Im Test:
Syd "Redfield" Fenix
Dass man sich als Entwickler gelegentlich an erfolgreichen Konkurrenten orientiert, ist nicht ungewöhnlich. Was wäre ein Turrican ohne den Einfluss von Contra? Oder was ist mit all den Diablo-Klonen, die in der Spielewelt ihr Unwesen treiben? Gelegentlich kommt es ja sogar vor, dass ein Nachahmer das Vorbild in den Schatten stellt - wie z.B. Uncharted nach Tomb Raider bewiesen hat.
Dementsprechend muss es nicht per se schlecht sein, wenn ein Entwickler die hierzulande indizierte Gears of War-Serie als Muse für Quantum Theory (QT) nutzt und versucht, den klassischen "Deckungs-Shooter" mit einem fernöstlichen Twist zu versehen. Doch was hier am Ende dabei rum kommt, lässt einen gelegentlich schaudernd zurück. Dabei ist nicht einmal das Figurendesign des Hauptcharakters "Syd" das Problem, der mit seinen überproportionierten Armen und seiner Rüstung die perfekte Symbiose zwischen Resident Evils Chris Redfield (in seiner Visualisierung aus Teil 5) und Epics Marcus Fenix darstellt - zumindest ist es prinzipiell kein Problem. Wenn allerdings die Kulisse so aussieht, als wären hier fortgeschrittene Praktikanten am Werk und das Spiel mindestens etwa zwei Jahre zu spät, ist das ein großes Problem. Texturen, die im besten Fall durchschnittlich sind, deren sehenswerte Varianten den Entwicklern aber offensichtlich so gut gefielen, dass sie bis zum Abwinken wiederholt werden, sind da nur der Anfang. Es geht weiter mit hölzernen Animationen, die vor allem bei den ohnehin nur in spärlicher Vielfalt vorhandenen Gegnern auffallen führt über Clipping-Problemen und endet bei einer Kameraführung, die in engen Räumen keine große Übersicht gewährt. Nein, dies ist nicht die Alternativ-Besetzung der Gears of War-Mannschaft. Und Quantum Theory ist wahrlich keine Alternative zu Epics Shooter.
Wie konnte es so weit kommen? Wie kann ein Entwickler, der in seinem Portfolio solide Titel wie die Dynasty Warriors-Serie oder Action-Klassiker wie Ninja Gaiden vorweisen kann, sich derart übernehmen? All die Hoffnung und Erwartung, die sich in mir nach den ersten Trailern aufgebaut hat und die sich in einem Eindruck manifestierte, den man am besten mit "Naja, wird wohl ein interessanter Gears-Klon mit sich dynamisch verändernden Level-Strukturen", kann die final angebotene Action nur sporadisch erfüllen.
Elementare Fehler
Wenn ich mich schon an einem bekannten Titel orientiere, um mir als viel versprechender Trittbrettfahrer so viele Fans wie möglich ins Boot zu holen, sollte ich wenigstens solide Ergebnisse abliefern. Doch viel zu häufig scheitert QT bereits daran. Das Deckungssystem ist davon weitestgehend ausgenommen, doch mehr als solide ist es auch nicht. Es funktioniert - meist passabel, einige Male leistet es sich aber auch herbe Aussetzer, wenn man sich in sicherer Deckung wähnt, die gegnerischen Projektile aber dennoch einschlagen. Bewegt man sich einen Millimeter nach links oder rechts, ist wieder alles in Ordnung - merkwürdig.
Das gilt auch für das Problem mit den ominösen Todesschleifen. Es kann gegen größere schwer bewaffnete Feinde durchaus passieren, dass man mit Artillerie aus der Deckung herausgesprengt wird. Das ist prinzipiell gut, da man sich so nicht auf den Schutz verlassen kann. Schlecht ist hingegen, dass Syd so lange braucht, bis er sich aufrappelt, dass der Gegner in der Zeit nachladen und noch einen weiteren Treffer anbringen kann, der einen quasi am Boden festnagelt - und noch einen und noch einen und Game Over. Und das bezeichne ich nicht mehr als fordernden Schwierigkeitsgrad, sondern frustrierendes Design. Die Zwischensequenzen sind gelungen.
Der Zielzoom hat ein weiteres Problem: Egal, wie lange man in den Optionen hantiert und die Sensitivität der X- und Y-Achsen justiert, ist eine millimetergenaue Kontrolle über das Fadenkreuz nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Das gute Stück bricht immer wieder aus oder reagiert zu spät - und zwar unabhängig vom gut umgesetzten Rückstoß der jeweiligen Waffe.
Das ist bei einer Mechanik, die einen in den Ladebildschirmen (und davon gibt es leider zu viele) dazu auffordert, bei bestimmten Gegnern auf Kopfschüsse zu setzen, höchst fatal. Ich würde ja gerne. Doch wenn die Feinjustierung mehr Zeit in Anspruch nimmt, als das Ergebnis wert ist, nutze ich einfach andere Methoden, um die nicht intelligent handelnden Gegner zu plätten - immerhin nutzen sie die vorhandene Deckung ganz brauchbar.
Solide, konservativ, altbacken
Und der Rest ist ein Shooter, wie man ihn schon zig Mal gesehen hat: Ambitioniert, aber letztlich auf breiter Linie im Bestfall biederer Durchschnitt. Drei Waffen (bzw. zwei in einer Flashbacksequenz) kann man mit sich führen und dabei frei zwischen allen in der Gegend herum liegenden Schießprügeln wählen. Das Problem: Die meist wohl klingende Namen tragenden
Gleichmacher sind unausgewogen. Nachladefrequenz, Munitionskapazität und Durchschlagskraft stehen häufig in keinem Zusammenhang und wirken willkürlich zusammengewürfelt. Und darüber hinaus bleibt man hinsichtlich der Auswirkungen erzkonservativ - auch wenn beim Design ein interessanter Kompromiss zwischen Giger'scher Organik und futuristischen Metallen geschaffen wird. Und das führt dazu, dass man sich meist auf eine bestimmte Waffenkombo zurückfallen lässt - vor allem, weil einem schlichtweg der Anreiz zum Wechsel fehlt. Wieso soll ich die Pumpgun mit sechs Schuss gegen eine tauschen, die nur vier Schuss hat und sich hinsichtlich der Nachladezeit nur minimal unterscheidet? Oder gegen einen Granatwerfer, der weniger Schaden anrichtet als die Spielzeugpistole meines Neffen? Die Kulisse ist zu einem großen Teil nicht mehr zeitgemäß.
Verschenkte Chancen
Und dann kommen doch noch Elemente, die man noch nicht in Gears oder ähnlich gelagerten Shootern gesehen hat. Da wäre z.B. die Möglichkeit, eine Mitstreiterin, die Syd nach etwa zwei Fünftel der Reise aufgabelt, in einer Art Special-Move den Gegnern entgegen zu schmeißen. Standardgegner werden durch ihre Schwertattacke (die sich allerdings ständig wiederholt und keine Abweichung bietet) sofort ausgeschaltet. Größere Viecher brauchen zwei oder mehr dieser Angriffe, die nach kurzer Aufladezeit wieder zur Verfügung stehen. Ist sie in der Nähe, wenn man eine Nahkampf-Attacke startet kann man mit gutem Timing sowie einem weiteren Tastendruck die Kombo mit einem Schlag ihrerseits verlängern. Und natürlich hilft die Partnerin auch in den normalen Feuergefechten, wobei sie sich gar nicht mal so ungeschickt anstellt - man kann ihr allerdings keine Befehle geben.
Wieso die beiden sich bei der Rettung des Turmes, der von der so genannten "Diablosis" heimgesucht wurde, einer scheinbar bösen Mischung aus Krankheitskeimen und pflanzlichen Wachstumsstrukturen, gegen mutierte Menschen und andere Monster zur Wehr setzen müssen, verkommt bei der schwach inszenierten Action zur Nebensache. Die Story ist
belanglos und langweilig. Gleiches gilt für die gezwungen komisch wirkenden One-Liner, die Syd immer wieder in den Raum schmeißt und die bei Marcus Fenix vermutlich nicht einmal ein müdes Heben der Augenbrauen provozieren würden. Und das alles, obwohl die gerenderten Zwischensequenzen tatsächlich gut und sehr effektvoll inszeniert werden. Fette Waffen, aber spielerisch leider nichts dahinter.
Doch selbst das Potenzial, das sich durch die dynamischen Änderungen der Kampfumgebungen hätte ergeben können, bleibt ungenutzt. Statt den Spieler immer wieder vor sich verändernde Levelstrukturen zu stellen und dadurch vielleicht sogar nach ein kleines Rätselelement einzubauen, werden an bestimmten Stellen einfach Skripte abgerufen, die dafür sorgen, dass an Position A eine Brücke einstürzt, an Position B ein organischer Turm in die Höhe schießt und an Position C eine rettende Plattform erscheint, auf die man springen muss - wohl dem, der die unsaubere Kollisionsabfrage richtig einzuschätzen versteht.
Der Vollständigkeit halber sei die Möglichkeit erwähnt, mit acht Spielern online kompetitiv in den Krieg zu ziehen. Doch auch hier wird nur der nötigste Standard geboten - und es ist bereits jetzt schwer, Mitspieler zu finden...
Fazit
Was wäre wenn? Diese Frage beschäftigt einen mehr als die belanglose Geschichte, mit der Tecmo Koei versucht, diesen halbherzigen Deckungs-Shooter zu rechtfertigen, mit dem man sich keinen Gefallen getan hat. Was wäre passiert, wenn die Kulisse nicht nur mit weniger Clipping, Kameraproblemen oder Levelrecycling hätte auskommen dürfen, sondern zudem zeitgemäßer wirken würde? Was wäre, wenn man sich hinsichtlich des Charakter-Designs und dem Deckungssystem nicht nur an Titeln wie Epis Gears-Serie orientiert hätte, sondern auch deren Spielbarkeit (zumindest ansatzweise) erreicht hätte? Was wäre gewesen, wenn die Waffen nicht nur zahlreich vorhanden, sondern auch ausgewogen gewesen wären? Oder was wäre, wenn die Action insgesamt so gut und effektvoll inszeniert würde wie die gerenderten Zwischensequenzen? Oder wenn die Zielerfassung nicht so unsauber und ruckhaft arbeiten würde? Dann hätte Quantum Theory das Potenzial zu einem Geheimtipp gehabt, der nicht nur mit dem interessanten Ansatz sich dynamisch verändernder Levelstrukturen hätte punkten können. Allerdings wäre es dann auch ein anderes Spiel gewesen.
Pro
Kontra
Wertung
360
Uninspiriert, unkreativ, unzeitgemäß, unsauber: Tecmo scheitert an dem Projekt "Nippon-Gears of War".
PlayStation3
Spielerisch und technisch ist dieser japanische Gears of War-Klon schlichtweg unzeitgemäß.
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