte, wenn man den kompletten Umfang der Story erleben möchte.

              
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Kommentare

Xris schrieb am
Kritik kann jedes Spiel vertragen, sei es noch so gut. Ich zähle Nier immerhin zu den besten Spielen die ich in dieser Gen gespielt habe. Aber noch besser hätte ich es gefunden wenn SE nicht iwan den Geldhahn zugedreht hätte und die Entwickler das Spiel ordentlich ferstigstellen (mir tuts nach wie vor um die eigentliche guten, aber leider nicht zueende gedachten Ideen leid die man im Gameplay an jeder Ecke findet) lassen. Übrigens war glaube ich der Kontext dieser Diskussion der Test (zumindest imho, zu faul um nu nachzusehen). Und wenn man nun ein Mindestmaß an objetivität fordert dann muß man Nier kritisiern. Denn es gibt Spiele die grafisch und spielerrisch eine ganze Ecke besser sind.
Wobei der Test an zu diesem Spiel ohnehin Crap ist. Weil er anstatt das Gameplay anständig zu beleuchten beinahe die Story vorspoilert. Ist ja richtig die hier in den Vordergrund zu stellen. Aber das Gameplay lediglich als Fußnote zu erwähnen (da steht eigl. nur das Nier ein Gameplay hat, mehr nicht) ist doch ein wenig knap und wenig informativ.
fanboyauf3uhr schrieb am
Xris hat geschrieben:Das Gameplay ist ebenso 0815 wie in CoD. Bzw. ist Nier in dieser Hinsicht sogar noch weitaus gewöhnlicher und auf die Dauer hächst umotivierend.
für dich, ja. für andere ist nier eine offenbarung, z.b. für mich ist nier eines der schönsten und motivierendsten spiele der letzten 30 jahre. das gameplay ist im prinzip simpel, na und? die grafik angestaubt - stört mich nicht, finds eigentlich recht hübsch. alles geschmackssache.
Xris schrieb am
http://www.schnittberichte.com/
Nier ist nicht gelistet ergo uncut.
Ich weiß, genreübergreifende Vergleiche sind nicht besonders klug, wenn ich jedoch sehen muss wie 08/15 Shooter Awards absahnen und eine Perle wie Nier das Nachsehen haben muss, kommen mir fast schon die Tränen...

Du machst dabei aber den Fehler Nier nur auf die Story zu reduzieren. Das Gameplay ist ebenso 0815 wie in CoD. Bzw. ist Nier in dieser Hinsicht sogar noch weitaus gewöhnlicher und auf die Dauer hächst umotivierend. Ein CoD kann, so anspruchslos es auch ist, diese 6 Stunden Spielzeit unterhalten. Nier hingegen hat mich schon nach 2 Stunden Gameplay gelangweilt.
Auch ein God of War ist nicht sonderlich anspruchsvoll im Gameplay. Aber es ist abwechslungsreicher und doch ein wenig inteligenter bezgl. der Kombos - die in Nier garnicht erst vorhanden sind. Und die Boss Monster in Nier sind in spielerischer Hinsicht einfallslos. Es wirkt wie gesagt unfertig.
Aus meiner Sicht ist die Wertung vollkommen in ordnung. Allerdings ist der Test ansich nicht gut. Mir fehlt der Teil der sich mit dem Gameplay beschäftigt. Im grossen und ganzen steht im Test, die Grafik ist scheiße, aber die Story, die Grafik ist scheiße aber die Story etc. und iwan wird dann mal asl kleinen Randnotiz das Gameplay angesprochen. Man kann sich da nicht wirklich ein Bild vom eigentlichen Spiel machen. So entsteht der Eindruck das die Wertung in erster Linie aufgrund der Grafik so ausfällt. Was ich allerdings stark bezweifle. Auf der anderen Seite bewertet 4P ein Spiel wie Disgaea 3 (die Grafik befindet sich auf PSOne Niveau und es ist ebenfalls ein Vollpreistitel) für PS3 mit 84%, wogegen Nier mit 70% einem Grafikwunder gleichkommt.
Mal im Ernst: Du hast es selbst angesprochen, dass die Kameraperspektiven durchaus sehr unterschiedlich ausfallen, und, wie ich finde, dadurch auch ein sehr unterschiedliches Spielgefühl aufkommt. Allerdings wiederholt es sich insgesamt zu oft.

Sie haben aber kaum bis keine spielerischen...
Nero Angelo schrieb am
Mal ne kurze Frage! Ich hab mir NIer jetzt bestellt (kommt in ein paar Tage =) ) aber nun ist mir aufgefallen das die PEGI das Spiel ab 18 bewertet hat, die USK allerdings ab 16... ist das Spiel in deutschland geschnitten, oder hat die USK diesmal ein anderes Bild von dem Game als die PEGI, diesmal ein besseres wie's ausschaut?
Richie2go schrieb am
Ich habe Nier soeben beendet und alle Enden gesehen. Die Wertung geht volkommen an meinem Spieleerlebnis vorbei.
Das die Lokalisierung nicht durchgängig umgesetzt wurde fiel mir nur zu Beginn kurz auf, dies ging jedoch bei den vielen excellenten Eindrücken schnell unter. Die Grafik ist meiner Meinung nach nicht missraten. Mir fiel sie zu keinem Zeitpunjt negativ auf.
Charaktere, Musik, Story, Atmosphäre, Lokalisierung...all dies ist grandios.
Wer auf diese Dinge Wert legt darf sich Nier auf keinen Fall entgehen lassen!
Ich weiß, genreübergreifende Vergleiche sind nicht besonders klug, wenn ich jedoch sehen muss wie 08/15 Shooter Awards absahnen und eine Perle wie Nier das Nachsehen haben muss, kommen mir fast schon die Tränen...
schrieb am