Im Test:
Das kann doch nicht wahr sein
Es ist schon lange her, dass mich ein einziger Bosskampf derart Nerven gekostet hat. In den mittlerweile über 30 Jahren, in denen ich mich mit Video- und Computerspielen beschäftige, gab es (wenn überhaupt) vielleicht eine Hand voll Gegner, bei denen ich so laut und lang anhaltend geflucht habe. Es gab in meiner Zockervita verdammt wenige Momente, in denen ich wutentbrannt das Pad oder sonstige Peripherie frustriert auf den Tisch oder durch das Zimmer gefeuert habe. Doch Metal Gear Rising Revengeance (MGR) hat dieses Kunststück vollbracht. Nach dem gefühlt tausendsten Versuch bin ich wieder gescheitert. 1001. 1002. 1003. Weiter. Weiter. Und noch einmal. Scheitern. Scheitern. Scheitern. Irgendwann war es dann doch weit: Ich habe ihn besiegt ihn und mich am Abspann gelabt – ich habe es mir verdient.
Doch was zurück bleibt, ist trotz einer versöhnlichen Endsequenz, die mir ein Lächeln aufs Gesicht zauberte und auf eine Fortsetzung hoffen lässt, ein merkwürdig laues Gefühl und ein kleiner Hass auf die Entwickler von Platinum Games. Denn was sie mit dem letzten Boss anstellen, widerspricht dem Rest des Spielerlebnisses, das in bester japanischer Tradition die Werte "Hart, aber fair" verkörpert. Bis zu diesem Zeitpunkt waren alle kleinen oder mittleren Gegner (auch in mitunter unfair scheinenden Kombinationen) sowie alle Bosse mit Taktik, guten Reaktionen und Kenntnis der zur Verfügung stehenden Angriffsoptionen und mitunter sogar unter Zuhilfenahme von Stealth-Techniken zu knacken. Doch beim letzten, beim entscheidenden Kampf setzt Platinum auf eine Art unheilvolles Zufallsprinzip: Der Boss verfügt über etwa 15 Angriffsmuster, die man jedes für sich auskontern oder ihm zumindest ausweichen kann.
Überraschendes Erlebnis
Doch auch wenn mir der finale Kampf meine Motivation ganz schön mürbe gemacht hat - bis dahin konnte mich die in ihren Grundzügen an Bayonetta und Devil May Cry erinnernde Materialschlacht überraschend gut unterhalten. Und das, obwohl die schlauchigen Abschnitte, durch die man streift, bis man irgendwann Gegnern begegnet, so dass ein Arenakampf eingeleitet wird, nicht allzu üppig ausgefallen sind und man abseits des Weges nur wenig entdecken kann. Denn hinsichtlich des Kampfsystems gibt sich Platinum Games keine Blöße. Mit insgesamt vier Waffen, davon drei optional, kann man in die Duelle gehen. Für erfolgreiche Kombos und Finisher, deren Anwendung an eine intuitive Variante des hierzulande indizierten Afro Samurai erinnern, bekommt man Punkte, die man wiederum für Upgrades entweder der Waffe, der Gesundheit des Helden oder seines Energievorrats (nötig für die genauen Schnitte) einlösen kann.
Gleichermaßen intuitiv wie effektiv
Die ist übrigens erstaunlich leicht zu erlernen. Solange man genug Energie hat, kann man jederzeit über die Schultertaste in den Zeitlupen-Fokusmodus gehen und nun entweder über die Schlagtasten oder noch zielgenauer per rechtem Stick Schnitte anbringen.
Doch wenn man auf diese Art und Weise einen geschwächten Gegner angreift, kann man zum einen versuchen, die linken Hände zu amputieren, die für den befreundeten Wissenschaftler (deutscher Herkunft) von Bedeutung sind, aber letztlich nur Bonuspunkte versprechen. Zum anderen, dies ist wesentlich wichtiger, kann man über gezielte Schnitte versuchen, das maschinelle Gegenstück zu Herz oder Wirbelsäule freizulegen und dann einzusammeln - mit dem Ergebnis, dass die eigene Gesundheit sowie die Energieleiste wieder bis zum Anschlag gefüllt werden. So stelle ich mir die gelungene Einbindung eines Features vor, das ursprünglich auf mich nur wie ein Blickfang wirkte. Insofern begrüße ich, dass auch in bestimmten Kämpfen die Nutzung der 360-Klingensteuerung forciert wird - auch wenn dafür der rechte Stick mitunter etwas zu sensibel reagiert.
Nur schmückendes Beiwerk?
Die passable Kulisse hat nur eingeschränkt Anteil daran, mich zur Rückkehr ans Pad zu motivieren. Zwar passt das Gegnerdesign und vor allem die geschmeidigen Kampfanimationen Raidens sorgen für einige Hingucker. Doch Defizite im Umgebungsdetail sorgen dafür, dass sich die Waagschale auf einem leicht überdurchschnittlichen Niveau einpendelt. Auch die immer wieder eingestreuten Abweichungen wie Abschnitte, in denen man sich schleichend bzw. in Dunkelheit vortasten muss, haben nur geringen Anteil daran, die Motivation hochzuhalten. Dazu bleiben die Mechaniken zu oberflächlich und vor allem die Entdeckungs-KI der Gegner lässt stark zu wünschen übrig. Es ist zu leicht, sie zu überraschen oder sie in die Irre zu führen. Mitunter konnte ich sogar beobachten, wie sie bei der Wegfindung Probleme hatte und nicht an Hindernissen vorbei kam, so dass ich mich noch ungefährdeter z.B. in einem Karton heranschleichen konnte. Dennoch hat Platinum gut daran getan, diese Elemente einzubauen - nicht nur, weil man sich damit vor der Herkunft der Serie verbeugt, sondern weil sie als Kontrapunkt zu der rasanten Action gut geeignet sind, um den angesprochenen Adrenalinspiegel auf ein vernünftiges Niveau einzupegeln. Doch machen wir uns nichts vor: Wenn es nur um die Kämpfe oder Kulisse ginge, sind Dämonenjäger aus eigenem oder fremden Hause weiter.
Ernste Themen
So gibt es z.B. eine plausible und serienkohärente Erklärung, wieso sich Raiden vier Jahre nach den Geschehnissen in Teil 4 wieder vom friedlichen Familienleben verabschiedet. Überhaupt spielt man viel mit Themen, die man entweder aus der "richtigen" Metal Gear-Serie kennt oder die nahtlos in das Universum passen: Es geht u.a. um Kindersoldaten, was Raiden wiederum mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert und für ein paar interessante emotionale Szenen sorgt.
Dennoch gibt man sich dabei deutlich leichter verdaulich. Die Geschichte ist weniger verworren als z.B. MGS 4, muss aber auch nicht so viel aufarbeiten oder auflösen. Und man zeigt sich insgesamt humoristischer. Wobei man keine Schenkelklopfer befürchten muss, die die Serie und alles, was man damit assoziiert, ad absurdum führen würden. Stattdessen sorgen die Pointen und Einzeiler eher für ein befreiendes Lachen, um die innere Spannung nach einem Kampf aufzulösen oder ein Gegengewicht zu einer emotional "schweren" Szene zu bilden. Dabei hat man sich bei Konami dazu entschlossen, bei der Lokalisierung nur die Texte ins Deutsche zu bringen, die Sprachausgabe bleibt Englisch. Und auch hier zeigt sich Revengeance konsequent:
Fazit
Ja: Mit gut fünf Stunden Spielzeit plus Zeit für ggf. häufiges Scheitern und Neuladen ab Kontrollpunkt ist Metal Gear Rising Revengeance etwas kurz geraten. Doch mir ist ein kurzes, aber intensives Erlebnis weitaus lieber als ein gestreckter Langeweiler - und das wird hier mit Bravour abgeliefert. Allerdings übertreibt Platinum Games die Intensität beim Endboss: Während bis dahin die japanische Kunst anspruchsvoller, aber stets fairer Kämpfe zelebriert wird wie seit Ninja Gaiden Black nicht mehr, nagt der Finalkampf mit zufallsabhängiger Unfairness an meinen Nerven und kostet dieses Abenteuer wie zahlreiche Detailschwächen in der Kulisse oder die schwache KI einige Punkte in der Endabrechnung. Dennoch: Dieses actionlastige Metal Gear macht richtig Spaß. Das Konzept der 360-Grad-Klingensteuerung geht überraschend gut auf, die Kämpfe werden mitunter spektakulär inszeniert. Zwar liegt man immer noch deutlich hinter Platinums Edelhexe und mit leichtem Abstand auch hinter Capcoms Dämonenjäger zurück. Doch schaut man sich an, was z.B. Tecmo mit dem bislang letzten Ausflug von Ryu Hayabusa verunstaltet hat, können sich Freunde überzogener Arenakämpfe japanischer Prägung auf rundum gute Unterhaltung freuen. Zumal sich auch die Geschichte als deutlich vielschichtiger zeigt, als man befürchten musste. Ich hoffe, dass sich Platinum und Hideo Kojima auf eine Fortsetzung einigen können – Raiden hätte es verdient.
Pro
Kontra
Wertung
360
Die Katana-Action ist gnadenlos und sortiert sich gut ins Metal Gear-Universum ein, zeigt im Detail aber Schwächen.
PlayStation3
Gnadenlose Katana-Action, die sich gut ins Metal Gear-Universum einsortiert, aber im Detail Schwächen zeigt.
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